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United & Strong. New York Hardcore – mein Leben mit AGNOSTIC FRONT

Roger Miret mit Jon Wiederhorn.


„Es ist mein Leben. Ich pisse, schwitze und blute Hardcore.“ So klar und unzweideutig beginnt Roger Miret, Sänger der US-Hardcore-Institution AGNOSTIC FRONT, seine Memoiren. Ein Flüchtling: 1964 auf Kuba geboren, dann mit der Familie in die USA eingewandert. Ende der 1960er in New York gestrandet. Alles kein Zuckerschlecken. Dazu: Schläge vom Vater, Mutter überfordert. Endlich die Flucht vorm Vater. Weit weg nach Florida, es folgt direkt die zweite Ehe. Am Anfang ist alles gut. Irgendwann wird Bruder Freddy geboren (ja, MADBALL!) – aber: Auch der Stiefvater schlägt zu, sogar noch härter. Diesmal flüchtet Miret, mittlerweile Teenager, allein – und zurück nach New York. Lebt von der Hand in den Mund, in der Gosse. Oder in besetzten Häusern. Lernt unter anderem Harley Flanagan (später CRO-MAGS) und Raybeez (später WARZONE) kennen. Musik ist ihre Leidenschaft.

Aus streunenden Straßenkötern, großer Wut auf das System, gemeinsamer Liebe zu hartem Punk Rock und zugleich eingeschränkten musikalischen Möglichkeiten wird dann Anfang der 1980er: New-York-Hardcore. AGNOSTIC FRONT, sozusagen die Urvater-Band, werden Mirets erste richtige Heimat. Das Debüt „Victim In Pain“ wird 1984 zu einer Initialzündung für die Szene. Diese unerbittliche Härte schließt aber Kommerz aus. Bedeutet: kaum Einkommen, viele Sorgen. Die Jungs rauben, lärmen, prügeln sich. Und lassen sich zur Abgrenzung zu allen Yuppies & Co. schwerstens tätowieren – alles zu einer Zeit, als noch nicht jeder Anwalt, Buchhalter und Fußballer ein Tattoo-Studio aufsuchte.

Gut, dass sich Miret endlich entschlossen hat, sein bewegtes Leben zu erzählen: „Ich habe mit dem Buch 1996 begonnen, aber ich habe das Manuskript zweimal verloren. Ich hatte Viren auf dem PC, es war weg.“ Rund eine Dekade später habe er erneut angefangen. „Einige der wichtigen Dokumente waren noch da“, so der AGNOSTIC FRONT-Chef. „Jon Wiederhorn, der auch Scott Ians und Al Jourgensen Biografie geschrieben hat, und ich sind Freunde. Er hat mich letztlich kontaktiert, um mir bei der Fertigstellung zu helfen.” Miret musste dazu aber erst sein DIY-Ethos niederkämpfen. Miret musste sich eingestehen, dass ein Straßenkämpfer wie er leider kein Schreibtischtäter ist: „Ich wollte das Buch wirklich alleine schreiben.“ Klappte aber nicht. Wiederhorn wiederum ließ nicht locker: „Roger, lass mich dir bei dem Buch helfen.“ Dieser dann: „Ok, ich habe einfach zu viel anderes zu tun.“

Miret habe ihm dann alles übergeben, was er hatte – und die beiden führten zusätzlich umfangreiche Interviews. Es hat sich gelohnt. Dank Wiederhorns Erfahrung und unprätentiösem Stil lässt sich das handliche Taschenbuch in einem Guss lesen. So erfährt der Leser, wie dreckig und brutal es zu den Anfängen von AGNOSTIC FRONT zuging: Überfälle, Drogendeals, halb totgeschlagene Gangmitglieder, Hunger und Durst. Gefolgt von der Rampenlicht-Phase Mitte der 1980er, in der Thrash-Stars wie Kirk Hammet und besagter Scott Ian ständig mit AGNOSTIC FRONT-Shirts auf die Bühnen dieser Welt stapften. Aber auch diese Publicity führte zu wenig, alles war eben kein Zuckerschlecken. Geld ließ sich mit den Fan-Lieblingen „Cause For Alarm“ (1986) und „Liberty & Justice for…“ (1987) leider ebenfalls nicht verdienen. Der nächste Krach war programmiert: Zu zerstritten waren die Bandmitglieder über die musikalische Ausrichtung, zu schlecht dotiert die Plattenverträge. Als METALLICA dann 1988 ihren Megaseller „And Justice For All…“ veröffentlichten, nachdem Hammet Miret immer wieder während der Aufnahmen zum ähnlich betitelten AGNOSTIC FRONT-Album aus dem Vorjahr in New York besuchte, platzte Miret der Kragen: Am Anfang sei man eine große Inspiration für viele Musiker gewesen; aber als der Erfolg kam, wollte sich keiner der einstigen Bewunderer-Bands mehr öffentlich an AGNOSTIC FRONT erinnern. So habe man viele Bands wie METALLICA einst Anfang der 1980er mit auf Tour genommen – später revanchiert habe sich niemand.

Das Leben war ohnehin komplex: Miret wurde Vater. Das Geld fehlte nun erst recht. Also: wieder Drogen verticken. Dann verpfiffen werden von falschen Freunden. Knast. Leid. Läuterung. Wiederbeleben der Band, Versöhnung mit Mitbegründer Vinnie Stigma (Gitarre). Und 1992 dann die Wiederkehr von AGNOSTIC FRONT mit „One Voice“, bis heute eine Referenz, wenn es um Metal-lastigen Hardcore geht. Es folgten Welttournee, aber auch wieder Mitgliederwechsel, heftige Streits – und 1993 eine weitere Auflösung. Die Jahre danach insbesondere um das Comeback Ende der 1990er hat der eine oder andere Leser ja sicher noch eher präsent; dieser jüngsten Episode widmet das Buch nur noch ein gutes Drittel, in dem es eher gefühliger (Liebe, Kinder, Werte) zugeht. Miret schüttet sein Herz aus, was für ihn heuer zählt: fester Job, alles für die Familie geben – und Hardcore bzw. Touren nur noch maximal drei Wochen am Stück.

Fazit: Wer sich auch nur ein bisschen mit den Ursprüngen von Hardcore/Crossover und den Protagonisten der Ostküste beschäftigen möchte, sollte sich auf diese, teils verstörend brutal geschilderte, Zeitreise einlassen. Lesenswert.

Label: Iron Pages Verlag

(ISBN 978-3-940822-12-3)

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