STEVE PERRY – Traces
~ 2018 (Fantasy Records) – Stil: Rock ~
Steve Perry is back: 24 Jahre nach seinem Solo-Werk ´For The Love Of Strange Medicine´ und 22 Jahre nach seinem letzten JOURNEY-Album ´Trial By Fire´. Mit ´Traces´ legt er den Finger in die eigene, äußerst verwundete Seele, widmet sich ausgiebig seiner verlorenen Liebe und träumerisch alten Liebeleien.
Nichts und niemandem musste der 69-jährige in dieser Dekade noch etwas beweisen, allein die Leidenschaft zur Musik hat ihn wieder aufgewühlt. Vieles erscheint als Aufarbeitung des Verlustes seiner im Dezember 2012 an Krebs verstorbenen Freundin Kellie Nash, vieles lässt uns den Schmerz emotionsgeladen spüren. Kellie war sein ein und alles, so schildert es uns Steve Perry nicht nur in ´Most Of All´ am Klavier. Solche seelischen Regungen sind es, die Kompositionen zu ihrer wahren Größe aufsteigen lassen. Auch wenn sich viele Lieder im Softrock suhlen, befindet sich der Ausnahmesänger vollends in seinem Metier. Vor allem in einem besseren, als sich irgendeinem Zeitgeist aufzudrängen.
Wen die Stimme, ihre Schönheit und ihre Kratzer, nicht bereits im Eröffnungsstück ´No Erasin’´ einfängt, der hat wohl JOURNEY nie geliebt, ein echter Herzenstürmer, geradewegs in das seiner weltweiten Anhängerschaft. Jedes gesungene Wort in ´We’re Still Here´ hat obendrein mehr Gefühl als manch eine ganze Plattensammlung. Den am Klassiker-Status kratzenden Beginn kann das neue Werk natürlich nicht über die Distanz retten. Eine hart angeschlagene Akustikgitarre zeigt jedoch in ´No More Cryin´ leibhaftige Stärke. ´In The Rain´ delektiert sich ebenfalls am Klavier wie ´You Belong To Me´, vieles mit leicht orchestraler Untermalung. Die Gitarre von ´Sun Shines Gray´ weckt zu Beginn der Rückseite wieder alle Kräfte. Ein Song der belegt, dass ´Traces´ besser unter dem Kopfhörer allein gehört werden sollte und nicht mit der Geliebten im Arm, ansonsten wird diese noch beim Reißen der Becker-Faust vom Sofa geschubst. Etwas aus dem Rahmen fällt nur der gefällige, möglicherweise zukünftige Pop-Hit von ´Easy To Love´ und die ruhige, gänzlich die Stimme in den Vordergrund stellende und nicht sofort wiederzuerkennende THE BEATLES-/George Harrison-Coverversion ´I Need You´. Dagegen ist die zurückhaltende Instrumentierung von ´We Fly´ nicht von dieser Welt. In den Achtzigern hätte sich Steve Perry damit auf jeden Sampler gespielt.
´Traces´ birgt alles in allem bestimmt keine Stadionmusik, sondern ist weit intimer. Steve Perry hat abermals großartige Spuren hinterlassen, denen es zu folgen gilt.
(8,5 Punkte)
Selbst die fünf Bonus-Songs der Deluxe-Edition wird der Steve Perry-Liebhaber in ferner Zukunft schätzen lernen: ´October In New York´ erinnert aktuell im ersten Moment an die Orchestrierung von ´Who Wants To Live Forever´, ´Call On Me´ und sein Reggae-Groove lässt uns ebenso wenig wie die peppigen Background-Gesänge von ´Angel Eyes´ still sitzen. Nur die Stimme und eine gedämpfte, instrumentale Programmierung in ´Blue Jays Fly´ setzen den finalen Schlusspunkt unter ein außerordentliches Werk.