ULTHA, LOTH, SUNKEN – The Inextricable Wandering Tour
- ~ 27.10.2018, Komma, Esslingen ~
Zur Feier des Tourabschlusses erst noch ein Vortrag plus Podiumsdiskussion über die Verquickung von Faschismus und Black Metal – das haben ULTHA nicht verdient…so war mein erster Gedanke, als ich die Ankündigung des Veranstalters überflog. Die INQUISITION-Kontroverse aus dem vergangenen Jahr verfolgt die Kölner mit süddeutschen Wurzeln bis heute, obwohl sie mehrfach dazu Stellung genommen und sich für ihren Fehler, das Festival in Rotterdam damals mit der umstrittenen Band zu spielen, erklärt und entschuldigt haben.
Doch Niels Penkes breit angelegter Vortrag über „Antisemitismus und Faschismus im (Black) Metal“ (hier ein link zu einem seiner Texte) ist gespickt mit historischen und aktuellen Beispielen aus der offenen wie der verdeckten NSBM-Szene sowie dem fast undurchschaubaren ideologischen Geflecht zwischen Musikern, Labels und Einzelakteuren, und regt im Anschluss tatsächlich zu einer regen Diskussion zwischen dem heutigen Veranstalter, JUZ-Mitarbeitern und Besuchern an, gerade über die Schwierigkeit, wie man sich innerhalb dieser Grauzone orientieren und antifaschistisch klar positionieren kann. ULTHA werden nach ihrem persönlichen Erleben des damals hoch aufkochenden Konflikts gefragt und berichten von Diffamierung bis hin zu offener Bedrohung, R fasst ihre diesbezüglichen Gefühle schliesslich folgendermassen zusammen: „Always left but never right“. Am Ende lautet jedoch das positive Fazit aller: die Szene hat ein latentes Naziproblem, und es ist gut und dringend notwendig, dass dies – wie heute Abend geschehen – endlich einmal offen angesprochen wird!
Aber eigentlich geht es ja um Musik, und während manch Besucher noch weiterdiskutiert, stehen bereits SUNKEN aus Aarhus auf der Bühne. Sie können mit ihrem klagend-melancholischen Post-Black Metal, angelehnt an WITTR und ALCEST, die Leute jedoch nicht wirklich überzeugen, da ist bei der jungen Band noch viel Luft nach oben. Wir erleben hier jedoch den ersten halbnackten Schlagzeuger des heutigen Abends, an dem sich drei sehr talentierte Trommler sozusagen die Staffelstöcke nacheinander in die Hand geben.
Bei den Lothringern LOTH geht es dann schon deutlich handfester zur Sache, und die Publikumsreaktionen fallen auch entsprechend bewegter aus, ihr stark rhythmusbetonter, fast hardcorelastiger Black Metal mit atmosphärischen Anklängen geht in die Beine und macht manchen Nacken schon etwas lockerer für das, weswegen eigentlich alle hier sind.
Nach kurzem Umbau, ein bisschen Gaffataping, kaum Soundcheck und wie immer völlig unprätentiös stehen nun endlich die Headliner auf der Bühne, doch mit dem ersten Riff von ‘The Avarist (Eyes Of A Tragedy)’ geht eine plötzliche Verwandlung durch den Saal, die Atmosphäre wird dichter, feierlicher, ja erhaben, und zieht augenblicklich jeden Anwesenden in den Bann. Nach acht Auftritten auf dieser Tour hört man sofort, wie perfekt sie miteinander harmonieren, und auch wie gut Lars von SUN WORSHIP inzwischen integriert ist. Aber wie funktionieren die neuen Songs live, auf denen bei dieser Tour der Fokus liegt?
Einfach phantastisch! Die immense Dynamik von ‚The Inextricable Wandering’ (s.a. unsere Kritik hier) gewinnt live nochmals an Intensität, sowohl in den getragenen Passagen wie vor allem auch auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken. Das Publikum spiegelt wider, wie man diese Musik genießen kann: mit geschlossenen Augen zart mitschwingen, wild abbbangen, die Hände feiernd zum Himmel recken, mitschreien – so wie das gesamte Gefühlsspektrum abgedeckt wird, findet sich auch jeder wieder in diesem Klangkosmos der härteren Art.
Und gleich an zweiter Stelle folgt auch schon mein Favorit der Platte, ’With Knives To The Throat And Hell In Our Hearts’, dessen entfesselt-blastende Energie und fast himmlische Melodien seinen Ohrwurmcharakter nur bestätigen, auch hier fasziniert der dialogartige Wechselgesang zwischen Chris und R, jedes Riff, jeder Schlag von Manuel sitzen perfekt. Was für ein wunderbarer Mahlstrom an Rhythmus und Groove!
Und ja, dann spielen sie ihn tatsaechlich, den neuen knapp zwanzigminütigen Monolithen, den Referenzsong der aktuellen Platte: ‚I’m Afraid To Follow You There’ ist ULTHA auf dem Silbertablett serviert, hier kann jedes einzelne Bandmitglied zeigen, was es draufhat, verwoben in ein flirrendes, zuckendes und undurchdringliches schwarzes Netz aus Schreien, Klãngen, Melodien und es immer wieder aufreissenden Breaks – mitreissend, erfüllend, tranceerzeugend, tröstend…
Das soll schon alles gewesen sein? Wir fordern Zugabe! Und diese ist (und bleibt?) das bislang übliche Ende der ULTHA-Gigs: ‘Fear Lights The Path (Close To Our Hearts)’ entlässt uns verschwitzt und glücklich in die Esslinger Nacht. Grosse Bühnen und Festivals weltweit – ULTHA are ready for you!
https://vendetta-records.bandcamp.com/album/apocryphe
https://sunkendenmark.bandcamp.com/