HAMMER OF DOOM FESTIVAL XIII
~ Posthalle Würzburg, 16. und 17. November 2018 ~
Ihr wartet auf die Fortsetzung meiner ‘SUMMERDAZE’ nach dem ROCK HARD FESTIVAL? Well, winter is coming, but first things first, deshalb bleiben wir aktuell in den letzten sonnigen Herbsttagen. Und nicht nur die Sonne hat über unseren Häuptern geschienen, vielmehr erleuchtete uns ein kaum noch zu toppendes Feuerwerk bunter Melodien.
Anja, Heiko und Oli (stellvertretend für alle Helfer hinter den Kulissen – ab nun kurz DIE DREI genannt) haben es wieder einmal geschafft, bärenstarke Gruppen der gepflegten Langsamkeit oder auch abwechslungsreichster Individualität zusammenzutrommeln, um das durch DIE DREI selbst mittlerweile verwöhnte Konzertvolk schier um den Verstand zu bringen.
GOAT EXPLOSION
Die Leipziger erweisen sich als guter Auftakt der doomigen Hausmannskost. Sänger Basti tönt leider nicht so differenziert wie auf dem empfehlenswerten Debüt ‚Rumors Of Man‘. Live etwas unspektakulär, awwer macht Laune und hat Herz.
THE WIZARDS
Eine gewaltige Schippe drauf legt danach die Retro-Oberliga aus Spanien, die im Vergleich zu vielen Vertretern das Genres richtig Power haben und auch mal im Teich nebendran fischen. Die ersten beiden Songs sind nämlich purer Metal. Die ehrliche Leidenschaft des Gigs steckt an und auch die Tatsache, dass doppelläufige Gitarren nie nur nach THIN LIZZY oder nur nach IRON MAIDEN klingen, sondern auch mal von RUNNING WILD sein könnten, fetzt einfach. Gleich jetzt schon ein definitives Highlight.
APOSTLE OF SOLITUDE
Die Amerikaner werden ihren hohen Erwartungen mehr als gerecht – mehr Doom passt heute auf keine Tanzkarte. Herrlich grummeln die tiefen Töne an der Solar Plexus, während Steve und Chuck (der vom THE GATES OF SLUMBER Drumhocker hier mit Gitarre ins Zentrum gerückt ist) dich mit zweistimmigem Gesang von der Erde holen. Wem da keiner abgeht, ist hier heute komplett falsch.
ERIC CLAYTON AND THE NINE
Nun wird’s richtig ernst. Die gothischste Metalinkarnation des Universums gibt sich die Ehre. Eric Clayton anfangs mit Hut, Bart steht ihm auch gut – wenngleich auch Lästermäuler ihn optisch irgendwo zwischen Carl McCoy (FIELDS OF THE NEPHILIM) und Vadder Abraham (DIE SCHLÜMPFE, Slipeinlagenwerbung) einordnen. Egal, in den heiß herbeigesehnten SAVIOUR MACHINE-Momenten – wie beim hochemotionalen ‘Killer’ oder ‘Son Of The Rain’ – ist Clayton einfach überragend. Aber für viele Fans sind die Coverversionen vom BEATLES-Klassiker ‘Helter Skelter’, ‘Five Years’, ‘Breaking Glass’ und gar einem dritten Song von DAVID BOWIE, als auch einer LOU REED-Nummer doch etwas verwirrend – wenn auch musikalisch hervorragend umgesetzt. Das angekündigte ‚and more‘ lässt leider zu wenig Zeit für ‚early SAVIOUR MACHINE‘. Vielen wären die gothischsten Stücke der Karriere lieber gewesen, auch wenn seine Stimme gerade zu DAVID BOWIE außerordentlich gut passt. Nebenbei ist es auch Zeit für den Kommentar über die neue Nebelmaschine der DREI, die es mir fast unmöglich macht, brauchbare Bilder aus Publikumsperspektive zu machen, dafür haben wir – Jesus Christ (fehlte leider auch) sei Dank – unseren Mario, dessen Bilder hier als Bonusgalerie zu sehen sind.
