VULCAIN – Frankreichs MOTÖRHEAD oder nicht?
VULCAIN ist eine der dienstältesten Metal-Bands Frankreichs. Von Beginn an, 1981, waren sie die französischen MOTÖRHEAD. Dieser Ruf begründet sich auf das 1984 erschienene Debüt `Rock`n`Roll Secours`. Hier klauen sie auf Teufel-komm-raus bei Lemmy und Co. Trotz des französischen Gesangs wird die Band über die Landesgrenzen bekannt und gerade in Deutschland fällt das Album auf fruchtbaren Boden.
Über die Jahre hinweg verändert sich das Line-up immer mal wieder, was auch musikalisch Spuren hinterlässt. Allerdings sind keine wirklich markanten Stilbrüche in der Discografie der Band auszumachen, nur marginale Veränderungen. Der Kern von VULCAIN ist das Gebrüderpaar Daniel (V, G) und Vincent Puzio (B). Nach einer Auszeit zu Beginn der 2000er geht es erst wieder 2009 weiter, als man sich nach Streitereien wieder versöhnt und Anfang 2010 das erste Konzert nach der Reunion spielt.
In Deutschland lässt das Interesse über all die Jahre leider nach, was wohl auch an dem Umstand liegt, dass VULCAIN hier nie wirklich live gespielt haben. Die einzige, meines Wissens, VULCAIN-Show auf deutschem Boden findet 2011 beim Headbangers Open Air statt.
Interessanterweise kommt das Trio im Laufe des Jahres 2018 bei Season of Mist unter und veröffentlicht mit `Vinyle` ein solides, neues Album. Ob sich die Kooperation für die Band auf internationaler Basis auszahlt, wird man sehen. Zu wünschen wäre es der Band, denn live ist diese immer noch eine Macht. Erwähntes Album ist solide, aber sicher kein überragendes Album in der Diskografie der Franzosen. Diese Diskografie wollen wir mit diesem Artikel genauer beleuchten und dabei auch die Top-3 Alben herausarbeiten.
Noch bevor VULCAIN ihr Debüt präsentieren, traten Ebony Records an die Band heran und geben der Truppe die Möglichkeit, einen Song auf dem `Metal Plated` Sampler (1983) beizusteuern. Fast parallel dazu hat man die Möglichkeit, MOTÖRHEAD zu supporten.
Unbestreitbar ist und bleibt das Debüt von 1984, `Rock`n`Roll Secours`, eines der Referenzwerke von VULCAIN. Alleine auf diesem Album befinden sich fünf All-Time-Klassiker, die bis heute Bestand haben: `Ebony`, `Le King`, `Rock`n`Roll Secours`, `Vulcain/L`Enfer` sowie `Overdose`. Interessant ist hingegen der Umstand, dass das Album damals in der Schweiz aufgenommen wird! Mehr als wohlwollend fallen dereinst die Reviews in der spärlichen Fanzine-Szene aus. Die Nähe zu MOTÖRHEAD ist, das muss man ehrlicherweise sagen, wohl der Aspekt, dass die Jungs 1984 mehr Aufmerksamkeit bekommen als französische Konkurrenzbands zu diesem Zeitpunkt.
`Rock`n`Roll Secours`, ist purer, schneller Heavy Metal-Rock`n`Roll mit Lemmy-ähnlichen Vocals, allerdings in Französisch. Dies ist wohl auch einer der Gründe, dass die Band – wie viele weitere Bands aus Frankreich – außerhalb des Landes nie mehr Erfolg hatte und über den Status einer Insider Band nicht hinauskommt.
`Rock`n`Roll Secours` wird 2014 zum 30-jährigen neu veröffentlicht – in einem fetten Digipak und zwei CDs. Der Clou dabei, man hat das Album komplett neu eingespielt. So wirkt das Material einen ganzen Zacken knackiger – durch den modifizierten Sound und die perfektere Spielweise, die man sich über die 30 Jahre angeeignet hat.
Eine lohnenswerte Anschaffung! 1997 wird das Album über XIII Bis Records ebenfalls noch einmal auf CD veröffentlicht. Als Bonus gibt es dazu die drei Songs der `La Dame De Fer`- EP.
Eine Version die ich bisher nicht in die Finger bekommen habe ist die CD-Version von 1988 auf N.E.W.Musicdisc. Diese hat ein komplett anderes Artwork und ebenfalls drei Bonustracks. Zwei davon stammen von der erwähnten `La Dame De Fer`- EP. Der dritte könnte aufgrund deines Schreibfehlers allerdings der dritte Track der EP sein, wie schon auf der XIII Bis Records. Zu diesem Zeitpunkt agieren VULCAIN als Quartett.
