SUBTERFUGE – Prometheus
2019 (Pure Steel) – Stil: Prog Metal
Prometheus, der “Vordenkende”, ist seit der Antike eine Figur, die Kunst, Literatur und Musik inspiriert. Dem griechischen Mythos zufolge erschuf er die ersten Menschen aus Lehm. Um sie zu ernähren, täuschte er Zeus und betrog somit die Götter um die ihnen zustehenden Opfergaben. Er holte das Feuer vom Himmel, dafür ließ Zeus ihn an die Felsen des Kaukasus ketten. Dort kam regelmäßig ein Adler, der ein Stück der Leber fraß, das wieder nachwuchs. Das ging, bis Herakles den Adler mit einem Pfeil erlegte. Dieser Mythos, und die philosophischen Fragen, die Prometheus aufwirft, sind Thema des aktuellen zweiten Albums der polnischen Prog Metaller SUBTERFUGE. Selten haben der Name einer Band, Täuschung wäre eine gute Übersetzung, und Thema eines Albums so gut zusammenpepaßt.
Je nach Blickwinkel stammt unser Wissen von Göttern oder Aliens. Und Prometheus steht hier für beides. Zudem steht er für die einen als Beispiel für die sich emanzipierende Menschheit, oder im Gegensatz dazu als Prototyp für den Drang des Menschen zu möglichst schrankenloser gottähnlicher Macht. Es verwundert nicht, dass Ridley Scott in seiner Alien-Reihe einen der Filme nach dieser Figur betitelte und darin auch mit Motiven dieser Sage spielte. Ob der Fülle des Materials allein bei Wikipedia verwundert es nicht, dass man hier zwei CDs mit insgesamt 93 Minuten Spielzeit füllen kann.
Nach dem Spoken Word-Intro ´Dreamless Sleep´ erwachen die Götter in ´Earth, Sun And Life´. Akustische Gitarren und hartes Rifffing untermalen feinsten Gesang von Kinga Lis und Growls von Mateusz Drzewicz. Noch sind die Menschen primitiv, verstecken sich in Höhlen, sind Jäger und Opfer. Der Achtminüter ´Aliens´ stellt die Frage nach der Herkunft der Götter, Doublebass-Geboller trifft auf Violinenklänge. Maybe you are a sceptic, So you can believe or not. Haben wir unsere ´Identity´ gefunden?
Mit ´The Meeting´ folgt eine wunderbare kleine Ballade. Mateusz zeigt hier, dass er auch sehr gefühlvoll singen kann. Ein Geigensolo führt zur zweiten Strophe, ein Saxophon soliert, beide Stimmen als Duett, ein wunderbarer musikalischer Ruhepunkt, bevor ´Enslaved´ mit Elementen des klassischen Heavy Metal spielt. Mit schwarzen Tönen kommt danach ´Experiment´. Das kontrastriert mit einem fast schon jazzigen Instrumentalteil. Wohin das Experiment führt? Virus – drowns in your blood! Traurige und nachdenkliche Klänge leiten über zum letzten Song von CD 1, ´Truth´.
Das ist mit 13 Minuten der längste Track und Höhepunkt des Doppeldeckers. What is this world? What is life? Is it just last breath of God? … We discovered this world, and brought you life, Gods and religion, Believe it or not Jesus was one of us. Was ist Wahrheit. Was sollen wir glauben? Eine geil schräge Instrumentalbridge nach viereinhalb Minuten illustriert die Zweifel. Religion als Opium für das Volk, Zivilisationen, die durch Angst beherrscht werden. Hier steckt Zündstoff drin!
CD2 startet mit ´Escape´, einem eher unscheinbaren Track. Der folgende Titelsong folgt musikalisch den Spuren von MERCYFUL FATE. `Chosen One´klingt ein wenig, als wenn eine Folk Metal-Band anfangen wollte zu rappen. Eine gelungene Nummer! Mit ´Revenge´ wird nochmals im Death Metal gewildert. Kurz und brutal, kurz und gut. Das leicht thrashige ´Nightfall´ hat einen starken Chorus. Höhepunkt der musikalischen Täuschung, ´Subterfuge´ eine zweite Ballade. I’ll never learn the lesson, That love is only a trick. Deceived and broken once more, I’m still crying in loneliness. Hier wird auch noch einmal das Saxophon herausgeholt. Ein wunderbares Kleinod.
Der Abschluß erfolgt mit dem zehnminütigen ´Farewell´, welches noch einmal alle Klangfarben des Albums bietet, einschließlich dem ersten mir bekannten Thrash Metal-Sax. Das lyrische Ich nimmt hier Abschied vom Hörer, von den Menschen, von mir, um seine Reise zurück zu den Sternen anzutreten. ´Th The Stars´ läßt Album und Geschichte instrumental ausklingen und gibt die letzte Abrundung.
Was ist das für ein Brett. Ich kann mich kaum entscheiden, ist das kauzige Epik (wer sonst verwurstet auf seiner Platte antike Mythologie und Erich von Däniken?) oder erreicht die musikalische Kauzigkeit epische Ausmaße? Da werden Extreme ausgelotet, wie lang nicht mehr, und heftigster Death Metal feinsten Ruhepunkten entgegengestellt. Unmengen musikalischer Wurzeln, von Klassik zu Jazz, von MAIDEN bis frühen OPETH, sind erkennbar. Zwei Stimmen, die eine Vielfalt von Stimmungen erzeugen, wie sonst viele Gastsänger nicht, treffen auf den Einsatz von Violine und Saxophon, ohne das der Metal verloren geht. Bewußt schräge Töne zeigen, wir wissen, was wir tun. Was ja auch Prometheus schon wußte.
Ist das Hybris oder Selbstbewußtsein? Das sollte jeder Hörer für sich entscheiden. Ich tendiere zu Selbstbewußtsein.
(8,5 flammende Fackeln)
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn
…
Hier sitz’ ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sey,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!
(Johann Wolfgang von Goethe – Prometheus)
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