THE MERCURY TREE – Spidermilk
~ 2019 (Independent/Just For Kicks Music) – Stil: Experimental Rock ~
Spätestens mit ihrem fünften abendfüllenden Werk sind THE MERCURY TREE als nicht mehr von dieser Welt zu bezeichnen. Das Quartett hat im wahrsten Sinne des Wortes die Bodenhaftung verloren.
THE MERCURY TREE wurden – in dieser Reihenfolge – mit den Musikurvätern RUSH, KING CRIMSON, GENTLE GIANT und ZAPPA verglichen, aber auch in der Tradition der Zeitgenossen von PORCUPINE TREE, TOOL, COHEED AND CAMBRIA, MARS VOLTA, PROTEST THE HERO und MUSE gesehen. 2019 sind sie nur noch sie selbst: THE MERCURY TREE. Ihre Musik ist wahrer Progressive Rock, ist uneingeschränkt experimentelle Musik. Es verstecken sich Prog Rock, Math Rock, Alternative Rock, Avantrock, Post Rock, Noise und Jazz. Die Kompositionen besitzen Songcharakter, sind jedoch durch ihre anormale Atmosphäre extraterrestrial. Die Instrumente sind in mikrotonaler Stimmung mit 17 Noten pro Oktave gestimmt. Die traditionelle europäische Tonleiter fußt auf sieben Stammtönen innerhalb der Oktave, die somit zwölf Halbtonschritte vereint, im Gegensatz zur arabischen und indischen Musik. Obwohl wir diese seit unserer Geburt gewohnt sind, können wir natürlich mehr als die definierten Töne und Halbtöne hören. Mikrotöne sind kleiner als Halbtöne und öffnen neue Welten des Hörens.
Um THE MERCURY TREE dem nunmehr zittrig aufgeregten Hörer näher zu bringen, dürfen diese – nur in dieser einen Sekunde – spontan als Mischung aus KING CRIMSON, allein aufgrund des Progressive Rock Meilensteins ´In The Court Of The Crimson King´ jedem Erdenbewohner geläufig, CIVIL DEFIANCE, der legendären US-amerikanischen, Neunzigerjahre Undergroundband des Progressive Metal um Gerry Nestler und Mike Kinney, sowie EXTRA LIFE, dem Dark-Chamber-Math-Avant-Rock-Projekt aus der letzten Dekade von Charlie Locker (DIRTY PROJECTORS, ZS, OCRILIM), umschrieben werden: Der sich dramatisch in den Olymp steigernde Opener ´I Am A Husk´ ist einer der großen Momente dieser menschlichen Uraufführung. Andauernd zeigen sich am Rande von musikalisch lieblichen Schlängeleien nicht nur eruptive Ausbrüche, schwimmend oder gehend auf der Suche in ´Disremembered´, sondern wie in ´I’ll Pay´ oder ´Superposition Of Silhouettes´ harmonisch gesungene Wegweiser. Auf diesem Pfad ist ´Kept Man´ eine echte Leuchtfackel. Bevor ´Vestments´ implodieren kann, wird ein gemeinsamer Singsang angestimmt. Die Grille zirpt mit der Spinne um die Wette, ehe sie sich über die Gabe ´Ark Of An Ilk´ hermachen. Und als Opfer sieht sich der Zuhörer fortan genötigt, immer und immer wieder ´Spidermilk´ zu lauschen, einen neuen Meilenstein.
THE MERCURY TREE sind derzeit womöglich die einzige Antwort, die es auf die Frage nach neuer Musik geben kann.
(9 Punkte)