BENT KNEE – You Know What They Mean
~ 2019 (InsideOutMusic) – Stil: Artrock ~
BENT KNEE sind seit Jahren der hoffnungsvollste Act des Artrock. Ihr 2014er Werk ´Shiny Eyed Babies´ ist längst ein Klassiker. Doch seither konnten sie nicht für jedermann und jederfrau die anhaltend äußerst hohen Erwartungen erfüllen. Sofern sich die Zuhörerschaft nicht in ´Say So´ und ´Land Animal´ auf die fortwährende Weiterentwicklung im Hause BENT KNEE einließ, wurde sie womöglich enttäuscht.
Das Künstlerkollektiv aus Boston, Massachusetts, bestach bisher im Avantgarde Pop mit Jazz und Prog Rock, mit Swing und Soul, und explodiert in den schaurig schönsten Momenten in einer Soundwall, die allein Ausnahmesängerin Courtney Swain mit ihrer Stimme überfliegen kann. Die neuesten Kompositionen entwickelte die Formation auf der 2018er Tournee sowie erstmals gemeinsam im Studio. Abermals innovativ und richtungsweisend sollte das fünfte Werk den Blick auf die Gesangsmelodien und den Song an sich richten, mehr Riffs und mehr Groove besitzen. Demzufolge wohnt den Liedern diesmal in ihrer Form eine vordergründige Schlichtheit inne, die es zu durchdringen gilt.
Die einminütige Eröffnung ´Lansing´ strahlt pure Intimität aus und vermittelt dem Hörer, ebenso das kurze Zwischenbreak ´Lovell´, die Atmosphäre eines Live-Albums oder einer Jam-Session im Proberaum. Der Zuhörer fühlt sich zugegen und nicht nur dabei. Und sogleich öffnen sich die Wundertüten, für die jedermann und jederfrau BENT KNEE lieben muss. ´Bone Rage´ ist laut und schmutzig, entfaltet puren Noise Rock, besitzt Breaks und Power. Das ist genau die Energie, von der ´Shiny Eyed Babies´ einst getragen wurde. Melodie, Breaks und Power sind die Essenz. Zudem überfällt Courtney Swains Gesang die Hörerschaft Sirenen-artig.
Den nun aufgescheuchten Puls lässt die Truppe im Rhythmus von ´Give Us The Gold´ flattern, die Streicher zum Refrain tragen Courtney und jedweden in andere Welten. Dies ist das Herzstück des Werkes, es ist zum Verlieben. Zum Conga-Groove von ´Hold Me In´ verschwindet dennoch in der Pop-Stilistik nahezu das Naturell von Courtney, nur die Schrillheit hebt sie hier von Pop-Girlies ab. Der schnelle Groove-Pop ´Cradle Of Rocks´ schließt sich diesem in einer Achtzigerjahre Stimmung an. Eine gewisse Eingängigkeit wird in ´Catch Light´ von einer Überdrehtheit begleitet.
Zwischenzeitlich setzt sich Courtney zum ´Bird Song´ schlicht an das Klavier und jubiliert mit ihrer Stimme im Einklang mit den imaginären Vögeln. ´Egg Replacer´ brodelt hingegen in trippiger Atmosphäre, ehe der Song immer mal wieder krachend explodiert. ´lovemenot´ besticht in aller Langsamkeit durch eine bedrohlich aufgeladene Stimmung, in Noise und Doom, inklusive des alten Spielchens “Du liebst mich, du liebst mich nicht”. Auch ´Garbage Shark´ schleicht sich langsam durch die Schwärze der Nacht, sozusagen spiritueller Noise. Aber erst das nachhallende ´Golden Hour´ setzt im Einklang mit dem grungy gesungenen Drogentrip ´It Happens´ den Schlusspunkt.
Erneut überraschen BENT KNEE auf ´You Know What They Mean´ mit neuen Wegen, die ihren Artrock in experimentelle, poppige und noisige Landschaften ziehen. Die Kraft und Energie standen der Gruppe ohnehin schon immer gut zu Gesicht. Klammert man sich allerdings an die frühen Ausnahmekompositionen ´Bone Rage´ und ´Give Us The Gold´ oder versucht, ausschließlich Altbekanntes von BENT KNEE zu finden, wird die experimentelle Ader des Bostoner Quintetts den Hörer überfordern.
´You Know What They Mean´ ist ein experimentell geschlossenes Werk und in dieser Hinsicht die größte Errungenschaft seit ´Shiny Eyed Babies´.
(8,5 Punkte)