Schon ein Jahr später legen sie mit `Desperados` ihr zweites Album vor. Allerdings auf dem französischen Ableger des Virgin Labels. Musikalisch liefert man den Stil des Vorgängers, wobei sie Gitarrenmäßig einen metallischeren Einfluss auffahren. Ansonsten VULCAIN pur: MOTÖRHEAD-artige Mucke mit den vom Vorgänger bekannten rauen Vocals.
Auch auf diesem Album finden sich mit `Blueberry Blues`, `Fuck The Polices` sowie `Soldat` drei Songs, die im weiteren Verlauf der Bandgeschichte zu Klassikern der Discografie wachsen. Ein Glückstreffer landet derjenige, der die CD-Version von 2004 auf XIII Bis Records mit einem Schreibfehler im Albumtitel findet. Dieses Manko wurde in der zweiten Marge revidiert.
Überhaupt sind die beiden Versionen, die auf CD erscheinen, 1991 auf N.E.W. Musicdisc sowie 2004 bei XIII Bis Records, markant teurer zu erwerben als die Vinyl-Varianten.
Wiederum ein Jahr später steht mit `Big Brothers` schon das dritte Album in den Regalen. Allerdings nun nicht mehr bei Virgin, sondern bei einem Indie namens Riff Records. Das Artwork des Covers ist schlicht als obermies zu betiteln. Keine Ahnung wer für diesen Ausfall zu beschimpfen ist. Ein Artwork gegen jegliche musikalische Nähe zu VULCAIN. Stilistisch gehen sie exakt den Weg des Vorgängers. Mehr klassischer, schnellerer Metal, weniger MOTÖRHEAD Riffs. Dennoch mit einer gewissen Verbindung zum Debüt.
Der groovende Opener `Khadafi` wird über die Jahre hinweg auch zu einem festen Bestandteil von VULCAIN Liveshows. Die Doppelbass-Attacke namens `Les Plaisirs Solitares` ist ein weiteres Highlight der Platte. Eine weiterere, erwähnenswerte Nummer auf diesem Album ist sicher `Dròles De Juex. Eine Bluesnummer mit überragender Saxophon-Einlage. Für VULCAIN-Verhältnisse eine gewagte Sache. Die schnellen Stücke des Albums sind die wahren Burner, obwohl wenig innovativ, reißen sie einen mit. Für Lacher sorgt `MaryLou`, Countrymucke auf Französisch. Die später veröffentlichten CD-Versionen (1991, 2004) des Albums werden mit einem neuen, besseren Artwork veröffentlicht.
Schon nach drei Studioalben wagen sie sich an die Veröffentlichung eines Livealbums. Das sagt schon viel über den Status der Band in Frankreich aus, die in manchen Jahren in den Metalpolls des Enfer Magazines vor TRUST auf Platz eins gewählt wird. Das mit `Live Force` betitelte Livealbum ist eine exzellente Momentaufnahme einer Band, die vor Energie zu bersten droht.
Deutlich ist zu erkennen, welche Songs der ersten drei Platten mittlerweile zu Livefaves auserkoren wurden. Zudem gibt es mit `Hell Ain`t A Bad Place To Be` eine AC/DC-Coverversion auf dem Album.
Einige Platten kommen mit einer raren 7inch und dem Song `Le Soviet Supreme`. Die Jahre später veröffentlichten CD-Versionen (1987, 2004) enthalten allerdings diesen Song der raren 7inch sowie drei weitere Bonustracks. Klasse Livealbum, das einen perfekten Eindruck der frühen VULCAIN gibt.
Bis zum nächsten Studioalbum sollen drei Jahre vergehen. Mit am Start ein neuer Gitarrist, dessen Eintritt einen nicht zu unterschätzenden Stilwechsel einleitet. `Transition` ist ein deutlich Metal-lastigeres Album, das VULCAIN auf Abstand zu den Vorgängern gehen lässt. Das eine oder andere Trademark des früheren Sounds findet sich auf dem Album, insgesamt hat der 10-Tracker keine wirklichen Überflieger Songs zu bieten.
Allerdings auch keine wirklich schlechten Songs für VULCAIN-Verhältnisse. Klar hat sich der Stil ins Kommerziellere verändert, aber schlecht ist das Album dennoch nicht. Allerdings sind erstmals die Verkäufe rückläufig und Neuzugang Pilant verlässt nach ein paar Tourneen wieder die Band. Nett, aber nicht wirklich nötig, würde ich mal behaupten.
