Livehaftig

MONSTER MAGNET

~ 23. Januar 2019, Capitol – Hannover ~


Kurz nach 20 Uhr ertönt die Titelmelodie vom Terminator als Intro und drei junge Männer treten auf, die ich mal wie folgt beschreiben möchte (Achtung, extremste Schublade): ein hagerer Basser mit nach hinten gedrehtem Baseballcap, also der Skate-Speed-Thrash-Typus; ein Drummer mit kurz geschorenem Haar, der bereits nach kurzer Zeit seinen tätowierten Oberkörper präsentiert, also Hardcore-Typus und ein etwas gedrungener Sänger/Gitarrist mit Vollbart und Wollmütze, also Sludge-/Doom-Typus (hätte auch gut zu den Amis ARGUS gepasst). Ich war völlig unvorbereitet und wusste nicht, was mich erwarten würde, obwohl ich den Namen PUPPY für eine Band schon etwas seltsam fand.

Nach den ersten paar Takten von Schlagzeug und Bass ist mein erster Gedanke…na toll…Post-Pantera-Groove-Metal. Was aber dann kommt, als der Gesang einsetzt, hatte ich nie erwartet. Was da nämlich aus den Boxen drängt ist ein dünnes, an manchen Stellen sogar leicht quietschendes leises Stimmchen. Ich denke – na gut, gleich setzt bestimmt der Brüllwürfelpart ein – aber weit gefehlt. Der Sänger hält diese, mir auf Dauer zu monotone und damit auch ins langweilige kippende, Stimmlage bis auf ganz wenige Ausnahmen konsequent durch. Ich möchte betonen, dass dies nicht an seiner Stimme liegt, die ist nämlich bei den Ansagen ganz normal und sogar leicht sonor. Nein, die Stimmlage ist wohl so gewollt. Musikalisch ist das zwar alles Okay (also kein PPGM s.o.) und für den Zuhörer sicherlich auch weniger anstrengend, als sich die ganze Zeit von der Bühne anschreien zu lassen, aber mir gibt das nicht wirklich was. PUPPY bezeichnen ihre Musik als Heavy Metal, was man sicherlich auch so durchgehen lassen kann. Wer sich davon selber ein Bild machen möchte, der hat demnächst Gelegenheit dazu, denn das Debüt der aus London stammenden Band erscheint am 25. Januar bei Spinefarm Records und trägt den Titel ´The Goat´.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es das fünfte oder sechste Mal ist, dass ich MONSTER MAGNET auf der Bühne sehe, aber ich habe Dave Wyndorf definitiv schon in (fast) allen erdenklichen körperlichen Verfassungen erleben dürfen. Mal kräftig, mal dürr und ich erinnere mich noch schemenhaft daran, dass er bei meinem allerersten Konzert von MONSTER MAGNET von der Bühne gefallen ist. Gott sei Dank blieb damals der Ausrutscher ohne Folgen und er konnte seinen Gig fortsetzen, als wenn nichts gewesen wäre.

Ganz ohne Folgen blieben seine späteren Ausrutscher in Sachen Drogen (unter anderem einer Überdosis Schlaftabletten) allerdings nicht, worauf ich an dieser Stelle aber nicht weiter eingehen will, denn an diesem Abend präsentiert sich der immerhin bereits 62-jährige in prächtiger Verfassung. Diverse Höhen und Tiefen in der Bandhistorie haben allerdings dazu geführt, dass von der Formation die sich 1989 in New Jersey zusammen fand, lediglich Dave die Jahrzehnte überdauert hat, denn mit Joe Calandra (Bass) und Jon Kleimann (Schlagzeug) hat er die letzten beiden Gründungsmitglieder, zumindest wenn man das erste Demo der Band nicht mitrechnet, bereits 2001 gefeuert. Wenn es aber eines Beweises dafür Bedarf, dass eine Band mit nur noch einem Originalmitglied mitnichten eine Coverband ist, dann ist das MONSTER MAGNET. Wie auch, wenn Sänger, Gitarrist und Hauptsongschreiber in der Band verbleiben und zwar in diesem Fall in Personalunion in Form von Dave Wyndorf.

 

 

Da Dave es nicht für nötig hält seine Mitstreiter während des Konzerts vorzustellen, tue ich das mal an dieser Stelle. Die aktuelle Besetzung lautet:

Dave Wyndorf (Gesang und Gitarre)
Garrett Sweeny (Gitarre)
Phil Caivano (Gitarre)
Chris Kosnik (Bass)
Bob Pantella (Schlagzeug)

Gegen 21:15 Uhr entern MONSTER MAGNET die Bühne und legen mit ´Dopes To Infinity´ gleich gebührend los, was die vorderen Reihen im gut gefüllten Capitol gleich dazu animiert, einen recht ansehnlichen Mosh-Pit auf die Beine zu stellen. Ungewöhnlich daran ist, dass neben dem üblichen, männlichen Jungvolk auch eine ordentliche Anzahl Personen des weiblichen Geschlechts, von denen im Publikum reichlich vertreten sind, darin erblickt werden kann. Unter ihnen sogar ein paar etwas ältere junge Damen, die sichtlich ihren Spaß haben.

