CRIPPLED BLACK PHOENIX – Great Escape
~ 2018 (Season of Mist) – Stil: Dark Rock ~
Die große Last der frühen Werke tragen CRIPPLED BLACK PHOENIX auf ewig mit sich umher. Die Brillanz des Doppelpacks ´The Ressurectionists´ und ´Night Raider´ wurde seither nie wieder erreicht. Aber die Wirkungskraft dunkler Thematik bestimmte seit Anbeginn die Soundästhetik der mittlerweile auf acht Köpfe angewachsenen Combo.
Mastermind Justin Greaves ging unlängst mit seinem eigenen Kampf gegen schwere Depressionen an die Öffentlichkeit – und ließ somit als einer der wenigen Künstler den Vorhang zu seinen eigenen psychischen Zuständen fallen (siehe insbesondere hier). Bei dieser Krankheit ist es wichtig, Hilfe anzunehmen. Daher ist die Devise von ´Great Escape´ nicht nur für dieses Album oder Musik im Allgemeinen bemerkenswert, sondern zugleich hoffnungsvoll:
I’ll take your hand and lead you through it all.
Justin Greaves will aber nicht allein seinem Körper entrinnen, vor der Gesellschaft, vor der ganzen Welt möchte man heutzutage fliehen, so dass in der instrumentalen Eröffnung ´You Brought It Upon Yourselves´ die Worte des englischen Philosophen Alan Watts zu hören sind:
Every sane society allows a certain number of people to deviate;
you don’t have to join, you don’t have to play the game.
Die Flucht! Vor sich selbst und allen anderen wegrennen! Wo bleibt da Hoffnung? Die zeigen uns CRIPPLED BLACK PHOENIX im größten Seelenheiler des Albums ´To You I Give´ sogleich auf:
We’ll make it right
Hope we’ll still be here tomorrow
No need to cry
Fearing something we can conquer
Auf neun Minuten zelebriert das Oktett Postrock und New Artrock in seiner feinsten melancholischen Ausdrucksform, spricht alle Rezeptoren an, liefert lebenswichtige Gewaltausbrüche. In den langen Epen können sich die Briten einfach am gewaltigsten ausleben und aufdrehen. Weiteres Belastungsmaterial dieser These liefert ´Times, They Are A Raging´ auf zwölf Minuten – eine Skizzierung des Gesellschaftszustandes:
We’ve had enough
Save us from the tyrants
Oh the world is waking
Oh the times are raging
In all this confusion, we’re running blind
Zwischendurch erklingen kleine Instrumental-Stücke wie ´Uncivil War Pt 1´ oder das Synthwave geschwängerte ´Slow Motion Breakdown´. Der ´Madman´ erweist sich seines Namens würdig, schlägt in einer sphärisch pulsierenden Soundlandschaft letztlich mit seinen Stöcken auf die Schlagzeugfelle ein, treibt aber ebenso ein halbwegs vorhersehbares Spiel wie die im Folknebel singende Lady aus ´Rain Black, Reign Heavy´, unterdessen der Wind hindurch huscht und von der Harmonika umgarnt wird, oder die wuselige, orientalische Maschinerie von ´Las Diabolicas´. Der Hörer muss Geduld und Aufmerksamkeit mitbringen, und nur dann wird er belohnt. Schließlich holen uns im zweiteiligen Titelsong die Bläser der Schwermut aus den Tiefen ab, um uns ans Tageslicht der Heilung zu tragen. Dort erfahren wir hernach das Seelenheil zu Klängen, die CRIPPLED BLACK PHOENIX schon immer ans Herz gewachsen waren; erst im Finale beenden wir die Flucht und gehen mit PINK FLOYD nach Hause.
(Starke 8 Punkte)
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(VÖ: 14.09.2018)