KING CRIMSON
~ 13.06.2019, Jahrhunderthalle, Frankfurt/M ~
Die Zeit des purpurnen Königs ist längst nicht abgelaufen, seit 2014 erfreuen uns KING CRIMSON in ihrer aktuellen Inkarnation zumindest auf den Bühnen der Welt. Dass seither kein neues Material offiziell erschienen ist, muss der eingefleischte Anhänger mit den im Laufe der letzten Jahre veröffentlichten Archiv-Boxen zur Aufarbeitung der eigenen Bandgeschichte kompensieren.
Um das 50-jährige Jubiläum ihres bahnbrechenden Debüts ´In The Court Of The Crimson King´ zu feiern, begeben sich die Herren aktuell auf ausgiebige Tournee. Was am 15. Januar 1969 im Keller des Fulham Palace Cafe, in 193 Fulham Palace Road, begann, lebt im Hier und Jetzt weiter.
Mastermind Robert Fripp präsentiert auf dieser Tour selbstredend seine, in den vergangenen Jahren eingespielte Formation, die zu Beginn der Europa-Tournee gar annähernd dreistündige Gigs abgehalten haben soll. Am zweiten Tag der beiden Aufführungen in Frankfurt werden es zwei einstündige Sets werden, die von einer 20-minütigen Pause getrennt sind, um zum Finale mit einer über zehnminütigen Zugabe nochmals zu brillieren.
Der zweite Tag in Frankfurt muss zwar ohne die an den vorhergehenden Abenden der Tournee gespielten Klassiker ´Lizard´ oder ´Island´ auskommen, entpuppt sich aber über seine Gesamtlaufzeit als Feuerwerk der Classics aus ´In The Court Of The Crimson King´ und weiterem extraordinären Songmaterial.
Die Bühne kommt wie zuletzt gänzlich ohne Dekoration aus, blaue und lilafarbene Strahler beleuchten allein sanft den Vorhang im Hintergrund, und lassen das Bühnenbild im Verlauf des zweiten, brodelnderen Sets äußerst dunkelrot erstrahlen. Auf der unteren Ebene der Bühne haben sich wie gewohnt die drei Drum-Kits der Schlagzeuger positioniert. Auf der linken Seite hockt Pat Mastelotto, der seit 1994 zur Besetzung gezählt werden darf und ansonsten auch von STICK MEN, PROJEKCT und MR. MISTER bekannt ist. In der Mitte werkelt seit 2016 Jeremy Stacey, der seine als Kopfbedeckung dienende Melone auch während seines Schlagzeugspiels nicht abnimmt und obendrein die Keyboards in seinem Aufgabengebiet innehat. Auf der rechten Seite sitzt Gavin Harrison, seit 2008 in der Formation und mit PORCUPINE TREE weltberühmt geworden. Gemeinsam werfen sich die drei Herren die Rhythmus-Bälle zu, arbeiten sie nacheinander im Millisekunden-Takt ab oder dreschen gemeinsam auf die Felle. Ein Schauspiel, das eine ungemein hypnotische Wirkung entfacht und während des Abends noch öfters zur Entfaltung kommen soll: ´Drumzilla´s live.
Als die Zuschauer langsam aus der anfänglichen Trance des Rhythmusfeuerwerks erwachen, dürfen sie über ´Discipline´ auch schon den Weg zurück zu ´In The Wake Of Poseidon´ nehmen, um sich dem feinfühligen ´Cadence And Cascade´ hinzugeben. An dieser Stelle wechselt Tony Levin, an zweiter Stelle von links auf der oberen Ebene positioniert, von seinem geliebten Chapman Stick, den er immer engumschlungen und wahnwitzig bearbeitet, zu einem gewöhnlichen Bass aus und für die alten Zeiten. Levin gehört immerhin seit 1981 KING CRIMSON an und ist durch seine Arbeiten mit Peter Gabriel, Paul Simon, John Lennon und David Bowie längst selbst eine Legende. Ganz links steht Mel Collins, der hier momentan vom Saxofon zur Flöte wechselt. Rechts neben Tony Levin harrt Gitarrist Jakko Jakszyk, jahrzehntelang Musiker sowie Produzent und seit 2013 bei KING CRIMSON, seiner Einätze. Jakszyk schlägt sich hervorragend als Lead-Sänger, obwohl er natürlich, gerade als Sänger, immer im Schatten von Greg Lake, John Wetton oder Adrian Belew steht. Die obere, zweite Bühnenebene schließt auf der rechten Seite die lebende Legende Robert Fripp ab, der sich, auf einem Barhocker sitzend, der Gitarre als auch den Keyboards widmet und einmal ganz entspannt einfach nur den Mitmusikern zuschaut.
Die Songs von ´In The Court Of The Crimson King´ verteilen sich über beide Sets. Im ersten versinken wir in ´Moonchild´, gefolgt von Tony Levins Streicher-Solo, ehe wir mit dem Titelsong transzendent abheben. ´Epitaph´ erklingt im zweiten Set in seiner Sanftmut und wird von monströsen Instrumental-Abschnitten unterfüttert. Das überraschende Finale, im Vergleich zu den vorgehenden und bekannten Tour-Setlisten, bildet im Zugabenblock eine mörderische Version von ´21st Century Schizoid Man´. Der zweite Set darf, nicht nur von seinen Songs, sondern von seiner Darbietung, als exzessiver und experimenteller angesehen werden. Dabei überrascht der erste Set mit einem frühen ´Red´, derweil der zweite das erwartete sowie erhoffte ´Cat Food´ und das rockige ´Easy Money´ nicht mehr aus den Ohren lässt. Aber auch ´Starless´ wird uns noch tagelang durch das Hirn schwirren, war er nicht der erwartete Schlusspunkt, sondern der erwähnte ´21st Century Schizoid Man´.
Licht an, alle Anspannung fällt ab, eine ab jetzt stehend applaudierende Zuschauermenge wird von Tony Levin, wie vorab angekündigt, für das Poesiealbum abgelichtet und darf nun auch selbst die Gerätschaften zum Fotografieren herausholen.
Ein denkwürdiger Abend, dem vielleicht nur ein Fitzelchen zur unvergleichlichen Magie gefehlt hat, fand sein Ende. Aber bereits an dieser gezeigten Brillanz werden sich dennoch Generationen an Musikern die Zähne ausbeißen.
Fotoapparate und Smartphones sind strikt untersagt, erst am Ende, zu den Standing Ovations,
dürfen diese gezückt werden. Photo-Credit: TonyLevin.com