Livehaftig

Dudefest III: SAINT VITUS, DOPELORD, ULTHA, SABBATH ASSEMBLY, MESSA

~ 03.05.2019, Jubez, Karlsruhe ~


DOOM. Eines der ersten, wenn nicht sogar das allererste Subgenre des Heavy Metal. Wieviele Zweige erblüht sind aus diesem ganz speziellen Samen, den BLACK SABBATH damals in sehr fruchtbaren Boden eingebracht haben, zeigt sich schon am heutigen Line-up. Der dritte Dudefest-Tag ist fast komplett dem düsteren Worshipping des schleppend schweren Riffs gewidmet, wobei jedoch schon im Vorfeld klar war, dass ULTHA mit ihrer modernen Black Metal-Interpretation hier deutlich herausfallen, in Punkto Atmosphäre jedoch jederzeit mithalten können mit dieser Auswahl an Kindern der Düsternis.

Als pünktlich um 19 Uhr MESSA auf die Räucherstäbchenumwehte kleinere der zwei Bühnen steigen, ist für den frühen Freitagabend glücklicherweise schon sehr viel los; einige werden auch den weiteren Weg hierher angetreten sein, da das für den Vortag geplante Mannheimer Konzert der Norditaliener zusammen mit SABBATH ASSEMBLY kurzfristig abgesagt wurde.

Und alle sind sofort in den Bann ihres „Scarlet Doom“, einer sehr sinnlichen, die Langsamkeit mit Lust zelebrierenden Musik, geschlagen. Sängerin Sara macht uns dies jedoch auch sehr einfach, bringt ihre enorm kraftvolle und fesselnde Stimme doch jegliches Gespräch im Raum sofort zum Erliegen – es ist glasklar, worauf nun hier jedermanns Fokus gerichtet ist. Mein Favorit ´Leah´ist als Einsteiger auch wie geschaffen, können hier doch alle Instrumentalisten gleich zeigen, was sie drauf haben. Mich beeindruckt dabei vor allem, wie Alberto zwischen Gitarre und Fender Rhodes, sowie Marco zwischen Gitarre und Bass hin- und herwechseln.

Doch was ist weiterhin das Faszinierende an MESSAs Musik? Es ist weniger die Doom-typische Schwere, sondern das ausführliche Ausloten der unterschiedlichen Extreme im Kraftfeld zwischen ihm sowie Blues, Dark Jazz und auch Ambient. Sie spielen mit ´White Stains´, ´The Seer´und ´Snakeskin Drape´ heute ausschließlich Songs aus dem aktuellen Album ´Feast For Water` (unsere Kritik siehe hier), und die 45 Minuten sind viel zu schnell vorbei, als dass man so richtig eintauchen könnte in die Untiefen dieser seelenschmeichelnden Musik. Ich bleibe dabei – MESSA sind die Zukunft des Doom, und wir hoffen daher sehr auf eine Headlinertour später in diesem Jahr!

 

SABBATH ASSEMBLY haben es danach bei mir schwer, im Gegensatz zu ihrer eingeschworenen Fangemeinde, die den Auftritt der New Yorker bzw. Texaner zwar der transportierten Botschaft entsprechend nicht jauchzend bejubelt, aber doch begeistert mitgeht. Hier ist nun deutlich mehr Okkultrock und Psychedelia im Spiel, doch ist es für meinen Geschmack eine recht verkopfte Sache, die ein absolutes Einlassen, will sagen: viel Konzentration erfordert, und dazu bin ich gerade viel zu sehr im Hier und Jetzt.

Die ebenfalls rothaarige Frontdame Jamie Myers, die auf Gründungsmitglied Jex Thoth folgte, scheint auch singend mehr zu leiden als sich an der gemeinsamen Darbietung ihrer sich gern in ausladenden Soli ergehenden Mitspieler zu erfreuen, und für mich ist meine kratzige Kehle dann doch das eindeutige Signal, dass ich an der Theke gerade besser aufgehoben bin als bei der schwarzen Magie der Amerikaner. Vielleicht klappt’s mit uns ja beim nächsten Mal?

 

DOPELORD eröffnen den Reigen auf der großen Bühne, und können dort schon von Beginn an mit der tatkräftigen Unterstützung ihrer Fans rechnen. Die Band aus dem polnischen Lublin würde jederzeit sofort als Wüstensöhne Arizonas durchgehen, und auch mich packt ihr hypergroovy, fuzzy und stark stonerlastiger, locker-flockiger Doom, bei dem im Gegensatz zur Düsternis von SABBATH ASSEMBLY gleich mehrere Sonnen aufgehen, auf jeden Fall die ´Reptile Sun´, genau wie auch ´Dead Inside (I&II)´ vom 2017er Album mit dem sprechenden Titel ´Children Of the Haze´. Es muss an meinen Nebenhöhlenproblemen liegen, dass ich hier gar nichts entsprechendes rieche…

 

Desweiteren können sie durch gleich zwei recht unterschiedliche Sänger überzeugen, die sich am Mikro abwechseln, oder auch gern mal mehrstimmig singen, was die Sache nochmals auflockert, gerade auch wenn die Sludge-Elemente zunehmen. Dem Drummer zuzuschauen ist ebenfalls eine wahre Freude, erinnert er mit seinem konstanten Langhaar-Headbanging doch stark an das Muppet-Tier. Was für ein Spaß – darauf erstmal einen Space Cookie!

