House of The Holy II – Part Two
20. – 23. Juni MMXVIII, Abtenau, Austria
Freyday XXII & Saturday XXIII
(Zu Part One, Wednesday XX & Thursday XI, geht’s hier)
Freitag 22.06.
Du schaust morgens aus dem Fenster – und es regnet immer noch. Almwetter halt. Okay, nennt uns Weicheier, aber heute schenken wir uns den Einstieg mit MARS und HAGZISSA (letztere von manchen als DER diesjährige Höhepunkt angesehen), und kommen erst nach dem grössten Guß zu GOAT TORMENT oben an.
Morgens haben wir leider auch schon die Erstaufführung des Funkenflug-Films verpasst, von dem wir jedoch hoffen, dass er sehr bald käuflich zu erwerben sein wird – passt auf, was die Funkenflug Society zu diesem Thema vermelden wird!
Die Belgier heben dann jedoch gleich mal unsere Laune mit ihrem bedrohlichen, gar doomigen Schwarztod-Geballer, was die tief hängenden Wolken gleich mal mehrere Nuancen dunkler einfärbt, und sind wieder einmal ein Beispiel für Barths exquisites Händchen, was die Bandzusammenstellung betrifft – hier oben kommt es (musikalische Qualität generell vorausgesetzt) auf die meist melancholische bis düstere Stimmung an, die transportiert wird, auf die Vision von etwas ganz eigenständig Neuem sowie die absolute Hingabe an die eigene Kunst; und all das muss mit Black Metal gar nichts zu tun haben, wie wir im weiteren heute noch erleben werden…
Auch HEXVESSEL sind nicht zum ersten Mal hier und fühlen sich offensichtlich richtig heimisch auf der einzigartigen Hüttenbühne, wo die finnischen Waldschrate und ihr Mushroom-Folkrock liebevoll erwartet und gefeiert werden. Der Schwerpunkt liegt eher auf stimmungsvoll-sanften Songs der älteren Platten, doch auch ‘Cosmic Truth’ wirkt hier oben ganz wunderbar. Traumstunde! Und am Ende reissen sogar die Wolken auf…
Vom naturverbundenen, krautigen Folk zu pathetisch-apokalytischem Dark Pop: am Hamburger Duo ST. MICHAEL FRONT scheiden sich, wie zu erwarten, die Geister. Viele grooven sich ein und wagen gar eine verhaltene Rumba zum melancholischen ‘Bootlickin For A Dream’ oder geniessen so bedeutungsschwangere wie ironische Titel wie ‘Doom Of Your Living Room’, andere suchen den Weg zur Schankscheune. Sei’s drum, Veranstalter Barth hat sichtlich seine Freude an einem mal so gar nicht metallischen Duo hier oben.
Aber dann! Die Dunkelheit zieht auf, und der vorletzte Slot erweist sich mal wieder als DER Tipp der Nacht – seit sie auf dem HOTH II–Billing aufgetaucht sind, freue ich mich wie verrückt (und ganz offensichtlich nicht alleine…) auf die Isländer ALMYRKVI – und offenbar wissen Garðar & Co ganz genau, was wir von ihnen erwarten, denn was in den folgenden fünfzig Minuten hier abgeht, ist weit jenseits von Ungut und Böse, eine schweisstreibende isländische Geysireruption, ein nackenbrechender Tsunami, ein höllischer Saitenritt durch ein verglühendes Universum. Der SINMARA-Gitarrist erweist sich als Rampensau und Theathro-Poser vor dem Herrn und treibt Band wie Publikum zu einem tiefschwarzen Stimmungshoch. Der reine Wahnsinn! Unzählige Fäuste in der Luft, alles vor der Bühne in Bewegung, ein durchweg triumphaler Auftritt! Wir warten sehnsüchtig auf den ‘Umbra’-Nachfolger!
Doch wer meinte, die Nordeuropäer hätten nur noch verbrannte Erde für den Headliner hinterlassen, hat die Rechnung ohne MASTER’S HAMMER gemacht. Was die tschechischen Kauz-Black Metal-Altmeister hier zur Mitternacht nun abfeuern ist ein wahres Feuerwerk an verrückter Spielfreude und bizarren Songideen, verpackt in eine kraftvoll-skurrile Show. Es geht live wesentlich straighter ab als auf den jüngsten Tonträgern, Franta Štorms grollendes Organ zieht zusammen mit der konzentrierten und agilen Bühnenpräsenz des Prager Quintetts das begeisterte und oft sehr positiv überraschte Publikum tief in seinen Bann – Klassikeralarm! Und bei der traditionellen, den Tag abschliessenden nächtlichen Brotzeit wird diskutiert, wer denn nun den genialeren Auftritt hingelegt hat…Island oder Tschechien?
Samstag 23.06.
