DIE KERZEN – True Love
~ 2019 (Staatsakt/H’art) – Stil: Pop ~
Verschenkt Liebe, verschenkt Herzen. Verschenkt Kerzen. Hört zusammen DIE KERZEN, die sich dem Achtzigerjahre Pop und New Wave verschrieben haben, einer romantischen Musikrichtung, deren Herz bislang kein Retrotrend wieder zum Schlagen brachte.
DIE KERZEN sind zu jung, um die Achtziger selbst erlebt zu haben, und dennoch klug genug, sie 2019 zum Leben zu erwecken. Der Proberaum von Fizzy Blizz, Die Katze, Jelly Del Monaco und Super Luci steht zwar noch in Ludwigslust, Mecklenburg-Vorpommern, die Bandmitglieder sind jedoch längst nach Berlin ausgewandert. Würde sich das Quartett noch androgyn schminken und pompös kleiden, könnten sie dem modebewussten New Romantic der frühen Achtzigerjahre zugerechnet werden, den goldenen Zeiten von DURAN DURAN, SPANDAU BALLET und ADAM AND THE ANTS. Die Nachfolger des Glam Rock landeten dereinst gut geschminkt ohne Rock im Pop. Doch DIE KERZEN kennen auch NEW ORDER und widmen sich ebenso zeitlosen Klängen á la PREFAB SPROUT.
DIE KERZEN schenken uns ´True Love´ und es ist weder die „wahre Liebe“ von Elvis Presley noch die von COLDPLAY, vielmehr irritiert die britische Musik mit deutschen Texten anfangs unsere Ohren, würde gleichwohl in Englisch nicht diese Intensität entwickeln. Je länger frau und man bei den KERZEN verweilen, desto mehr verschwinden die Erinnerungen im Kopf zu Purple Schulz, Falco, MÜNCHNER FREIHEIT oder CLOWNS & HELDEN. Trotz Zitaten spielen DIE KERZEN niemals so trist wie JOY DIVISION auf, selbst wenn Keiler seine Gedankengänge oft scheinbar gelangweilt im Sinne von Udo Lindenberg vorträgt. Die vollmundig angekündigte „wahre Liebe“ ist anfangs eine unscheinbare Liebelei, die zur Sucht ausarten kann.
Wir beginnen den Tag in ´Blue Jeans´ äußerst gut gekleidet, lauschen dem wahren 80s Pop mit entsprechenden Keyboards und eben solchem Schlagzeug. Und selbstverständlich dreht sich alles um die Liebe, um die erste Begegnung im Berghain und das erhoffte Wiedersehen, irgendwann in ´Saigon´. Da bewegen sich nicht nur die Schultern zum Groove, die Finger wollen beim Tanz gar schnipsen. Wir trinken Sprite mit Moskovskaya, Gin und Tonic oder notfalls Cola-Whiskey aus dem Tetra-Pak, rauchen zwei Schachteln Pall Mall, derweil mein Kit-Kat in der Hand schmilzt. Die Angst, in der Liebe allein gelassen zu werden, ist allzeit präsent – oder ist es schon ´Zu spät´? ´In der Nacht hast du geweint´ bleibt als triste Feststellung und als Höhepunkt der „wahren Liebe“ zurück. Aus einem „Karam, Karam, Karamba“ schallt nämlich kein Karacho, die großen Ohrwürmer zum weltweiten Chart-Erfolg präsentieren DIE KERZEN vielleicht beim nächsten Mahl. Woanders zählen sowieso nur drei Dinge: Copa Cabana, Kokain und Jesus. Daher sehen wir uns auf jeden Fall wieder, im ewig leuchtenden ´Solarium´, in Berlin, in der Sonnenallee.
Mehr Romantik braucht das Land. Verschenkt KERZEN. Gemeinsam ist es schöner, in der Dunkelheit zu strahlen.
(8,5 Punkte)