Livehaftig

NECROS CHRISTOS, VENENUM, ASCENSION

~ „Three Altars Burning“ Tour 2019 ~
~ 08.02.2019, MS Connexion Complex, Mannheim ~


Genau so muss das sein!

Schon die Ankündigung dieser Tour hat mir letztes Jahr Freudentränen in die Augen getrieben – was für ein Package! Bereits in der Ankündigung des Veranstalters wurde diese Ausnahmekombination treffend formuliert: „3 Mal Kult, 3 Mal okkult, 3 Mal deutscher Death/Black-Metal vom feinsten!“, und dass mir alle drei Bands bisher live durch die Lappen gegangen waren, aber ganz weit vorne auf dem Wunschzettel standen, kommt noch dazu. Einem gelungenen Freitagabend der Düsternis und auf der linken Abzweigung des Weges steht also nichts im Wege. Und ich kann euch gleich sagen – die Vorfreude hat sich mehr als gelohnt!

Ein bisschen mehr Zulauf hätte ich jedoch schon erwartet, die Leute haben sich zwar teilweise von sehr weit her auf den Weg nach Mannheim gemacht, doch voll ist der Club heute noch lange nicht – ich finde das einfach immer schade, weil die Stimmung sowie auf als auch vor der Bühne ja doch erheblich davon abhängt, wie gut beide Seiten zusammen zu feiern, sich zu verbinden verstehen. Doch damit gibt es heute glücklicherweise keine Probleme, maximal mit der wörtlich genommenen Düsternis – es gibt tatsächlich Besucher, die sich zu recht darüber beschweren, dass man das Merch gar nicht richtig sehen kann – von den Bands mal ganz abgesehen, die Bühne ist (außer bei ASCENSIONs Scheinwerferexperimenten) eher spärlich beleuchtet, die Akteure darauf kaum zu erkennen, was natürlich so gewollt ist. Allen drei Gruppen ist das gemeinsame Schaffen wichtiger als das Individuum, und wie intensiv solch eine Bandphilosophie die Livedarbietungen beeinflusst und pusht, das werden wir alle nun erleben!

 

Den komplett anonym agierenden ASCENSION kommt die Dunkelheit des Abends absolut entgegen, sie eröffnen den Reigen und wir stehen verzückt mit ’Ever Staring Eyes’ vor den Sachsen-Anhaltern, die heute natürlich den Fokus auf ihr letztes Werk ’Under Ether’, aber auch den Erstlings-Paukenschlag ’Consolamentum’ legen.

Leider leidet ihr vielschichtiger, eiskalter, detailverliebter und vertrackter Black Metal unter dem doch arg diffusen Mix, und auch der Gesang wirkt dadurch viel gleichförmiger als auf Konserve. Wett macht all das jedoch das fulminante Stageacting vor allem des Bass-Tiers, der mich komplett fasziniert in seiner abgedrehten Spielweise mit ständigem Bangen. Einer der Gitarristen erinnert dagegen nicht nur mit seinem Posing stark an Kerry King, er knallt die Riffs auch so raus. Obwohl sicherlich einige vor allem wegen den oft (m.E. jedoch unbegründet) mit WATAIN verglichenen und selten live zu erlebenden Schwarzseelen heute hier sind, kommt das Publikum erst langsam in Stimmung (’Dreaming In Death’!), es ist jedoch auch nicht einfach und erfordert echte Hingabe, sich in diesen an- und abschwellenden, tiefschwarzen Strudel fallen und aufsaugen zu lassen, die blutrote Bühne tut ihr übriges dazu…

Irgendwann schlägt jedoch die letzte Glocke. Haben wir das ‚Consolamentum’ empfangen? Vermutlich nicht, trotzdem ein sehr gelungener Auftritt, der Lust auf mehr macht!

 

Die Pause wird genutzt zum Begrüssen all der bekannten Gesichter, die heute hier sind, doch als VENENUM die Bühne ‘Entrance’(n) wird sofort klar: es wird zwar nicht heller, aber bunter – im Sinne, dass hier so diverse Ingredienzien wie klassischer Schweden-Death, norwegische Black Metal-Gestimmtheit, thrashige Attacken, Maiden-esque Melodik, große psychedelische Soundwände und vor allem progressive Songstrukturen zu einem ganz eigenständigen, tiefgründigen, tödlich-tiefschwarzen Giftcocktail verkocht werden, der zum einen bretthart ballert, aber vor allem auch fordernd begeistert mit seiner Vielfalt an Schichten, Rhythmen und Klängen. Trotz des Pechs, dass Sänger/Bassist F.S.A. gleich beim ersten Song ’Merging Nebular Drapes’ eine Saite reißt und er eine neue aufziehen muss, legen die Franken im Folgenden das Connex in Schutt und Asche. Einfach grandios!

