ABOLETH – Benthos
~ 2018 (Wurmgroup/Kozmik Artifactz) – Stil: Stoner-Doom-Blues-Metal-Rock-irgendwas ~
Seit Veröffentlichung des Vinyls am 13. Dezember 2018 (die CD erschien bereits am 25. Mai 2018 via WURMgroup) sind zwar bereits ein paar Monate vergangen, aber es wäre wahrlich tragisch, wenn ein qualitativ dermaßen gutes Werk von der Welt nahezu unbemerkt dem Vergessen anheim fallen sollte. Außerdem ist es doch auch schön, wenn man diese Empfehlung gleich erwerben kann und nicht noch Ewigkeiten bis zur Veröffentlichung warten muss, oder?
Auch wenn der Bandname ABOLETH nach einer Black Metal-Band klingt, so könnte ihr musikalischer Stil, der von der Band selbst als “Dirt Metal” bezeichnet wird, nicht weiter davon entfernt sein. Besser trifft es da schon die Beschreibung der Sängerin Brigitte Roka, die im O-Ton wie folgt lautet: “It’s heavy, it’s grungy, it’s folky, it’s even got Satan and witchcraft, and that whole ‘selling your soul at a desert crossroads’ vibe…”
Keine Angst, es handelt sich nicht wieder um eine Okkult-Rock-Band mit Sängerin, obwohl Titel wie ´The Devil´ und ´Wytches´ dieses vermuten lassen könnten, sondern um Stoner Metal/Desert Rock mit einer Prise Doom und einer gehörigen Portion Blues. Und wenn ich Blues sage, dann meine ich Blues. Es mag abgedroschen sein, jede dritte Sängerin mit einer angenehm tiefen, rauchigen und alkoholgetränkten Stimme, die dazu noch einen Ton halten kann, mit Janis Joplin zu vergleichen, aber in diesem Fall drängt sich dieser Vergleich nicht nur auf, sondern manifestiert sich geradezu wie eine H-Bombenexplosion im Großhirn. Und es ist genau diese fantastische Stimme, die neben der Baguitar von Collyn McCoy dieses Werk prägt. Ihr fragt euch, was eine Baguitar ist…das habe ich mich auch. Eine Baguitar ist ein Hybrid aus Bass und Gitarre, der man sowohl tiefe Bass- als auch hohe Gitarrentöne entlocken kann. So, jetzt wisst ihr Bescheid.
ABOLETH wurden 2016 von der damals 21-jährigen Brigitte Roka und Collyn McCoy in Los Angeles gegründet, zu denen dann Dan Joeright an den Drums dazu stieß. In dieser Besetzung wurde ihre erste EP mit drei Stücken (genannt EP-I) aufgenommen, die lediglich digital und auf 50 Kassetten veröffentlicht wurde. Das Stück ´No Good´ war vorher bereits Bestandteil des Samplers ´No Legacy Volume 1: Socal/Norcal´, auf welchem sich neun kalifornische Metalbands aus dem Underground präsentieren, und ist nun ebenfalls auf ´Benthos´ enthalten. Jetzt wird es aber besetzungstechnisch etwas unübersichtlich. Laut Aussage von Brigitte waren sie auf der Suche nach einem dauerhaften Drummer mit dem sie auch auf Tour gehen können und tatsächlich scheint die Band während oder nach Fertigstellung von ´Benthos´ jemanden für diese Position gefunden zu haben, denn als aktueller Banddrummer wird auf dem Album ein gewisser Boll3t (die ´3´ ist kein Druckfehler) aufgeführt, bei welchem es sich um den Brasilianer Alan Troian handelt. Tatsächlich wurde das Werk aber von Marco Minnemann eingetrommelt. Jawohl, das ist der Hannoveraner Schlagzeuger und Produzent, der bereits mit 19 Jahren bei den Münchenern FREAKY FUCKIN WEIRDOZ einstieg und heutzutage als Sessionmusiker für JOE SATRINI spielt, aber auch schon mal die Stöcke für eine illustre Bands wie KREATOR geschwungen hat. Nach Brigittes Aussage ist Marco ein Freund von ihr, der sich, nachdem er sie live hat auftreten sehen, sofort anbot das Schlagzeug auf ihrem nächsten Album zu spielen. Ähnlich muss auch das Treffen mit Ulrich Wild verlaufen sein, dessen 2015 in Los Angeles gegründetes Label WURMgroup die aktuelle Scheibe auf CD herausgebracht hat. Der Schweizer Toningenieur und Produzent, dessen Wege sich in der Vergangenheit auch mit solchen Bands wie PANTERA und WHITE ZOMBIE gekreuzt haben, wollte es sich nicht nehmen lassen, das Debütalbum von ABOLETH nicht nur herauszubringen, sondern auch zu produzieren, aufzunehmen, abzumischen und eben all das damit zu machen, was man mit aufgenommener Musik eben so machen kann. Also durchaus illustre Namen und Könner ihres Faches, was man dem Endprodukt auch anmerkt, welches kraftvoll aus den Boxen dröhnt.
Nun aber zur Scheibe.
Der Plattenname ´Benthos´ steht für die Gesamtheit aller in der Bodenzone eines Gewässers vorkommenden Lebewesen und ähnlich bunt schillernd und vielfältig ist auch diese Scheibe. Wie bereits oben angedeutet, drückt die dunkle und tiefe Ba-Seite der Baguitar einigen Stücken, wie beispielsweise gleich dem Opener ´Wovenloaf´ ihren Stoner/Sludge/Doom-Stempel auf. Beschwörende, wummernde und repetitive Riffs hämmern sich ins Hirn, aber Brigitte kennt kein Erbarmen und fesselt den Zuhörer mit einer Urgewalt in ihrer Stimme, der man sich nicht widersetzen kann.
