MOTÖRHEAD – Overkill / Bomber
~ 1979/2019 (Sanctuary Records/BMG) – Stil: Rock’n’Roll ~
Allerorten werden nicht nur aktuelle Scheiben in Special- und Deluxe-Editionen, am liebsten in deliziösen Box-Verpackungen angeboten, sondern insbesondere Klassiker oder auch ganze Künstler-Diskografien frisch aufgelegt. Aktuell startet die Rückschau auf den Katalog von MOTÖRHEAD, den uns Ian Fraser „Lemmy“ Kilmister (*24.12.1945 – †28.12.2015) und seine Bandmitglieder hinterlassen haben. Die Plattenfirma wird die kompletten Jahre der 70er, 80er und 90er nochmals ausleuchten.
Den Anfang macht unter dem Motto “Motörhead ‘79” das Box Set ´1979´. Dies enthält hoffentlich alles, was die Pik-Ass-Banger noch nicht in ihrem Lemmy-Schrein zuhause stehen haben. Neben den Alben ´Overkill´ und ´Bomber´ zwei Doppel-Live Alben aus 1979, ein Magazin, ein Tourprogramm, Notenheft und Badge, eine ´No Class´- 7″-Single sowie ein Vinyl mit B-Sides und Outtakes.
Wir betreten aber nicht die Boxengasse, sondern betrachten im Rahmen dieser Wiederveröffentlichung die einzelnen Werke ´Overkill´ und ´Bomber´, deren separate Veröffentlichung von Lemmys Nachlassverwaltern sowie “Fast” Eddie Clarke und Phil “Philthy Animal” Taylor abgesegnet wurde und jeweils in Hardcover-Bookpacks mit zwei CDs (oder ebenso als 3-fach Vinyl) erscheinen.
Overkill (1979)
Die Aufrollung der Diskografie von MOTÖRHEAD klammert wohl das offizielle Debüt von 1977 aus, so dass als erster Happen das zweite Album ´Overkill´ neu erscheint. Für viele ist es auch der gefühlte Beginn, da ´Overkill´ erstmalig den wahren MOTÖRHEAD-Sound präsentierte. Es erschien einst am 24. März 1979, doch bereits 15 Tage zuvor erwies sich das Trio bei “Top Of The Pops” als Schwiegermutterschreck. Selbst die Chefs ihrer damaligen Plattenfirma “Bronze” waren von diesem Sound erschrocken und überrascht, dass diese schreckliche Musik in die Charts einstieg.
Die Songs hatten sich bereits live bewährt und wurden über sechs Wochen hinweg, zwischen den Gigs aufgenommen. Das mit Jimmy Miller (TRAFFIC, ROLLING STONES) co-produzierte Werk erreichte Platz 24 der britischen Charts und setzte zukünftige Trademarks. Rock’n’Roll in grober Punk-Attitüde, der unnachahmliche Gesang von Lemmy und sein Signature-Bass schufen den prägenden, aber einzigartigen Stil von MOTÖRHEAD.
35 Minuten High-Speed-Rock’n’Roll: Angefangen bei dem Speed-Geschoss ´Overkill´, zu dem Phil “Philthy Animal” Taylor erstmals Double-Bass spielen gelernt hat, lebt das Album ebenfalls von Midtempo-Songs wie ´Stay Clean´ und ´Damage Case´ sowie den langsameren, dunkleren Momente in ´Capricorn´ und ´Metropolis´. Viele Songs entstanden schlichtweg spontan. ´Metropolis´ schrieb Lemmy kurzerhand in wenigen Minuten unter dem Eindruck des gleichnamigen Films, “Fast” Eddies Solo in ´Capricorn´ ist zudem völlig ungeplant entstanden. Grooviges im Sinne von DEEP PURPLE wie ´(I Won’t) Pay Your Price´, die Good-Time-Nummer ´I’ll Be Your Sister´ und ein ´No Class´, mit dem von ZZ TOPs ´Tush´ entliehenen Riff, vervollständigen das Album.
