Warum selbst Hip Hop-Fans offensichtlich unsere Kutten feiern…
„Check mal meine Patches,
Heute ist Konzert,
guck mal wie sie starren
auf mein Meisterwerk,
ich und meine Kutte,
Blackmetalkutte,
Thrashmetal-, Deathmetal- Heavy Metalkutte“
ROMANO – ‘Metalkutte’
Wir und unsere Kutten! Bis vor ein paar Jahren größtenteils nur noch im „klassischen Heavy Metal“ anzutreffen, greifen Fans nun wieder vermehrt zu Nadel und Faden, um ihr „Meisterwerk“ in mühevoller Handarbeit zu erschaffen.
Galt das Image der Kutte eine Zeit lang als antiquiert und etwas eingestaubt, findet sie heutzutage sogar ihren Weg in Liedtexte anderer Musikgenres und wird auf Konzerten des bekennenden Metalfans Romano zum uns eher fremden Hip Hop-Sound gefeiert.
Metal und Mode
Die Kutte, und allgemein der, nennen wir es gewagt: modische Stil von Metalfans erfüllt Klischees, fällt auf. Bunt sind, wenn überhaupt, die Patches oder der Druck auf dem Bandshirt, sonst ist meist eine Farbe vorherrschend… das elegante, figurfreundliche „Schwarz“. Mutige tragen auch schon mal ein positives Dunkelgrau, oder ein lebensbejahendes Wein- oder splatterhaftes Blutrot. Das unschuldige Weiss taucht maximal in Schriftzügen oder dem Corpsepaint auf. Im Genre Grindcore scheinen hingegen keinerlei Dresscodes zu gelten. Was besonders auffällt, ist dort besonders gut! Zur Not gehst du nackt oder es dient auch schon mal der abgenutzte Bademantel als Basis für die geliebten Bandaufnäher.
Im Allgemeinen hat jedoch jeder sofort ein Bild davon im Kopf, wie der „typische Metalfan“ auszusehen hat. Nicht wahr? Variationen je nach Subgenre sind dabei natürlich erlaubt. Aber eins ist sicher! Trifft man sich in der „Normalo-Welt“ – erkennt man sich. Sofort! Und auch wenn man sich nicht persönlich kennt, kommt sofort dieses kleine familiäre Gefühl auf. Die Metal-Welt ist klein.
Kleidung ist Kommunikation
Über Kleidung drücken wir uns aus, teilen uns mit und/oder provozieren Reaktionen. (Wer jemals in seiner Jugend mit einem „Jesus is a Cunt“ Shirt der Band CRADLE OF FILTH im Religionsunterricht saß, weiß was einem blüht…).
Natürlich gibt es auch andere Musikgenres, die aufgrund bestimmter Kleidungsstile eine Zugehörigkeit zur entsprechenden Szene demonstrieren. Besonders die Goths bleiben im Hinblick auf „Selbstdarstellung durch Mode“ unübertroffen. Und dennoch tendiert der Metaller dazu, noch eine Stufe weiter zu gehen.
In dem Buch „Methoden der Heavy Metal Forschung“ (ja, es gibt Bücher über Metal-Forschung; es gibt sogar ganze Forschungsgruppen und Kongresse zu diesem Thema), stellt eine der Autorinnen im Interview mit der Band SCHAMMASCH fest, „dass die Kleidung ein wichtiges Erkennungszeichen szeneinterner Kommunikation“ sei. Zum einen diene sie der Abgrenzung von der Außenwelt (den „spießigen Nicht-Metallern“), zum anderen vermittle sie eine ganz klare Zugehörigkeit zur Szene.
Trägt man eine Kutte, entspricht das einem nonverbalen Gespräch über Lieblingsbands. Die Anordnung der Patches ergibt sich meist auch nicht zufällig, sondern wird geradezu liebevoll arrangiert, wie ein kleines Kunstwerk. Die Kutte entspricht einem ganz öffentlichen Statement (Und dass die Kutte ein kontrovers diskutiertes Thema ist, sieht man an unserer Umfrage hier). Manch einer hat mehrere Kutten im Schrank, die passend nach Genre zu den jeweiligen „Festlichkeiten“ getragen werden. Und hier wird eine weitere Funktion der Kutte oder des Bandshirts deutlich. Sie wirken wie eine Uniform, teilweise sogar wie eine zweite Haut, ja sogar wie eine zweite Identität. Leider hat nicht jeder von uns die Freiheit oder den Mut, im beruflichen Alltag sein „Metal-Beast“ herauslassen zu dürfen. Gehen wir dann abends auf ein Konzert, nehmen uns sozusagen Urlaub vom Alltag, wird die Verwandlung geradezu zelebriert. Die Kutte oder das zur Schau getragene Bandmerchandise im Allgemeinen spielen dabei eine essenzielle Rolle.