Auch kommt bereits bei diesem Song das in dieser musikalischen Ecke eher seltener anzutreffende Bottleneck zur Anwendung, welches in den nachfolgenden Stücken immer wieder mal prominente Gastauftritte genießt und die Baguitar zur Slideguitar mutieren läßt. Das darauffolgenden ´Fork In The Road´ ist mit mehr als nur einer Spur Doom gewürzt worden und beim bereits oben erwähnten hypnotisch treibenden ´No Good´ demonstriert uns Brigitte, dass sie nicht nur die laszive, männermordende Vampstimme und raubkatzenartiges Fauchen, sondern durchaus auch hellere Tonlagen einzusetzen vermag. ‚Blackbox‘ lässt einen durch seinen ruhigen und melodischen Beginn zunächst wieder etwas runterkommen und enthält einen grungigen Unterbau, was auch nicht verwundert wenn man weiß, dass Brigitte ein großer Fan von SOUNDGARDEN und ALICE IN CHAINS ist. Die A-Seite wird dann mit ´Glass Cutter´ einem recht flotten Rock´N´Roller abgeschlossen.
Die zweite Seite wird durch die beiden Stücke ´Sharktown Blues´ und ´The Devil´ geprägt, in denen der Blues in seiner ursprünglichsten Form zelebriert wird. Lediglich durch eine Akustikgitarre unterstützt beschwört Brigitte mit ihrer herrlichen Stimme das ganze Leid dieser Welt herauf. Diese beiden Stücke sind ihr auf den Leib geschrieben und sollen mit Sicherheit ihre joplineske Stimme zur Entfaltung bringen, was meines Erachtens vollends gelingt. Es ist mir ein Rätsel, wie eine so junge Person über eine derart verruchte und deshalb auch außergewöhnlich faszinierende Stimme verfügen kann. Ich vermute stark, dass es sich bei diesen beiden Songs um die “live” aufgenommenen Stücke handelt, die Brigitte in einem Interview erwähnt hat. Live soll wohl in diesem Zusammenhang bedeuten, dass sie so auf Platte gepresst worden sind, wie sie im Studio gespielt wurden.
Aber auch die anderen Stücke der B-Seite haben jeder etwas besonderes – ´Ode To Plastic´ grooved wie Sau und ´Vinny Gets Arrested´ ist ein recht locker flockiges Stück Desert Rock. Stampfend doomig wird ein großes Werk mit dem starken ´Wytches´ abgeschlossen, bei welchem Brigitte im Background durch die Stimme von Marina Kiss unterstützt wird und das in einem kurzen abschließenden Gitarrensolo kulminiert, welches mich an irgendetwas zwischen Free Bird (LYNYRD SKYNYRD) und Jessica (ALLMANN BROTHERS) erinnert. Ihr dürft mich jetzt als völlig durchgedreht bezeichnen, aber ich stehe dazu.
Wer alle im vorangegangen Absatz enthaltenen Adjektive aneinanderreiht, erhält eine gute Beschreibung dessen, was die zehn auf `Benthos` enthaltenen Stücke zu bieten haben, Stoner, (Power-) Doom, Rock und Blues, mal mit ruhigen und mal mit schnellen Passagen. Mal riffbetont und groovig, mal melodisch verträumt, aber immer von einer kraftvollen alles beherrschenden und zumindet mich absolut begeisternden Stimme begleitet.
Die Facebookseite von ABOLETH führt aktuell folgende Bandmitglieder auf:
Vocals: Brigitte Roka, Guitar: David Abrams, Bass: Mark Dalbeth, Drums: Boll3t
Collyn McCoy und seine Baguitar sind also zwischenzeitlich durch einen echten Bass und eine echte Gitarre ersetzt worden und Brigitte schwingt nun alleine das Zepter in der Band. Ich hoffe, es geht noch lange gut und wir können uns an vielen weiteren Stücken mit ihrer Stimme erfreuen.
Die LP ist am 13.Dezember beim deutschen Kozmik Artifactz erschienen, welches sich auf Vinylrelease, vor allem aus den Bereichen Heavy-, Stoner-, Psych-Rock und Doom spezialisiert hat.
Hier die Fakten zu dieser LP:
– 200 x weiß/grün marmoriert, wobei die ersten 111 handnummeriert als MAILORDER-Edition angeboten werden
– 100 x schwarz
– hochwertige Pressung von einem Presswerk in Diepholz
– dickes gatefold-cover
– spezielles vinyl mastering
Nur schade, dass versäumt wurde, der Scheibe ein Textblatt beizulegen.
Das Artwork stammt übrigens ebenfalls von Brigitte Roka, die nicht nur über außergewöhnliche musikalische sondern auch graphische Fähigkeiten verfügt.
Brigitte hat nämlich einen Abschluss vom “Art Center College Of Design” und ihre Arbeiten können in Buchform erworben, oder hier https://www.brigitteroka.com/ begutachtet werden.
Apropos…Ein ABOLETH ist eine in der Tiefsee lebende bösartige Kreatur aus dem Fantasy-Rollenspiel “Dungeons & Dragons”. Diese Viecher sind dann wohl auch im Innenteil des Klappcovers dargestellt. Sachen gibt’s….
(9 Punkte)