ALL TRAPS ON EARTH – A Drop Of Light
~ 2018 (AMS Records) – Stil: Progressive Rock ~
ÄNGLAGÅRD werden für ihren Retro-Prog gefeiert und geschätzt. Mit originalen Seventies-Instrumenten setzten sie sich Anfang der Neunziger an die Spitze der Szene. Das Comeback zu Beginn der letzten Dekade warf schließlich 2012 ein drittes Album ab. Von einer Übersättigung kann also bei den Schweden beileibe nicht die Rede sein.
Ehe jedoch ein weiteres Meisterwerk von ÄNGLAGÅRD das Licht der Welt erblicken wird, hat Urmitglied/Bassist Johan Brand das eigenständige Projekt ALL TRAPS ON EARTH ins Leben gerufen. An seiner Seite: das ehemalige Gründungsmitglied von ÄNGLAGÅRD, Keyboarder Thomas Johnson, der aktuelle ÄNGLAGÅRD-Schlagzeuger Erik Hammarström sowie Johan Brands Tochter Miranda am Gesang. Außerdem wirken Gitarrist Phil Mercy (THIEVES´ KITCHEN), Klarinetten- und Saxofon-Spieler Fredrik Lindborg, Trompeter Karl Olandersson (MARTIN SJÖSTEDT BAND) sowie die Flötenspieler Magnus Båge und Matthias Bååth mit. Die Vertonung der Kompositionen entspricht purer Schönheit aus Moogs und Mellotrons, klassisch, sinfonisch ausgerichtetem Rock, gewohnt komplex, gefangen in der skandinavischen Melancholie – ganz im Banne von ÄNGLAGÅRD.
Nacht. Glöckchen und sphärischer, geisterhafter Gesang von Miranda Brand evozieren den Ersteindruck. Der Horror wird folgen. Denn schon stellen sich Mellotron, Moog Voyager und Grand Piano entgegen. So offenbart sich in ´All Traps On Earth´ ein deutliches Abbild des skandinavischen Prog Rock der Prägung ÄNGLAGÅRD und ANEKDOTEN. Für die Nuancen in der Farbgebung zeigen sich die Blasinstrumente verantwortlich, und spielen bereits hier den Trauermarsch, derweil die Gitarren dagegen halten, und sind neben dem Gesang entscheidend für die Melodienführung: Trompete, Flügelhorn, Alt- und Sopran-Saxophon, Bassklarinette, Bass- und Konzertflöte, Alt- und Tenorblockflöte.
Mitternacht. Der Gesangsvortrag bleibt wortlos, aber opernhaft ausdrucksstark, und tritt nur sporadisch, den Wind umspielend, in Erscheinung – eine heiße Modulation von Xylophon und Glockenspiel in der Ahnenfolge zu KING CRIMSON und PRESENT. Anfangs orchestraler gebärt sich ´Magmatic Warning´ mit Hinterhofliebschaften zu MAGMA und GENTLE GIANT. Der Zuwachs der Bläser schenkt uns nicht nur einmal eine Begegnung mit Ennio Morricone im Western-Wüstensand.
Geister. Geisterhaft zieht ein Bild nach dem anderen vorüber. Aber es wäre zu banal, eine Formel hieraus abzuleiten, dass sich, in ´Omen´ insbesondere mit Flöten, von Lied zu Lied der Blasinstrumenteneinsatz weiter erhöht. ALL TRAPS ON EARTH folgen keiner Formel oder Regel, sie sind die Meister des Free-Prog. Die Klarinette verpasst diesem Schauerstück spätestens die gewollte Manie – ein Gemälde zwischen Canterbury und Italiens GOBLIN, oder ihrer schwedischen Horror-Nachhut ANIMA MORTE.
Spukzeit. Die Spukgestalt ´Bortglömda Gårdar´ ist hingegen mit Chamberlin Harpsichord und zartem, erstmals echtem und schwedischem Gesang von federleichter Wehmut geprägt. Eine Mitternachts-Serenade, zum Sterben schön. Allein das zweiminütige ´First Step´ stellt eine Zerstreuung zwischen dem übrigen Quartett der viertelstündigen Epen dar.
Vom Winde verstreute Melodien en masse fangen ALL TRAPS ON EARTH ein und reichen sie als Bravourstück des Progressive und Avantgarde Rock zurück.
(9,5 Punkte)
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