Nicht wenige Leutchen wissen das Gesamtpaket zu würdigen, aber das altbekannte Gemurmel auf Festivals dieser Art nimmt apokalyptische Ausmaße an und lässt vermuten, dass die Mehrheit eher keine besinnlichen Covers erwartet, wenn ‘The Voice’ von SAVIOUR MACHINE auf der Bühne steht. Ich glaube an die Liebe, aber selbst ‘Love Never Dies’ kann das Ruder nicht mehr rumreißen, trotz unbestrittener Qualität. Und man merkt leider auch, dass eine Band aus Freunden bestehen sollte und nicht aus Söldnern, die kaum Emotionen zeigen außer Eric. Entschuldigung – aber der Gitarrist auf der Rechten hatte die begeisterte Ausstrahlung von Fisch. Nicht MARILLION, nicht SUBWAY TO SALLY, nein, Musikstudent ohne Liveerfahrung. Sorry, aber wenn sich andere schier den Arsch abspielen, muss auch das erwähnt werden. Für vorwiegend ältere Semester (musikbildungstechnisch – nicht körperlich) trotzdem die Vollbedienung.
Man mag es nicht glauben, aber für mich das ERSTE Mal. Mastermind Tom anfangs entspannt sitzend an Gitarre und Effekten, Rain hypnotisch genial singend, Jim der tieftönende, growlende Dreh- und Angelpunkt auf der Bühne, Michelle am Keyboard und den Harmonievocals, Gitarrist Scott als ruhender Pol und Trevor am Schlagwerk als der echte God of Thunder. Mehr Traum als Doom.
Am besten Augen zu und genießen. Gefährlich nahe an Rains Vocals kommen natürlich die singenden Gitarren, die solch’ eine tragende Bedeutung lediglich bei Acts wie MARILLION hatten. Danach wird geshreddert, was das Zeug hält, um sich direkt in PINK FLOYD-artige Besinnlichkeit zurückzuziehen und abermals epischst Gas zu geben. An alle, die nicht da waren: Eines der Konzerte des Jahres verpasst.
Wenn Tom aufsteht, die Flying V in Händen hält und auch noch den Song spielt, den FATES WARNING mit JOHN ARCH nie aufgenommen haben, ist in der Posthalle Achterbahn. Und als beim STRYPER-artigen Mitsingsong ‘Voice In The Wind’ (keine Beleidigung, ihr wisst, wie ich DIE liebe) der Sänger der leider bereits schwebend zu Grabe getragenen Band GRAVETY aus dem Publikum als Gast eine gekonnte Harke singt, bekomme ich Gänsehaut.
Persönliche Belange nach hinten, aber nicht nur aufgrund der Bedeutung dieser Musik, den Charakteren, nein, vor allem wegen der Playlist, die frei von jeglichen Ausfällen auf die Fans abgestimmt war, schreibe ich gerade über mein Konzert des Jahres. Nur fünf Worte, um dieses Erlebnis zu beschreiben: Reinste Gefühle in musikalischer Perfektion. Aus.
SMOULDER
Bei den Kanadiern stellt sich die Frage, wie wohl ‘uns’ DORO gedoomed klingen würde? Erneut für mich epische Hausmannskost der durchaus Laune machenden Art. ‚The Sword Woman‘ Sarah zelebriert beschwörende Tänze und zieht mit und ohne Schwert die Blicke auf sich. Leider singt sie ein wenig neben der tighten Band – harmonietechnisch gesehen, aber das wird sich mit mehr Livepraxis sicher legen. Potential ist auf alle Fälle bei dieser Band vorhanden. Im Auge bzw. Ohr behalten!
Mit Verlaub jetzt schon einer der Höhepunkte des heutigen Tages, trotz mächtiger Mitbewerber. Powerdoom mit einem Fitzelchen W.A.S.P. ergibt einen hervorragend eigenständigen Heavy-Mix, der von den Dreien (diesmal die Band) überragend performt wird. Das Tier heißt hier Ronald und spielt Bass. An den Drums wird mit Aushilfe und Zukunftshoffnung Michi (mach’ et, Jung!) ebenfalls hart gearbeitet und die Leistung von Bernd mit der Doppelbelastung Gesang Gitarre erscheint fast übermenschlich. Bei solch’ einer Combo kann ich nur subjektiv meinen ganzen Lokalpatriotismus auspacken (den die Jungs jedoch gemessen am Applaus nicht benötigen) und sagen: Icke bin eine PÄLZER!
