MORAST – Il Nostro Silenzio
~ 2019 (Totenmusik / Ván Records) – Stil: Black Sludge ~
Bääm!!! Wie mit einem Paukenschlag beginnt er, der zweite Longplayer von MORAST. Und dass er ein Zeichen setzen wird, war jedem Fan, der sehnlich auf einen Nachfolger ihres schwarz funkelnden 2017er Erstlings ´Ancestral Void´ gewartet hat, klar.
Die Rheinländer hatten ja bereits mit ihren bisherigen Relases deutliche Duftmarken gesetzt und vor allem die Pflöcke tief eingerammt zu ihrem ganz eigenen Spannungsfeld, das zwischen Doom, Death und Black Metal oszilliert, ohne in jeweils in irgendeiner Richtung festgelegt zu sein. Schon damals definierten sie eine sehr individuelle und pechschwarze Nische, in der sie letzte menschliche Hoffnungen in ewig wiederkehrender, verhallter Resignation kunstvoll versinken lassen. MORAST als der tiefschwarze Sludge-Sumpf der Unterwelt eben, der Bandname nimmt das Bild, das diese zähe, anhaftende und genauso fesselnde Musik heraufbeschwört, vorweg.
Nun also der Zweitling! Der Einsteig heisst sinnvollerweise ´A Farewell´, was sich nur auf ihren hiermit abgeschlossenen Geheimtipp-Status beziehen kann, denn diese Platte wird sich international auf so einigen Jahresbestenlisten wiederfinden. Und in diesem ersten Song passiert nach oben erwähntem Weckruf erst einmal sehr lange sehr wenig, aber wie es das tut, das ist hier die eigentliche Kunst; alles lauert nur auf sein Signal zum Losbrechen. R´s Bass pumpt ständig nur einen ewigen Ton, J`s Gitarre wiederholt suchend ein immergleiches Riff, aber darüber baut Ausnahmedrummer L, aka GRIM VAN DOOMs Leonardo Bardelle, ein Drumgebäude auf, das den enormen Spannungsbogen halten wird, der die gesamte Platte umfasst. Und als der Sturm dann endlich losbricht, finden wir uns in einem ultralangsamen Walzer of Doom wieder, der alle Elemente umtanzt, die wir an MORAST so lieben: die rohe Wut der von F rau herausgekotzten Lyrics, die majestätisch vibrierenden wie hallenden Riff- und Klangwände, immer wieder überstrahlt von einer diesmal überraschend positiv gestimmten Gitarre, und eben dieses unterweltliche, so sehr geerdete wie immer wieder aufblitzende Drumming. ´Cut´ schliesst harmonisch wie ein zweiter Satz dazu an, und zeigt uns das Quartett wieder einmal als Seelenverwandte ihrer Buddies ULTHA, mit denen sie die Meisterschaft im Auf- und Abbau von Spannung durch geringfügigste Abwandlung ständiger Wiederholung vereint, und auch ihre Herkunft aus dem Post-Punk. MORAST feiern das Riff durch seine ständige Anrufung, die an die Selbstgeißelung von Flagellanten gemahnt. Erleuchtung durch Schmerz, Erlösung durch Leiden. Was soll danach noch kommen?
Tja, der Titelsong! ´Il Nostro Silenzio´ definiert als ein Monolith, der wie das Bandlogo auf meinem Shirt glitzert, die neue Stufe, auf der MORAST heute angelangt sind. Fast sieben Minuten dauert es an, das majestätische Epos über den, wie die Band es ausdrückt „Lärm im Kopf“, der uns in der heutigen Zeit ständig begleitet und quält, und es fesselt von ersten Ton an. Nie klang F hoffnungsloser und finsterer, wie er seine resignierten Texte in die Welt hinausschreit, unterlegt von einem lakonischen, staubtrockenen wie gleichzeitig abgründig groovigen Riffing. In aller Seelenruhe werden weite, flimmernde Klangflächen aufgespannt, nur um schliesslich durch eine erstaunlich positive Gitarrenmelodie aufgebrochen zu werden. Und wieder diese Drums! L perlen die schleppenden, verhaltenen Parts und Fills nur so aus den Handgelenken, und ich komme nicht umhin zu erwähnen, wie gigantisch transparent und druckvoll zugleich die Produktion dieser Scheibe gelungen ist – die Zusammenarbeit mit Michael Zech und Victor Santura hat MORAST gleich mehrere Schritte hin zu ihrem perfekten Ausdruck gebracht.
Was kann danach noch kommen? ´RLS´ nimmt uns nur noch tiefer mit in extrem basslastige und bedrängende Verzweiflung, und sobald wir ´Nachtluft´ schnuppern, wird es schneller und regelrecht progressiv – in meinem zweitliebsten Song auf dieser Scheibe kann vor allem R zeigen, wie verdammt gut er am Bass ist, der Song rollt auf einem so stetigen Groove voran, wie Sisyphos Felsbrocken ihm immer wieder zum Grunde des Berges entgleitet. Hoffnungslosigkeit, wohin man blickt. Hier erinnert die Stimmung oft an KETZER, ebenfalls aus derselben Region. Da bringt auch der ´November´ keine Erleichterung, sondern wirft nur seine doomigen, aber vor allem eiskalten Schatten voraus. Ein unversöhnlicher Abschluss eines Meisterwerks der schwarzen Künste.
MORAST haben mit ´Il Nostro Silenzio´ eine Platte abgeliefert, die in jeglicher Hinsicht die Extreme auslotet. Alle Songs sind zugleich eingängiger als das, was die Band bisher abgeliefert hat, und andererseits noch düsterer und beklemmender. Atmosphärisch und gleichzeitig heavy as fuck, lassen sie die Lieder los, um sich selbst suchend und tastend zu entwickeln, nur um dann überraschend loszubrechen, und dem Hörer wie wiederholte Schläge in die Visage zu knallen. Dieses Loslassen können hätte auch Sisyphos gut getan, und ist möglicherweise ein Weg aus der Reiz- und Anforderungsüberflutung unserer heutigen Welt.
Wenn man Kohle im Vakuum unter extremen Druck setzt, entsteht daraus ein Diamant. Ob dasselbe auch für hohen Leidensdruck gilt, ist mir unbekannt, ich vermute jedoch, dass gerade dann schwarze Edelsteine herauskommen – solche wie diese Platte.
(9 obsidianschwarz schimmernde Punkte)
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