 

Zurück auf der kleinen Bühne gibt es nun Kontrastprogramm vom Feinsten. Statt Weihrauchqualm ordentlich Nebel und darin nur schemenhaft zu erkennende Gestalten, die Atmosphäre auf ganz andere Weise erschaffen als die restlichen heutigen Bands. Ginge der schleppende Beginn von ´The Avarist (Eyes Of A Tragedy)´ gerade noch als Doom durch, verändert sich die Stimmung jedoch bald in repetitive Töne von dunkelstem Grau, und spätestens wenn die Gitarren in ihr Highspeedriffing einsteigen und Manuel hinter dem Drumkit so richtig Gas gibt, erwächst auf der mittlerweile völlig undurchsichtig umwaberten Bühne eine raumgreifende, vibrierende, massive Soundwall, die ULTHA so einzigartig macht. Jetzt ist hier nur noch Abschädeln und Genießen angesagt.

Doch die Szene-Flüsterpost hat es bereits angekündigt, und tatsächlich – als zweiten Song bringen die Kölner ein neues Stück, und was für eins! Knapp zwanzig Minuten Stimmungsauf- und abbau, ein sehr langer extrem ruhiger Part, in dem Andy an den Keyboards ordentlich zu tun hat, aufgebrochen durch massive, nadelspitze Riffs. Cleane Schreie von Ralph bringen ein neues Element herein und man kann schon beim ersten Hören wunderbar mitgehen, so mitreißend ist dieser Song. Kein Wunder, dass die Band nach dem Konzert zu recht stolz ist auf diese neue Preziose, und ich als Fan gespannt, wie es veröffentlichungstechnisch weitergeht…

 

´The Seventh Sorrow´ beschließt das heutige, extrem hypnotische 3-Song-Set (was bei ULTHA locker mal 50 Minuten bedeutet), dem man die direkt vorausgegangene Tour mit VANUM anmerkt, der Fünfer war perfekt aufeinander eingespielt und kam völlig locker in einen mitreißenden Groove. Ich freue mich wie Bolle auf die geplante Headlinertour im Oktober, die mit einem Gig beim Night Fest Metal X in Arlon/Belgien enden wird.

 

 

Und dann ist es endlich Zeit für den Headliner! SAINT VITUS. Ein Monument von einer Band, für viele schlicht DER Inbegriff des Doom Metal. Bewahrer des klassischen BLACK SABBATH-Sounds und Vorreiter sämtlicher Doomwellen, die ab den späten 80ern den Metaluntergrund überrollten. Kommerziell leider nie wirklich erfolgreich, hat die 1979 noch als TYRANT in Los Angeles gegründete Truppe in diesem Jahr schlappe vierzig Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel, und mit Dave Chandler und seit kurzem auch wieder Scott Reagers stehen heute immerhin zwei Gründungsmitglieder auf der Bühne – Ur-Schlagzeuger Amando Acosta verstarb 2010, und Basser Mark Adams ist wegen seiner Parkinson-Erkrankung seit 2016 leider nicht mehr dabei. Seine Bandkollegen haben jedoch hier eine Gofundme-Kampagne zu seiner Unterstützung eingerichtet, auf die Dave Chandler passenderweise zwischen ´ White Magic / Black Magic´ und ´Remains´ vom selbstbetitelten Jubiläumsalbum hinweist, jeder kann hier mit Spenden dazu beitragen, dass Mark Adams seine Behandlungskosten bezahlen kann.

Wie zu erwarten war, legen die Amis mit insgesamt sechs Songs den Fokus auf ihre neue, sehr starke und am 17. Mai erscheinende Platte (s.a. unser Review hier), gehen aber auch zurück bis 1984 mit Titeln wie ´White Magic / Black Magic´, ´Burial At Sea´ und ´Saint Vitus´. Insgesamt werden nur Songs aus den Reagers-Zeiten gespielt, Material mit Scott „Wino“ Weinrich bleibt aussen vor. Ich erlebe Scott nach mehreren Wino-Gigs zum ersten Mal, und muss sagen, dass SAINT VITUS mit ihm einfach anders ist – doch keinesfalls weniger faszinierend und eindrücklich.

Zum Thema eindrücklich: es fällt auf, dass die mehrheitlich ja deutlich älteren Herren incl. Basser Pat Bruders (Ex-CROWBAR) AUF der Bühne mehr ihre Haare schütteln als das altersmässig zwar gemischte, aber natürlich deutlich jüngere Publikum VOR derselben – das sollte dem einen oder anderen nackensteifen Fan doch mal zu denken geben…

Schlagzeuger Henry Vasquez beeindruckt dagegen mit seinem schon entfesselt zu nennenden Spiel. Eine absolut runde Sache mit Kultcharakter, und nach ´Born Too Late´und ´Hallow’s Victim´als Zugaben treten erschöpfte, aber glückliche Fans die Heimreise an.

Erwähnen sollte man an dieser Stelle noch, dass das diesjährige Dudefest noch zwei „Vortage“ hatte, die mit Bands wie u.a. MONO, Jo QUAIL, EARTH SHIP oder MANTAR und DOWNFALL OF GAIA ebenso stark besetzt waren. Schön ist die immer entspannte Atmosphäre im Jubez, die auch jederzeit die Möglichkeit zulässt, mit den beteiligten Musikern vor oder nach ihren Gigs zu quatschen. Eine gute Sache, die hoffentlich noch viele Jahre so weiterlaufen wird!

 

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