Der Sound ist nun deutlich klarer, das Publikum rückt nah an die Bühne heran und ist nun komplett am Mitgehen, folgt mit seinen Körpern jedem neuen Winkelzug der teilweise labyrinthisch angelegten und trotzdem stets treibenden Songs. VENENUM sind wahre Virtuosen an ihren Instrumenten; sticht auch die völlig abgefahrene und trotzdem angenehm warme Gitarrenarbeit von P.T. heraus, so ist es heute doch vor allem der Abend der Rhythmusfraktion(en), und auch wenn es bei ihrem technisch ausgeklügelten, derb-harten Death Metal nur schwer begreiflich klingt, das Quartett groovt sich perfekt eingespielt durch ein exquisites, hoch anspruchsvolles Set, das nur das Beste aus den bisher erschienenen Platten präsentiert, und am Ende natürlich auch ihr halbstündiges Referenzwerk ’Trance Of Death, Part I-III’, in dem man sich komplett weggetreten verlieren kann, nicht ausspart.

Habe ich schon erwähnt, dass auch die Musiker selbst ständig in Bewegung sind, was natürlich nochmal zum Mitbangen einlädt? Es ist ein Triumphzug sondergleichen, der uns nach einer sehr knappen Stunde sprichwörtlich mit offen stehenden Mündern hinterlässt, und eine Freundin fasst es perfekt zusammen: “You dont have to paint your face to be amazing!”. Word!

 

Was soll nun noch kommen? Unvorstellbar, nach diesen Prachtvorlagen noch mehr Aggression, noch drastischere Wucht, noch grössere Leidenschaft erwarten zu können. Aber schließlich stehen nun NECROS CHRISTOS auf der Bühne, und entfesseln von Anbeginn einen endzeitlichen, alles verschlingenden Mahlstrom – es ist unfassbar, aber die Intensität steigt nochmals an, es wird noch dichter, noch konzentriert dunkler. Ist das Grundgerüst ihrer Musik auch auf den ersten Schein einfach, wiederholen sich die wesentlichen Elemente wie das stakkatoartige, grabestiefe Growlen von Bandchef Mors Dalos Ra an der Flying V und die genauso hämmernden Riffs ständig, entwickelt gerade diese mantrahafte Repetition einen unwiderstehlichen Sog tief in die Musik hinein, dem sich keiner entziehen kann. Wer sich nicht gerade Wut und Schmerz aus dem Leib schüttelt, steht hypnotisiert und gebannt da und kann gar nicht fassen, was sich hier an Energie aufbaut. Die Band und das Publikum sind wie in Trance, seelische Reinigung, pure Katharsis – der reine Wahnsinn!

Und bei dem. was Mors Dalos Ra mit seiner Band komponiert, arrangiert und spielt ist natürlich gar nichts “einfach”, was schon die Patches auf seiner Kutte andeuten – wenn der Hauptakteur einer Black-Death-Doom-Band THE DOORS, RUSH, YES und POSSESSEDs ‚Seven Churches‘ mit sich herumträgt, kann man sich leicht ausmalen, was einen erwartet – die Rhythmik ist hochkomplex, die Songs labyrinthisch verwinkelt und abgründig gestimmt, doch die immer wieder ausbrechenden, man traut sich’s ja fast nicht zu sagen, geradezu himmlischen, melodischen Soli bringen dieses gewisse Quäntchen Hoffnung in all die okkulte Düsternis, die Menschen ihr Leid ertragen, und sie immer wieder neu beginnen und weitermachen lässt.

Auch hier wird zwar der Fokus der Liedauswahl auf den unfassbarerweise die Bandkarriere schon jetzt abschließenden Megalith `Domedon Doxomedon`gelegt, aber genau wie zuvor gibt es einen Ritt durch fast sämtliche Tonträger und damit auch Evolutionsstufen dieser Ausnahmekapelle. Mit `I Am Christ`und `Tombstone Chapel` kommen gleich zum Einstieg meine beiden Highlights der letzten Platte, ein `Daemonomantic Fog Lay Upon The Tombs Of Succoth`, das `Black Bone (Fuckin`!!!) Crucifix` schwebt über uns wie ein Fluch, der tote Christus zerstört Mannheim, und auch Drummer Iván Hernández hält es nicht mehr auf seinem Hocker, er zerlegt sein Kit ständig auch im Stehen – die pure Raserei hat Einzug gehalten ins Connex!

Mit dem schnellsten `Domedon Doxomedon`-Track, `The Guilt They (Fuckin’) Bore`, ist die Höllenmaschinerie endgültig entfesselt, lange kann das so nicht mehr weitergehen, und `Exodos`läutet dann schließlich auch das Ende ein. Die Menge jubelt, schreit, pfeift, klatscht, ist komplett fertig und fassungslos ob dem, was hier gerade geschehen ist, und eigentlich rechnet kaum noch einer damit, dass noch nicht Schluss ist, aber doch, sie kehren nochmal zurück! Und werden weiter gefeiert!!!

Mit `Baal Of Ekron` schließen die Berliner einen Auftritt ab, den so schnell kein Anwesender vergessen wird. Welch Macht, welch Intensität! Ich beginne langsam zu verstehen, wieso sie auf dem Höhepunkt ihrer Kreativität abtreten wollen – was wir heute erleben durften ist unmöglich zu steigern. Trotzdem fällt der Abschied mehr als schwer.

 

Das Tor hat sich geschlossen. Es ist vorbei.

 

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