Sound, Songauswahl, Stimmung und ein glänzend aufgelegter Dave Wyndorf halten den Mosh-Pit auch über etwas getragenere Stücke wie ´Melt´ hinweg am Leben, lassen ihn aber bei Soundgranaten wie dem instrumentalen ´Ego, The Living Planet´ (der komplette Text besteht aus dem Satz ´I Talk To Planets Baby´), bis fast zum Mischpult ausborden (Bei diesem Song habe ich jetzt immer Kurt Russel vor Augen – Apropos: Comicfan Wyndorf hat in einem Comic-Buchladen gearbeitet, bevor er MONSTER MAGNET gründete…).

Soundgranate ist das richtige Stichwort, um die Gewalt des Gitarrensounds zu beschreiben, die immer dann einen maximalen Wert erreicht, wenn Dave mal nicht die Mittelfinger in die Luft reckt und stattdessen die Saiten der dritten Gitarre auf der Bühne zupft.
Nach den beiden Hits ´Negasonic Teenage Warhead´ und dem enthusiastisch mitgesungenen ´Space Lord´ ist der reguläre Gig nach knapp 60 Minuten auch schon beendet. Nach einer kurzen Pause von fünf Minuten geht es aber mit drei Zugaben weiter, darunter auch dem psychedelisch-spacigen ´Dinosaur Vacuum´ von der zweiten LP ´Superjudge´. Den Abschluss findet das gelungene Konzert mit ´Powertrip´, wonach alle Zuschauer sehr zufrieden nach Hause gehen.

 

 

Mit nur zwei Stücken von der aktuellen Scheibe ´Mindfucker´ bleibt der Werbeblock für ihren neuesten Output angenehm unaufdringlich. Das hat man bei anderen Bands schon ganz anders gesehen, die gerne mal annähernd ihre komplette neue Scheibe in die Auftritte der entsprechenden Tour packen. Allerdings spielen diese Bands dann auch 90 bis 120 Minuten, wohingegen es MONSTER MAGNET mit ihren 13 Stücken heute gerade mal auf 75 Minuten Spielzeit gebracht haben. Bei mittlerweile zehn LPs (´Milking The Stars´ und ´Cobras And Fire´ von 2014 und 2015 nicht mitgezählt ) und zwei EPs kann das sicherlich nicht an fehlendem Material liegen. Allerdings ist bei MONSTER MAGNET Brutto- gleich Nettospielzeit, denn von Ansagen, auch von einer Ansage der Songtitel, hält Herr Wyndorf nichts. Lediglich bei ´Space Lord´ richtet er sein Wort an das Publikum, um dieses zum Mitsingen zu animieren. Das ist aber gerade bei diesem Titel völlig überflüssig, denn es gibt kaum jemanden im Publikum, der nicht den ganzen Abend darauf gewartet hätte, seine geballte Stimmgewalt in die Worte ´Motherfucker, Motherfucker´ zu legen. (Das ist ungefähr so, als wenn Bobby ´Blitz´ Ellsworth dazu auffordern müsste bei ´Fuck You´ mitzusingen.) Dave Wyndorf hat unnötiges Gelaber auch nicht nötig. Er ist stets präsent und hält, mit Ausnahme der wenigen Momente, wo er vor dem Schlagzeug an irgendwelchen Rädchen für Gitarreneffekte dreht und dabei dem Publikum den Rücken zukehrt, jederzeit den Blickkontakt zum Publikum und bindet dieses mit weiten Gesten und einem Lächeln auf dem Gesicht ein. Er ist eben sehr lange im Geschäft und zu sehr Profi, um nicht zu wissen, dass der Kontakt zum Publikum das A und O bei Live-Auftritten ist.

Mit vier Stücken von ´Dopes To Infinity´, dreien von ‚Powertrip’, zweien von ‚Monolithic Baby!‘ und jeweils einem von ´God Says No´ und ´Superjudge´ gab es eine bunte Mischung zu hören. Ich persönlich hätte gerne noch mehr altes Material gehört, z.B. die früheren Konzertstandards ´Twin Earth´ und ´Cage Around The Sun´ von meiner Lieblingsscheibe ´Superjudge´ (ja ich weiß, die meisten Kritiker halten sie für nicht so doll), aber die Zeit bleibt ja nicht stehen und man kann schließlich nicht alles haben. Obwohl…wer weiß, schließlich haben MONSTER MAGNET 2011 und 2012 die ´Dopes To Infinity´ bzw. ´Spine Of God´, letztere ergänzt um Stücke der beiden ersten EPs, auf der jeweiligen Tour von vorne bis hinten in einem Rutsch durchgespielt. Mal schauen, was die Zukunft bringt…

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