OMEN (UK) – Dragon Flight
~ 1981/2018 (Obscure NWoBHM Releases) – Stil: NWoBHM ~
Früher war alles besser, also, ganz früher. Wenn ich daran denke, ein Demo einer aktuellen Teenagerkapelle in die Finger zu bekommen, wird mir ganz blümerant, da ich die Einflüsse von 16 bis 19 Jährigen, die sich im Keller ihrer Alten die Finger wundspielen (sofern sie nicht in Scharen zu Bohlen pilgern und Superstar werden wollen), genau vor Augen, Odin sei Dank nicht in den Ohren habe. In genau diese Kerbe schlagen nun auch OMEN aus England, deren Demo mit sechs Stücken mir nun in die Klauen kam. Aber erstens steht als Jahreszahl 1981 im Booklet und dann handelt es sich noch um eine CD-Veröffentlichung beim griechischen ONR Label. Zweimal Volltreffer.
Ich entsinne mich, großartige Re-Releases des Labels von GOLDSMITH oder einer der britischen WARRIOR-Bands in der Sammlung zu haben und OMEN reihen sich da nahtlos ein, obgleich sie noch weniger Veröffentlichungen am Markt platzieren konnten als oben genannte Bands und zweifellos einfach eine Gruppe kleiner Jungs waren, die bewusst das Erblühen der härteren Rockszene im Vereinigten Königreich erlebt haben. So ist die Aufnahmequalität ihrer Songs rau und schmutzig, das Zusammenspiel der Jungs immer haarscharf auf dem Punkt und zuweilen etwas holprig, der Gesang zwar heller und melodischer, aber durchaus noch im Werden begriffen und das Songwriting relativ einfach. Aber die Band hat was begriffen und quasi die Essenz der um sie herum tobenden NWoBHM in sich aufgesogen. Sechs Songs befinden sich auf dem Demo und alle sechs sind prototypische Beispiele für den britischen Heavy Metal jener Tage.
In treibendem Viervierteltakt klopft der Titelsong als erstes aus den Boxen und auch wenn das Drumming irgendwie einen naiven Charme in all seiner Geradlinigkeit versprüht, Riffing, Strophen und Refrain sind einfach liebenswert urbritisch, die raue, helle Stimme lässt Erinnerungen an Paul Dianno zu Zeiten der „Metal for Muthas“ Sampler aufkommen. Währenddessen klingt der Refrain instrumental wie eine primitive Version von ´Hellbound´ der TYGERS OF PAN TANG, durchgezogene einzelne Akkorde auf geradlinigem Drumming, die in Ohr und Herz gehen. Und so geht es locker weiter. ´Fly away´ hat schöne mittelschnell rockende, von brodelnden Gitarren gehaltene Parts und schwebende, episch – melancholische Momente mit zwar einfachen, aber packenden Leadgitarren und Gesangsmelodien. Beim hymnisch angelegten ´Sign Of The Sorcerer´ merkt man dann dem Sänger seine Entwicklungsfähigkeit an. Er trifft im Refrain jetzt nicht ganz die notwendige Tonlage, aber das geht angesichts der Intention dieser Aufnahmen durch.
Niemand wollte hiermit Ruhm und Reichtum ernten, allein eine Dokumentation von Teilen des bestehenden Songmaterials sollte es sein. Und die Songs können sich hören lassen. Die Musik klingt wie live aufgenommen und nur dezent nachjustiert. Die Leadgitarre ergeht sich gerne in extensiven Soli, denen zwar der letzte Funke Virtuosität fehlt, die aber von brodelnder, dampfender Leidenschaft leben, mit der der Gitarrist sie intoniert und der Mann hat ebenfalls begriffen, dass es nicht tausende von Noten in der Minute, sondern am Ende packende Melodiebögen sind, die ein gutes Solo ausmachen.
Hier ist also quasi eine embryonale Heavy Metal-Legende zu bewundern, die es mit ihrem noch stark von den musikalischen Einflüssen dirigierten Songmaterial zu mehr hätte bringen können, wenn sie die Zeit zur Reife gehabt hätte. Die Songs sind noch grobe Skizzen von potentiellen Großtaten, aber sie haben Charme, Zauber und bei aller Einfachheit Klasse. Wieder hat sich das ONR Label ein wirklich obskures Juwel gegriffen und in einer 500er Auflage den Freaks zugänglich gemacht und das wohl zurecht. Besser, weil ehrlicher und echter als das meiste Zeug von 2018, wie ich finde. Das hier klingt nicht nach purem Lifestyle für trendige Hipster, sondern nach echten Gefühlen in einer raueren Wirklichkeit. Daumen hoch!!!!
10 von 10 Punkten (davon 2,5 Punkte reine Sympathie)