´Overkill´, in der Besetzung „Lemmy“ Kilmister (Bass, Gesang), “Fast” Eddie Clarke (Gitarre) und Phil “Philthy Animal” Taylor (Schlagzeug), gehört zu den Sternstunden der Bandgeschichte, die in dieser Brillanz nicht mehr allzu oft erklommen wurden.
Das Werk erhielt für die Wiederveröffentlichung ein frisches Master von den originalen Tapes. Das Hardcover-Bookpack kann mit Erzählungen des “Bronze”-A&R Howard Thompson und des Booking-Agenten David Stopps sowie einem Haufen Bildern aus der Schatzkiste, aber ohne Lyrics, glänzen. Obendrein enthält der zweite Silberling ein 75 Minuten langes Live-Konzert vom 31. März 1979 – ´Live At Aylesbury Friars´.
Bomber (1979)
Der Nachfolger des wahren ´Overkill´ erschien noch im selben Jahr, bereits am 27. Oktober 1979. Das Plattencover ist eine Zeichnung von Adrian Chesterman, das einen deutschen He111 Bomber darstellt und die Faszination von Lemmy für den Zweiten Weltkrieg widerspiegelt. Im Anschluss ging das Trio auf Tournee mit SAXON. Auf dieser kam zum ersten Mal die “Bomber”-Lichtanlage, die eine monströse Seitenlänge von zwölf Metern besaß, zum Einsatz. 1979/1980 wurde zum ersten Goldenen Zeitalter von MOTÖRHEAD.
Zur Produktion von ´Bomber´ griff die Band auf das bewährte Team zurück. Abermals in den “Roundhouse”-Studios in London, sowie in den “Olympic Recording Studios”, stand ihnen Jimmy Miller, der jedoch aufgrund seiner Heroinsucht von Tag zu Tag weniger beitragen konnte, zwischen dem 7. Juli und 31. August 1979 zur Seite. So war die Band am Ende leicht unzufrieden, auch mit sich selbst, da die Kompositionen, im Gegensatz zum Vorgänger, nicht bereits auf Tour ausgiebig durchgespielt werden konnten.
Selbst wenn der eigene Nachfolger von ´Bomber´, der Klassiker ´Ace Of Spades´, wieder mehr Eisen im Feuer haben wird, sind diese 37 Minuten gleichfalls mit einem Heavy Bass, der bald wie eine Lead-Gitarre gespielt wird, einer tatsächlich wilden Lead-Gitarre von “Fast” Eddie und einem mächtigen Schlagzeug gesegnet, dass jegliche Popper des Jahres 1979 umfielen. Der Kick-Ass-Opener ´Dead Men Tell No Tales´ erweist sich schnell als Klassiker. Dem schließen sich der Speed-Fetzer ´Sharpshooter´ sowie das mit einem furiosen Solo ausgestattete ´Stone Dead Forever´ an. Der Polizei zeigt Lemmy mit ´Lawman´ den Stinkefinger, seinem Vater, der ihn und seine Mutter früh verlassen hat, in ´Posion´. Etwas Zurückhaltung legen ´Sweet Revenge´ oder ´Step Down´ an den Tag. Doch mit dem final positionierten Titeltrack ´Bomber´ setzen sie dem Album die Krone auf.
´Bomber´, weiterhin in der Besetzung „Lemmy“ Kilmister (Bass, Gesang), “Fast” Eddie Clarke (Gitarre) und Phil “Philthy Animal” Taylor (Schlagzeug), ist eine kleine Bombe, die seinem Vorgänger nur leicht nachsteht.
Das Werk erhielt für die Wiederveröffentlichung ebenso ein frisches Master von den originalen Tapes. Das Hardcover-Bookpack kann mit Erzählungen von Lemmys Kumpel Simon Sessler und dem Cover-Künstler Adrian Chesterman erfreuen. Außerdem beinhaltet der zweite Silberling ein 69 Minuten langes Live-Konzert vom 3. November 1979 – ´Live At Le Mans´.