Das gleiche kann man für das fünfte Studioalbum von 1992 schreiben. Nett, harmlos, weniger Rock`n`Rollig. Man führte den Stil des Vorgängers weiter, ging allerdings nicht mehr ganz so kommerziell vor wie bei `Transition`. Es rockt und drückt wieder etwas mehr. Dennoch ist `Big Bang`, das man in Korsika aufnahm, zu den weniger überzeugenden Alben der Franzosen zu zählen, trotz einiger sauschneller Bomben.
Auffällig ist der deutlich klarere Gesang, der den Rock`n`Roll-Spirit etwas eliminiert. Nach den Aufnahmen verlässt Gitarrist Arrieta die Band und die Gebrüder Puzio entscheiden sich, als Trio weiterzumachen.
Interessanterweise wird dieses Album nur auf CD und Kassette veröffentlicht. Die CD-Versionen sind leider nicht ganz billig. Ab 35 Euro aufwärts muss man rechnen.
Dann unterschreiben sie bei einer neuen Plattenfirma und nehmen für diese `Vulcain` auf. Auch dieses Album kommt nicht wirklich an die ersten Platten ran und ist eher eine härtere, rockigere Fortsetzung der beiden zuvor veröffentlichten Alben. Sie merken allerdings, dass die Triokiste ganz gut funktioniert und sie als Trio immense Power besitzen, auch wenn das auf diesem Album nicht wirklich durchkommt.
Immerhin finden sich mit `Chemin De Croix` und `Nikita` Songs auf dem Album, die sich immer mal wieder in Liveshows einschleichen. Auch dieses Album wird nur als CD- und Kassetten-Version veröffentlicht. Und obwohl das Album nicht zu den Glanztaten von VULCAIN gehört, ist es nur verdammt schwer zu finden und dementsprechend nicht ganz billig. Preise um die 35-40 Euro sind ein gängiges Niveau.
1996 liefern VULCAIN ein zweites Livealbum ab. `Atomic Live` ist ein Brett vor dem Herren. Obwohl ein Großteil des Sets vom zuvor erwähnten Album `Vulcain` stammt? fährt das Trio hier Vollgas. Schon bemerkenswert wie sich die Liveversionen von Songs wie `En Vrac`, `Chemin De Croix` oder `Adrenaline` von den Studioversionen unterscheiden. Diese Power hätte man auf `Vulcain` verewigen müssen.
Natürlich fehlen auch Klassiker wie `Fuck The Police`, `Vulcain`, `Enfer` oder `Rock`n`Roll Secours` nicht. Es haut einem schlicht den Unterkiefer weg, mit welch einer Power und einem Double-Bass-Gehämmere diese Klassiker rausgehauen werden. Aufgenommen wird das Album 1995 in Paris und Pau.
Durch den Umstand, dass das Teil nur auf einem kleinen Label erscheint, findet es sich nicht oft. Auf discogs ist man mit 30 Euro plus dabei. Wenn also welche im Angebot sind, umgehend zuschlagen. Eine lohnenswerte Investition. Nur als CD veröffentlicht.
1997 haut die Band eine Compilation raus. Schlicht `Compilation` betitelt. Diese gibt einen guten Überblick über das bisherige Schaffen VULCAINs und ist recht billig abzugreifen. Fürs Antesten bestens geeignet.
Das Trioformat hat sich inzwischen gefestigt und neben den Puzio Brüdern ist Drummer Marc Varez endgültig fester Bestandteil von VULCAIN.
1998 veröffentlichen sie mit `Stoppe la Machine` ein neues Studioalbum. Aber irgendwie ist die Luft raus. Dennoch gibt man auf `Stoppe la Machine` alles. Trotz einem zeitgemäßen Sound kommt die Härte und raue Spielweise der frühen Alben durch. Double-Bass-Attacken wie beim fulminanten Opener `LÁn 2000` sind zwar selten, aber die Songs haben echt Power. Mit `The Dogs Are Talking` covert man sogar einen Klassiker der australischen THE ANGELS. Erwähnenswert ist sicher auch, dass sie oft auf klassische Bluesriffs zurückgreifen und zeigen woher die Band-Roots stammen.
`Stoppe la Machine` ist ein gutes, aber kein überragendes VULCAIN-Album. Einige Tracks sind echte Knaller (z.B. `Black Silex, `95c`), allerdings ist das Gros eher gutes Mittelfeld. Veröffentlicht nur als CD.
Nach dem Release nehmen die Spannungen in der Band zu. Resultierend hieraus verlässt Drummer Varez die Band im Frühjahr 2000. Daraufhin wird offiziell das Ende der Band verkündet. Trotz dauernder Versuche französischer Promoter lehnt die Band über die Jahre hinweg immer wieder Angebote ab, live zu spielen.
