SUNN O))), Caspar Brötzmann
~ 8.10.2019, Staatliche Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe ~
Tanz der Nebel
Autocorrect ist der Meinung, das wird ein Love Review. So sei es.
Meine geschätzte schwarzmetallische Schwester kommt nicht mit. Schon mal gesehen, nicht mitgerissen, müde. Hmmm. Die Reviews der Platten und die Live-Berichte waren immer überschwänglich.
Mal vorab auf Youtube checken. Es gibt einen Mitschnitt von Boiler Room, komisch, da hört man normal Techno und House und Techhouse. Sei´s drum, ist ja Kunst. Ok, es hat viel Nebel und es dröhnt. Mal vorspulen. Nebel und Dröhnen. Oh, Gesang. Performance auch, vielleicht wird es doch nicht so fad.
Nochmal die Alben checken, die man hat. Oder eine Setlist eines vergangenen Konzerts. Zu Hause, sehr laut. Irgendwie komm ich nicht rein, es dröhnt halt.
50km nach Karlsruhe fahren, Stau. Scheiße, in Stuttgart spielt heute TOY DOLLS, die waren letztes Mal super, lieber da hin?
Ne komm, SUNN O))) heute.
Da musst du hin, haben sie gesagt. Das wird eine körperliche Erfahrung, haben sie gesagt. Du wirst die Musik spüren, das ist Kunst haben sie gesagt.
Das Konzert findet in der Hochschule für Gestaltung am ZKM statt. Ein sehr großer Saal, nicht ausverkauft. Schon mal gut, da kann man sich die Lautstärke selber einstellen, wenn man nach hinten oder vorne geht. Die Ohren sind nach Jahren von Metal und Trance lädiert, und der Tinnitus nur noch eine Frage der Zeit.
Die Vorgruppe ist schon vorbei und man kann sich einen vorderen Platz während des Umbaus sichern.
Dann geht das Licht aus und es wird still im Saal. Fünf Minuten lang passiert nichts, aber es bleibt trotzdem still, wie in einem Opernsaal. Da wird wohl gleich etwas Großes passieren.
Endlich strömt Nebel aus den Nebelmaschinen, jetzt kann es nicht mehr lange dauern. Es dauert aber nochmal zwei Minuten, in denen unaufhörlich Nebel strömt. Dann erscheint die Band. Es wird noch ruhiger. Alle Bandmitglieder an ihrem Platz. Eine Gitarre wird in die Höhe gereckt und man sieht eine Hand sich der Gitarre nähern. Und dann wird man komplett weggeföhnt. WAHNSINN. Es dröhnt, ach was, es bläst einen förmlich um. Der ganze Körper wird sofort von der steten Druckwelle massiert.
Glückseligkeit fährt in mich. Was für ein Ereignis. Ich fasse es nicht. Ein Blick zu meiner Begleitung. Er kann es auch nicht fassen. Der Typ neben mir und der hinter mir können es auch nicht fassen. Aber sie sind auch glücklich.
Unglaublich, jetzt dröhnt es etwas anders. Hoppla, schon zehn Minuten vorbei, das ist kein bisschen langweilig, auch wenn nicht viel passiert.
Der Nebel ist auch choreogafiert. Genial.
Raucherpause. Irgendwie haben die eine Posaune dabei, nicht so interessant für mich. Noch eine rauchen.
Zum Finale wird es etwas hektisch auf der Bühne. Ist das ein Gitarren-Solo? Das sind doch jetzt bestimmt 10 BPM statt 5? Egal. Arme ausbreiten und sich noch besser massieren lassen. (Worship Drone? – Anm. d. Red.) Alles vibriert. Auch nett, wenn man sich wegdreht von der Bühne, drückt es nicht, sondern es schiebt. Nach dem Schlussbrummen steht man belämmert da und ist sich sicher, das war eine spirituelle und transzendente Erfahrung. Ab jetzt wird keine Gelegenheit mehr ausgelassen, diese göttliche Ausnahmeband zu sehen.
Wir bauen schöne Boxentürme, Bässe massieren eure Seele.
wir sind die Abrissbirne für die m m m m m Metalszene.
(frei nach Peter Fox)
PS zu Caspar Brötzmann als Support: Hab vielleicht doch was verpasst, wie unser Fotograf Marcus Köhler meinte; es reut mich aber trotzdem nicht, denn SUNN O))) war eine Erleuchtung.