Die Messlatte liegt nun hoch, doch das sollte alte Metalhasen in der Konstellation DAWN OF WINTER nicht schrecken. Leider ist Gerrits markanter Gesang direkt vorne vom Sound her nicht das Gelbe vom Ei, doch der geübte Freak weiß, was er uns mitteilen will. Nämlich die Essenz des deutschen Ur-Melodic Doom mit Werken von einer der dienstältesten Urgesteine in Originalbesetzung seit den frühen Neunzigern. Das Soundproblem wird ab Song zwei stark verbessert, mir persönlich hätte gerade solch‘ ein Organ gerne die Muscheln lauter streicheln können. Bitte vergebt mir, wenn ich aufgrund der fantastisch-stimmigen Darbietung von nun an vom Rob Halford des Doom spreche.
Links haut Jörg verbissen seine Riffs und Soli zu Dennis‘ fettem Drumming raus. Auf der anderen Seite (hier: der rechten Bühnenseite) stellt sich die Frage, ob ‚Bolle‘ doomige Coolness oder Introvertiertheit versprüht. Es ist immer Ansichtssache, ob ein Bassist sich mehr bewegen könnte, oder ob er gedoomed ist. Ich stehe eher auf Emotion, die von den drei anderen auf jeden Fall ausging. Einmalig. Und sehr zu empfehlen ist das neue Werk ‚Pray For Doom‘, welches den konstanten 10-jahres-Veröffentlichungsrhythmus der Longplayer fortsetzt.
Die Schweden machen Honig für die Ohren. Und ein Schmankerl für die Augen, besonders mit psychedelischer Beleuchtung auf den wallenden Umhängen. Progressiver Retro-Classic Rock, den Kollege Ludwig (wo isser eigentlich?) richtig kapiert hat. Auch anhand des Publikumsverkehrs merkt man, dass HÄLLAS zu den geschätzten genialen Exoten auf den Festivals der DREI zählen wie SARACEN oder ASHBURY.
Die Bühnenbeleuchtung mit der neuen Nebelmaschine der DREI plus den Outfits der Combo transportieren dich mittels Zeitmaschine tief in die Siebziger und dazu sieht der rechte Gitarrero aus wie der junge OZZY. Boah, da überrollt mich gerade ALLES: YES, BLUE ÖYSTER CULT, GENESIS, SNIFFN’ THE TEARS, WISHBONE ASH, THIN LIZZY, STATUS QUO, DEEP PURPLE und auch…wohl dosierter Wahnsinn. Eine wohltuende Ausnahmeerscheinung der Retro-Szene! (Keine Angst, Leute, irgendwann kommt er von der blauen Wolke runter! – Anm. d. Red.)
PALE DIVINE
Die Amis präsentieren eine herrliche Melange aus Retro, Eiern und Doom. Der Bass grummelt, Greg ist einfach ein fabelhafter Sänger und die Musik zeigt eindeutig, dass Doom mannigfaltige Facetten hat. Auf keinen Fall vergleichbar mit allem, was war und noch kommt. Weder kauzig, noch metallisch – auch nicht unbedingt Seventies. Einfach anders. Ich sage mal, dass dies der Evolution des Beat, des Rock, des Hardrock bis letztendlich zum Metal ganz natürlich entspringt. Keine Schwerter, keine Symbolik – nichts was von der langsamen Härte ablenken könnte. Sensationell und schlicht ergreifend. Hammer.
STILLBORN
Und dann trennt sich wieder die Spreu vom Weizen. Für viele zu gotisch, zu ungewohnt, aber wenn ein Schullehrer oder Dorfpfarrer (von der Optik her) am Bass tanzend vokal einen zwischen Carl McCoy und Peter Steele raushaut, flippe ich aus. Das zelebrierte Feeling stimmt auch – aufgrund des stilistischen Alleinstellungsmerkmales und der Mucke, die man heute nur irgendwie als tanzbaren Indie-Doom einordnen kann, steht mein Bewegungsgewinner Nummer zwei nach OLD MOTHER HELL fest.
Ach du Scheiße, das entspricht der geilsten Gabe für Düsterstimmenfanatiker mit Indie-als auch Doomherz. Erinnert teilweise etwas an THE VISION BLEAK – die haben auch die wenigsten kapiert. Für Goths zu hart, für Metaller zu fremd. Danke dafür, ihr DREI – weiter so. DAS ist der Underground. Und nächstes mal bitte MATHAN aus Österreich. Weiter so, STILLBORN – lasst euch nicht beirren!
Edel-Epic-Doom verrenkt nun mit den Schweden die Halswirbel mit einer Perfektion, die nahe an den Headlinerstatus von WHILE HEAVEN WEPT herankommt. Echte Doomfanatiker sprechen aufgrund der massenkompatiblen Melodien und Mitsingparts von ‘Stadiondoom’ und es würde mich nicht wundern, wenn WACKEN nicht bald die ‚EUROPE (deren letzte Alben ich sehr schätze und die ich als echte, einzig wahren Erben der alten Tradition des ursprünglichen DEEP PURPLE Hardrocks halte) des Doom‘ als neue Sensation verpflichten würden.
