VORGA – Radiant Gloom
~ 2019 (Independent) – Stil: Atmospheric Black Metal / Extreme Metal ~
Eine neue „multinationale moderne misanthropische Black Metal“-Band aus Karlsruhe wirft ihr selbstproduziertes Debüt auf den Markt, na klar, da hören wir doch gleich mal rein!
Oha! Ich bin leicht verwirrt – wie bitte, neu sollen die sein? Never ever! Hier sind Leute mit deutlich Erfahrung, und zwar nicht nur an den Instrumenten, am Werk, das macht schon der erste Song ‚The Black Age’ deutlich, er knallt sowas von rein und erinnert mich mit seinem Drive, dem klassisch-thrashy Rhythmusgrundgerüst und vor allem auch dem keifenden Gesangsstil von Пешо sofort an den Schwung und das Dauerblasting der letzten NECROPHOBIC, um bei „modernen“ Beispielen zu bleiben. Der Eindruck eines Zwitters aus Black und Death Metal, oder besser: einer sehr offenen Herangehensweise an extremen Metal inklusive deutlicher Black-Thrash-Anteile bleibt ebenfalls beim folgenden Song erhalten, der Vierer reitet auch mit dem etwas runtergedrehten ‚Argil’ haarscharf auf der heute glücklicherweise wieder verschwimmenden Trennlinie zwischen den Genres, punktet mit einem interessanten, folkigen Quorthon-Riffing mit schönem Andy Marshall-Einschlag, sowie wiederum einer hochspannenden Songstruktur voller Breaks, Dynamik- wie Tempiwechseln und einem absolut hypnotischen Groove gerade in den magischen Atempausen des letzten Drittels. ‚Divine’ geht mit skandinavischer Härte voll auf die Zwölf, öffnet dabei jedoch gleichzeitig eine grosse, fast epische Atmosphäre, die uns, passend zum Konzept der Band, in die kalten Weiten des Kosmos hinausführt, die nicht nur im scharf hallenden Gitarren- und Drumsound abgebildet werden, sondern auch im Dialog von repetitiven Warpgeschwindigkeits-Reisen mit herausstechenden, langgezogenen Leads. Gerade in den spannungsvollen, langsameren Passagen zeigen sich die Stärken dieser Songs.
Wer so kristallklar produziert auftritt, braucht das Selbstbewusstsein und die Erfahrung von Könnern, und das ist hier bei jedem einzelnen Akteur deutlich herauszuhören, aber genauso, dass diese Band bereits jetzt verdammt gut aufeinander eingespielt ist und live sicherlich ein wahres Feuerwerk der “strahlenden Düsternis” abbrennen wird. Der mächtige Sternenkreuzer ‚Hunger’ beendet schliesslich diesen famosen Erstling mit einer seinem Titel gemäßen, düsteren Stimmung, die stark an BEHEMOTHsche Soundästhetik und Grandezza erinnert, und gleichzeitig die nihilistische Weltsicht der Band am besten transportiert – wie unbedeutend ist der Mensch im Anblick des Universums?
Was uns nahtlos zur Frage führt, wer nun hinter dem noch unbekannten Quartett steckt? Sänger Пешо war und ist in diversen Bands wie den Bulgaren VRANI VOLOSA oder ACT OF GROTESQUE aktiv und bringt das slawische Element ein. Ein alter Bekannter hier im Rhein-Neckar-Delta ist Leadgitarrist Volker, der bei AZRAEL’S SEED und vor allem den viel zu früh aufgelösten GEÄST stilprägend tätig war; Jervas an den Drums sammelte hochpräzise Blasterfahrung mit AASKEREIA, CORPORAL PUNISHMENT und GRABFINSTERNIS, sie beide sind die Deutschen in der Band. Der Kopf des Ganzen ist jedoch Atlas, der VORGA bereits in Schottland gegründet hatte, für das Songwriting wie die Lyrics verantwortlich zeichnet, und an Rhythmusgitarre und Bass diese perfekt harmonierende Entität zusammenhält.
Ebenfalls weit oberhalb Anfängerniveau bewegt sich das durchdachte visuelle Konzept der Band, begonnen beim wunderbaren, an eine Galaxie angelehnten Bandlogo, über das durchgehend hochklassig und spacig gestaltete Artwork von Georgi Georgev (Moonring Design), bis hin zur nagelneuen top-notch Bandpage, über die ‘Radiant Gloom’ auch zu erhalten ist.
Alles in allem ein herausragendes Debüt, das vor allem denjenigen zu empfehlen ist, die sich für neue, aussergewöhnliche Töne im extremen Metal begeistern können, dabei jedoch nicht auf Melodie, kosmische Weite und atmosphärische Pracht verzichten möchten. Für die nächste EP, die für den Herbst 2019 angekündigt ist, wünsche ich mir den Mut zu noch stärkeren Überraschungen im Songwriting als bisher, verbunden mit der Hoffnung, dass genauso „multikulti“, sprich genreübergreifend, ja vielleicht sogar avantgardistischer weitergemacht wird wie bisher – das Potential dazu hat diese Band auf jeden Fall!
(8,5 galaktisch funkelnde Punkte)