A STAR IS BORN
~ 2018 (Warner Bros. Pictures / Live Nation Productions), Regie: Bradley Cooper ~
Die Geschichte ist schnell erzählt und wurde von Hollywood unter demselben Titel seit 1932 bereits mehrfach bearbeitet, unter anderen mit Judy Garland und James Mason sowie zuletzt 1976 mit Kris Kristofferson und Barbra Streisand: Jackson Maine, alternder Country-Rockstar, schon etwas über dem Zenit seiner Karriere und fest im Griff seiner inneren Dämonen, entdeckt zufällig in einer Drag-Bar die junge Kellnerin Ally, eine erfolglose, aber hochtalentierte Singer/Songwriterin, verliebt sich in sie und bringt sie mit einem gemeinsamen Überraschungsauftritt ins große Rampenlicht. Während ihre Karriere als neuer Popstar quasi über Nacht kometengleich explodiert, sinkt sein Stern suchtbedingt ins Bodenlose, und die Beziehung beider strudelt in eine Krise. Nachdem er beide bei der Grammy-Verleihung öffentlich blamiert hat, zieht er schließlich seine tragischen Konsequenzen.
Was kann uns die fünfte Verfilmung dieses Plots nun Neues bieten? Nun, da wäre so einiges zu nennen: Bradley Coopers famose erste Regiearbeit, die Songs sämtlich original für den Film komponiert und live auf Festivals (u.a. dem Stagecoach und Coachella) mit der Kamera von Matthew Libatique so nah dran wie bei einem Konzertfilm aufgenommen und dadurch extrem authentisch (für den großen Festivalauftritt gab Filmvorgänger Kristofferson ihm 4 Minuten für die Aufnahmen direkt vor seinem Glastonbury Festival-Set), aber vor allem Stefani Joanne Angelina Germanotta aka Lady Gaga!
Von Cooper mit striktem MakeUp-Verbot am Set belegt, spielt sie grandios und frisch das selbstbewusste, zupackende und bodenständige Mädchen von nebenan, das in einer Arbeitspause auf dem Klo per Handy mit ihrem Freund Schluss macht und sich über die „Ahhrgh! Männer!“ aufregt, um in derselben Nacht ihrer großen Liebe zu begegnen, für die sie gleich mal ihre Klavierhand verletzt, als sie einem zu aufdringlichen Selfiejäger von Jack eins frontal auf die Nase gibt. A propos Nase: jeder im Musicbiz sagte ihr bisher, ihre wäre zu groß und daher trotz überragender Stimme eine echte Karriere ausgeschlossen. Jack überzeugt sie nun vom Gegenteil, vor allem als er erkennt, dass sie nicht nur französische Chansons überzeugend interpretieren, sondern auch komponieren und texten kann.
In der vielleicht intimsten Szene des Films entwickelt Ally nachts auf einem Supermarktparkplatz angesichts Jacks unübersehbaren inneren Elends die erste Strophe ihres jüngsten (und auch in der Realität) selbst geschriebenen Liedes ’Shallow’, welches Cooper im Folgenden als Anker für den ganzen Film verwenden wird – als er sie bei einem großen Auftritt überraschend auf die Bühne holt, um es mit ihr im Duett zu singen, geht der Clip davon viral und macht sie umgehend bekannt. Der Song ist ein absoluter Ohrwurm mit Hitpotential und war der Grund für mich, diesen Film überhaupt wahrzunehmen…
Dass die Chemie zwischen den beiden stimmt, ist bereits hier problemlos zu erkennen, und diese aus echter Seelenverwandtschaft hervorgehende prickelnde Elektrizität trägt das furiose erste Drittel des Films. Jack überzeugt Ally, ihn auf seiner Tour zu begleiten und eine Liebes- und Arbeitsbeziehung beginnt, die nicht von ungefähr an Cash / Carter in „Walk the Line“ und an ’Ring of Fire’ erinnert – der Ruhm auf der einen und die Alkohol- und Drogensucht des prominenten Musikers auf der anderen Seite, der nicht weiß wie er außerhalb der Bühne seine innere Leere betäuben soll und darauf hofft, dass seine Geliebte ihn retten wird – was selbstredend schiefgehen muss. Es sind die leisen, intimen Momente der beiden, die faszinieren – wenn sie allein sind und versuchen, sich ein gemeinsames, „normales“ Leben aufzubauen, weit weg von der Traumfabrik Hollywood und vom Showbiz. Doppelbödig zeigen sich zwei Weltstars als nackte und verletzliche Menschen und drehen damit ihre Rollen um, wobei vor allem Lady Gaga extrem viel von sich preisgibt, auch wenn in jedem Moment klar ist: sie ist nicht Ally, vielmehr spricht sie aus ihm, wenn Jack sagt, dass sie nur Erfolg haben wird, wenn sie weiß, was sie der Welt zu sagen und zu geben hat, motiviert Lady Gaga doch ihre Fans ständig, zu sich selbst zu stehen und hält mit Kritik am Establishment nicht hinterm Berg. Mit einer Energie wie die junge Gianna Nannini begeistert sie hier mit Songmaterial, wie man es von ihr bisher so nicht kennt.
In der zweiten Hälfte verliert der Film jedoch einiges von seinem ersten Feuer, Allys Wandel zu einer Karriere als durchgestylte Popsängerin ist nicht wirklich glaubhaft durchgezeichnet, dafür gewinnt Jacks Alkoholkrankheit inklusive Therapieversuch an Bedeutung, bis es schließlich trotzdem zum absoluten Tiefpunkt kommt, als er sich im Vollrausch auf der Grammybühne neben ihr vor Publikum und laufenden Kameras einnässt. Spätestens ab jetzt regiert der typische Hollywoodstil, und auch das dramatisierte Ende lässt mehr offen als gesagt, doch mit einem letzten Auftritt kann Lady Gaga nochmals voll überzeugen.
Fazit: Unbedingt ansehen! Ein modernes, kraftvolles und mitreißendes Musikdrama über die Licht- und Schattenseiten von Personenkult und Berühmtheit, mit einer absolut authentischen Lovestory, das sich für jeden Musikliebhaber lohnt. Auch der Soundtrack wird sicherlich ein Schlager werden!
Ich schließe mit einem wunderbaren Zitat aus diesem Film, das damit auch dessen Neuauflage rechtfertigt:
“Music is essentially 12 notes between any octave – 12 notes and the octave repeats. It’s the same story told over and over, forever. All any artist can offer this world is how they see those 12 notes. That’s it.”
Der Film läuft seit dem 5. Oktober weltweit.
http://www.astarisbornmovie.net/
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