Wahrscheinlich kommerziell nicht ganz so ertragreich als BLACK SABBATH mit Tony Martin, aber in etwa in dieser Liga oder vielleicht als ‘Doomen mit YNGWIE MALMSTEEN’ – so in etwa kann man die Richtung beschreiben. Versteht mich nicht falsch, aber die Riege der Bands wird grösser, die mit „raise your fist“, „hey hey hey“, „how are you tonight“, „I wanna hear you“ und „oi oi oi“ diesen speziellen, kleinen Festivals eigentlich bereits entwachsen sind. Klar, der Zwiespalt der DREI ist groß zwischen Kult, Kauz und Kommerz und ich gönne SORCERER den Erfolg, aber irgendwie ist es mir persönlich fast schon zu groß.
Viele, viele Kerzlein werden nun in mühevoller Kleinarbeit gezündelt und seltsame Gestalten betreten eine wundervoll ausgestattete Bühne. Oder hat mich der unberechenbare ‘Q’ aus Versehen in eine Kirche teleportiert? Eine schwarze Messe als Vorbereitung auf COVEN? Was fällt auf? Kein Bassist, ein versteckter Drummer und drei Backgroundpriester. Und ja, der nameless Ghoul an der Klampfe hat was von neuerem STAR WARS-Character. Unterhaltsam auf alle Fälle und musikalisch hat’s auch seine Momente – für mich die dunkle Überraschung des Festivals.
Stimmungsvoll ist der chorale Black Metal auf alle Fälle, wenn auch theatralischer als BEHEMOTH jemals mit allen Showelementen sein könnten. Kerzlein für Kerzlein wird händisch wieder gelöscht und eines bleibt: Das Verlangen, sich mit dieser Band zu Hause näher zu befassen – und zwar solange, bis man es komplett kapiert hat und sich dann auf die nächste Messe freuen darf. Unbedingt ausprobieren, wer kein Angsthase und offen ist.
COVEN
Und die außergewöhnliche Show geht weiter. Ave Satanas. Zurück in eine unbekümmerte Zeit, als die Lehren von Aleister Crowley und Anton Szandor LaVey auch in Künstlerkreisen hip waren.
Esther ‚Jinx‘ Dawsons Maske ist weg, die Wahrheit tritt ans Licht. Untermalt von stimigen Filmchen im Background entfaltet sich die ganze Witchcraft der frühen Siebziger und einer Fronterin, die es mit unserer lieben Jutta Weinhold zeitlos in ein neues Jahrtausend geschafft hat.
COVEN waren ihrer Zeit voraus und sind es wieder. Und live wahrscheinlich heavier und fesselnder denn je. Nur meine Mutter könnte davon berichten. Mal fragen. Wer hat den Grundstein des Metal gelegt? Nach dieser Offenbarung jedenfalls live nicht HEAVY LOAD. Beat, Funk, Metal, Doom – von dieser Warte aus habe ich das noch nie gesehen, bis zur Messe mit einem der schillerndsten Glücksgriffe, den die DREI dieses Jahr auf die Bühne gezaubert haben. Üben vor dem Auftritt lohnt sich halt doch ab und an.
Und noch einmal Dank an die DREI, die mir eine Möglichkeit gegeben haben, eine andere Seite der Zeit zu erleben, als sich meine Eltern in normalen Beatschuppen rumtrieben, was wohl auch lustig war, denn sonst gäbe es mich, geschweige denn diesen Artikel nicht. Beat. Das isses dann auch, was die ausgedoomte Gemeinde nochmal tanzen lässt. OK. Bin raus. Aus dem Berichten. Unglaublich. Wenn ihr nicht da wart, beißt euch in den Arsch, lasst euch aber nicht gleich opfern – vielleicht kommt die Chance ja nochmal.
FAZIT: Ein unbeschreiblich gutes Wochenende ist vorüber. Glückliche Gesichter verlassen die mittlerweile für den Metal-Allrounder zum Heimathafen gewachsene Würzburger Posthalle, die schon bald ihre Pforten wieder öffnet, wenn Thulsa Dooms Jünger zum METAL ASSAULT ins Schlachthorn blasen. See you there!