NACHTGREIF – Spukhaus
~ 2018 (RecordJet/Soulfood) – Stil: Neuer Deutscher Düster-Metal ~
Düster, düsterer, NACHTGREIF. Die Stimme der zukunftslosen Welt, ihrer herrlichen Hoffnungslosigkeit, ist wieder da und die täglichen News schreien förmlich nach einem Statement der Stärke und des Trosts. Wo andere Helden der “Neuen Deutschen Härte” immer öfter mit den Charts liebäugeln, gehen NACHTGREIF unbeirrbar ihren Weg, kompromisslos wie auch die dunklen Poeten von JANUS. Wer mit dieser Richtung nichts anfangen kann, gräme sich nicht und lese ein anderes Review, ich bin ja auch so fair und schreibe schließlich nicht über Grindcore. Doch über Höhen und Tiefen der NDH weiß ich sehr wohl zu berichten, obwohl dieses Korsett hier zu eng geschnürt ist – für diese Songs, die ihre Wurzeln überwiegend im Hardrock oder Metal haben.
Was gestern war, es ist vorbei und interessiert nicht mehr.
Was auch geschah, es ist nun fort und ohne Wiederkehr.
Was morgen kommt weiß längst keiner mehr. Die Zeiten sind verquert.
Ein auf und ab wie Wellen im Meer bis endlich Ruhe einkehrt.
Wie kann man mit einem Schlagwort (‘Reanimiert’) nur solch einen Hit schreiben? Das weiß nur Thorsten Fries (Stimme, Tasten & Saiten) oder Alex von EISBRECHER. Ja, eigentlich sollten NACHTGREIF in dieser Premier League spielen mit Knallbonbons wie dem genannten Opener, ´Durch die Wand´, dem Titelstück, ´Deja Vu´ oder ´Verwunschen´. Die tiefgestimmte Gitarre zwinkert immer noch ihrem Hardrock-/ Metaltaufbecken zu, die Keyboards dienen lediglich SAMSAS TRAUM-like als rhythmische Zutat und Arndt Hebels Schlagzeugspiel treibt euch die Lyrics umso gnadenloser ins Ohr mit einem amtlichen Sound, für den er als zweite Hälfte des Duos die Endproduktion und Mix aus Solinger Stahl geschmiedet hat. Auch wenn mir dieses Mal ein paar fantastische Solos diverser Gäste auf dem Vorgänger fehlen, wird die Klasse von ´Dunkle Materie´ dennoch gehalten. Keine Experimente, die Reduktion auf das Wesentliche lässt das Album zur nächsten Generation des letztlich so dunklen Herbergsvaters JOACHIM WITT gedeihen.
Komm mit mir in die Welt, die in den letzten Zügen liegt.
Halt dich fest, eine Schauermär, die wie ein Ozean sich ergießt.
Raue Winde ziehen auf, die Wellen tosend laut.
Unter uns wird kein Land mehr sein, keine Stadt die man einst erbaut.
Habt ihr schon mal eine deutsche Dark-Grunge Ballade gehört? Nein? Lässt sich durch unkitschiges ‘Herbstblut’ ab sofort ändern, dafür schüttelt der Meister der Mollmelodielinien auch diesmal wieder Tonfolgen mit seinem unerreichten Organ aus dem Ärmel und gießt sie in zwei weitere Balladen ´Eisige(r) Schönheit´ – oder was man in der gefiederten Nachtwelt so darunter versteht. Gerade letztgenanntes Abschlusslied portraitiert beispielhaft die immer wiederkehrende geistige Nähe zu einer Band wie SUBWAY TO SALLY, deren Mischung aus Härte und Poesie in deutscher Sprache ihnen eine schillernde Eigenständigkeit und Beliebtheit in der Musikszene bescherte. Dazu fahren die Beiden dieses Mal noch ein passendes Cover auf, wie seit KING DIAMONDs ´Them´ kein verwunschenes Bauwerk mehr eine Scheibe stimmungsvoller geziert hat.
Sind wir Empfänger im Zeitenstrom, oder ist alles nur Illusion?
Ist alles was wir sehen und fühlen irgendwie programmiert?
Ist die Matrix doch real, in der wir tanzen durch Glück und Qual,
ohne dass wir sehen was wirklich vor sich geht?
Wenn selbst der charmante Alex bisweilen etwas kommerziell durchhängt, OOMPH! nicht mehr aus den Pötten kommen und live mittlerweile eine unlustige Version von ‘We Will Rock You’ spielen, tut ehrlicher Düstermetal einfach nur gut. Was bleibt für Frau oder Herr Black Metal auch sonst zu hören in einer dunkelromantischen Liebesnacht ohne Blastbeats oder Naturmystik?
Wer gleitet konkurrenzlos über Wald und Flur? Es ist der NACHTGREIF nur.
(9 geistreiche Flugwesen)