Fanartikel tragen dazu bei, eine bestimmte Message, über das bloße Honorieren der Musik hinaus, zu vermitteln. Man solidarisiert sich mit einer Band und deren (offizieller) Einstellung zum Leben. Das dürfte spätestens klar sein, wenn Konzertveranstalter oder Inhaber bestimmter Szene-Locations darauf hinweisen, daß Shirts und Merch politisch einschlägiger Bands unerwünscht sind. Als Fan, aber auch als Band muss man sehr genau abwägen, welches Shirt in welchem Kontext „geht“ oder „nicht geht“. Ob sich dessen wirklich jeder bewusst ist, ist fraglich. Wo die Einordnung unserer Metal-Mitmenschen über Merchandise einerseits „erleichtert“ wird, birgt sie auch die Gefahr des starren Schubladendenkens. Ist denn nun jeder mit BURZUM-Shirt per se ein „Nazi“? Ist jeder, der ein Wacken-Shirt des aktuellen Jahres trägt, auf jeden Fall ein „Metal-Tourist“? Ist ein Metaller mit einem „70000 Tons of Metal“- Shirt stets ein „Besser-Verdiener“?
Fans, die ihre alten Tourshirts der Band XY auch 20 Jahre später auftragen, ernten Bewunderung. Besonders geheimnisvoll gibt man sich gerade im Black Metal, wenn der Name der Band unkenntlich und am besten gänzlich unbekannt ist.
Ein „Trend“ ist besonders in den letzten Jahren zu beobachten: das Merchandise wird zunehmend hochwertiger. Vielen Bands ist es mittlerweile wichtig, besonders gute Qualität an ihren Ständen zu verkaufen. Manch eine Band achtet sogar auf eine faire Produktion, oder besonders schadstoffarme Herstellung. Das Angebot geht zudem weit über den Patch oder das Shirt hinaus. Von bandeigener Bier-, Kaffee- und Honigproduktion bis hin zum String Tanga oder der Jogginghose kann alles vertreten sein.
Darüber hinaus wird optisch kaum noch etwas dem Zufall überlassen. Die bloße Abbildung des aktuellen Albumcovers ist nur noch selten zu sehen. Mittlerweile werden Fanartikel vermehrt durch alte Symboliken verschiedener Religionen und Kulturen optisch „aufgewertet“. Dies ist nicht nur ein Hingucker, sondern vermittelt zudem Ernsthaftigkeit und auch einen gewissen intellektuellen Tiefgang.
Besonders „true“ (ähm sorry, „trve“) zu sein oder zumindest so zu wirken, spielt vor allem in einigen Subgenres eine ganz besondere Rolle. Tauchst du farbig gekleidet auf einem Black Metal Konzert auf, kann das in besonders konservativen Gegenden auch schon mal für verwirrte Blicke bei anderen Gästen oder auch einen blöden Spruch sorgen.
Und jeder, der schon einmal wirklich alte, rare Shirts online verkauft hat, weiß wie hoch diese „Trueness“ gehandelt wird. Auch besonders seltene Patches sind gefragt (das Angebot und die Nachfrage beschäftigen ganze Facebook-Gruppen).
Fazit
„Unsere“ Kutten und Kleidung allgemein dienen uns als Kommunikationsmittel, verbinden Menschen non-verbal und schaffen ein familiär-kuscheliges Feeling. Die Zugehörigkeit zur Szene wird nach außen getragen und grenzt von der „Normalo-Welt“ ab.
Schwierig wird’s dann, wenn eine übertriebene „Trueness“ abverlangt wird, Fanartikel Überheblichkeit suggerieren und für pseudo-elitäres Gehabe missbraucht werden. Wenn das engstirnige Schubladendenken ein Stück weit für Ausgrenzung sorgt. Wir nicht mehr (verbal gesittet) aufeinander zu gehen. Und wenn die Kutte oder das Shirt im Vordergrund stehen und eben nicht mehr der Mensch darin. Denn eigentlich macht unsere Szene doch eines ganz besonders aus: gerade die Metalszene ist ein Sammelbecken für besondere Menschen, die sich ein Stück weit dafür entschieden haben, nicht dem Mainstream zu folgen, oder von diesem schlichtweg nicht akzeptiert werden.
Wir sind alle „Freaks“, der eine mehr, der andere weniger. Ob der „Freak“ in der Kutte steckt oder nicht, ob das Bandshirt nun unserem Gusto entspricht oder nicht. Es sollte immer hinter die Fassade, also die Kutte geschaut werden. Denn unsere Szene lebt von der Toleranz. Und wie tolerant ihr selbst, vielleicht auch gegenüber anderen Musikgenres, tatsächlich seid, könnt ihr vielleicht an eurer eigenen Reaktion vorhin bezüglich Romanos Lied „Metalkutte“ ablesen…
Quelle:
1.) Florian Heesch, Anna-Katharina Höpflinger (Hrsg.) (2014): Methoden der Heavy Metal Forschung , Kapitel: „Alles im schwarzen Bereich“ Anna-Katharina Höpflinger (S 173-185). Waxmann Verlag, Münster