2009 kommt es dann endlich zu ersten neuen Annäherungen und im weiteren Verlauf des Jahres probt man. Das Comeback wird tatsächlich verkündet und im April 2010 gibt es die erste Liveshow nach der Reunion. Auftritte beim Hellfest und Shows, kurioserweise im Ausland, wie Schweiz, Kanada (!) oder Belgien.
Die erste Veröffentlichung nach der Reunion im Trio-Format ist dann `En Revènant` in 2011. Ein Livealbum, das zudem die erste Live-DVD der Franzosen beinhaltet. Aufgenommen im legendären Pariser Trabenco am 13. November 2010. Wobei hier Gitarrist Didier Lohezic, einstiges Gründungsmitglied, bei einigen Songs mit am Start ist. Dieses Livealbum ist ein einziges Statement in Sachen VULCAIN. Trotz der langen Pause und den internen Streitereien präsentiert sich hier eine Band, die nur eine Marschrichtung kennt: im Vollgasmodus nach vorne.
Die Band zieht eine Best-of-Show durch, die mit Klassikern geradezu gespickt ist. Und das bei einem irren Tempo. Das als Digipak veröffentlichte Album hat einen superben Sound. Auf der DVD finden sich ein paar Tracks mehr. U.a. eine Coverversion von MOTÖRHEADs`We Are The Road Crew`. Als DVD-Bonus gibt es noch ein paar Songs vom Hellfest-Auftritt und ein Making-Of der Live-DVD sowie zwei rare Videoclips. Ein mehr als überzeugendes Livealbum wie überhaupt alle bisherigen Livealben von VULCAIN. Denn live war ist und bleibt diese Kombo ein Ereignis. Ein Jahr später findet sich das Trio auf dem Headbangers Open Air 2011 und liefert einen krachenden Auftritt ab.
Es dauert zwei weitere Jahre bis es zu einem neuen Studioalbum kommt. `V8` wird als LP und CD auf dem bandeignen Label veröffentlicht. Die Gruppe rockt wieder mehr als auf den ersten Alben und der reine Metal-Anteil wird verringert. `V8` ist ein akzeptables Album. Allerdings vermisst man zwei bis drei Songs, die eindeutig diesem Album zuzuordnen sind. Also sogenannte Hits, die für dieses Album stehen.
Auch generell stößt das Album für das Trio keine weiteren, neuen Türen innerhalb und außerhalb Frankreichs auf. Das Interesse lässt merklich nach. Die alten Die-Hard Fans halten VULCAIN die Stange, für junge Fans ist die Band leider nicht mehr attraktiv genug. Zu dem Album spielt man wieder mehr live in kleinen Clubs.
Außerhalb Frankreichs interessiert sich eigentlich kein Schwein mehr für das Trio. Was eigentlich schade ist, liefern sie doch live noch immer Kick-Ass-Sound, der aus absoluter Überzeugung gespielt wird.
Überraschend kommen VULCAIN 2018 beim französischen Label Season of Mist unter und legen im gleichen Jahr `Vinyl` vor. Auf dem neunten Studioalbum hört man sofort, wer der musikalische Impulsgeber ist.
Die MOTÖRHEAD-Einflüsse werden wieder markanter, dennoch sind sie weit weg von den Frühwerken. VULCAIN halten an ihrem Stil fest, geben Neuerungen keinen Platz.
So bleibt man was man ist: VULCAIN, mit allen positiven wie negativen Aspekten. Positiv: Man steht zu dem, was man macht und zieht sein Ding durch. Negativ: Sehr limitierter Erfolgsradius mit wenig Aussicht auf Expansion und den ewigen Vorhaltungen, eine MOTÖRHEAD-Kopie zu sein.
Wer also Bock auf die Franzosen hat, dem seien folgende Alben ans Herz gelegt:
Zum einen alle drei erwähnten Livealben. An Studioalben definitiv das Debüt `Rock`n`Roll Secours` gefolgt von `Desperados` sowie `Big Brothers` oder alternativ dazu `Stoppe la Machine` oder `Bai Bang`. Wer ganz auf der sicheren Seite bleiben will, nur einen oberflächlichen Überblick braucht, bzw. ein generelles antesten bevorzugt, dem sei die 97er `Compilation` empfohlen.
Auch wenn die Mucke simpel ist, VULCAIN haben in meinem Metalheart immer einen Platz. Das liegt an der Konsequenz mit der man schon über dreißig Jahre Musik macht und dem Stil generell, der schlicht zeit- und trendlos klingt.
Diskografie:
All Live photos: Jürgen Tschamler