Waaas, schon drei Festivaltage herum? Und schon wieder so spät? Egal, wir verpassen HIGH TRANSITION und SERPERE, aber kommen mit guter Grundlage im Magen für den letzten, und für die meisten auch wichtigsten Tag gerade pünktlich zu LUNAR MANTRA auf der Alm an. Exortivm oder einfach Rory, den Sänger der Schotten, kennt wohl jeder Besucher als stets gut gelaunte Bedienung am Essensstand (kleine Nebenbemerkung: hier ist natürlich alles selbstgemacht und so authentisch wie das ganze Festival), nun beeindruckt er mit Kehlkopfgesang und mystisch-dramatischem Atmo-Black Metal, der durchaus auch bei hellem Tageslicht zu beeindrucken und zu gefallen weiß.
Gegenüber DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND waren viele Besucher ganz offensichtlich skeptisch und deutlich zurückhaltend, sei es aus politischen oder geschmacklichen Gründen. Letztere verzweifelten großteils dann auch am Gesang der Frontdame, während man der Band einen sich mächtig hochschaukelnden Acid-Psych-Groove bescheinigen muss. Erinnerte schwer an WOLVENNEST letztes Jahr, nur in nicht so berauschend schön.
Die Sonne kommt dann auch mal raus, und der wutschnaubende OCCVLTA-Fronter macht sich (halb)nackig, was perfekt zur Punk-Attitüde der Berliner Jungs passt. Räudiger, doomiger Black Metal rollt über uns hinweg und den Hang wieder herab, so viel Aggression zeigte bisher keine der heuer hier erlebten Bands – krasse Leistung!
Tja, gestern ALMYKVI, heute SINMARA – auf der Bühne wieder so ziemlich dasselbe Personal, nur mit vertauschten Rollen unter den Kapuzen und dem Manko, bei Tageslicht spielen zu müssen. Und vor allem mit einer traditionelleren musikalischen Ausrichtung, die die Isländer sehr gut beim fäustereckenden Publikum ankommen lässt. Trotzdem, für mich war der jüngere Ableger gestern das Gletschereisbonbon.
Während die WEISENBLÄSER ihre melancholisch-lebensweisen Jagdstücke vortragen, leuchten auf den umliegenden Gipfeln die ersten Sonnwendfeuer auf. Am Kraftplatz wird es, entsprechend dem diesjährigen ‘House of the Holy’ des weiblichen Prinzips, rituell von den Frauen entzündet, und brennt durch starke Feuchtigkeit aufgeladen und vom Wind zerzaust mit einer beeindruckenden Aura in die Höhe.
Es fällt wie immer extrem schwer, vom Feuer zurück in die Aussenwelt zu kommen, doch die aktuell intensivste Liveband kann ich unmöglich verpassen. Was Ryanne und ihre Jungs nun auf der Bühne entfachen, ist ein musikalisch-emotionaler Hurrikan, der alle mitreisst, bei DOOL steht keiner still, alles ist am Tanzen oder zumindest engagierten Mitwippen. Die einem niemals überdrüssig werdenden Songs von ’Here Now, There Then’ oder das geil runtergedrehte KILLING JOKE-Cover ‘Love Like Blood’, so gefühlstief sie alle auch sind, sie lassen sich smooth spielen oder eben auch extrem heavy rocken mit den drei Gitarren, und wie schon bei ihrem Münchner Dark Easter-Auftritt entscheiden sich die Niederländer hier oben für letzteres, und ich kriege vor lauter heftigstem Synchronbanging kaum ein scharfes Photo der Band hin – schlimmer ist jedoch, dass ich fürs Knipsen zwischenzeitlich aufs Tanzen verzichten muss…
Was für eine Band, was für ein Abend! Besser kann’s einfach nicht mehr werden, daher ist die Zeit zum Abschied gekommen, unter den pathetisch-schwermütigen Dark Rock-Klängen von VULTURE INDUSTRIES geht es zum Bus.
Geerdet, aufgeladen, angefüllt mit Eindrücken, euphorisiert von vier Tagen dunkler, mystischer, abgedrehter, okkulter, brutaler, wunderschöner, experimenteller, magischer, aber vor allem tief anrührender Klänge und Rituale kehren wir heim, zurück aus fernem Raum und stillstehender Zeit, die wir harmonisch wie nirgends sonst unter Gleichgesinnten, liebe- und respektvoll gegenüber jedem und allem, was uns umgibt, verbracht haben.
Ein grosser Dank geht an Barth und die ganze Funkenflug Society, für all ihre Arbeit und dafür, dass sie uns alljährlich an diesem, ihrem einzigartigen Fest teilhaben lassen! Denn nicht nur hiermit haben sie mehr als recht:
“Musick enlightens and connects people”.
Text & Photos: U.Violet