KAMASI WASHINGTON – Heaven And Earth
~ 2018 (Young Turks) – Stil: Jazz ~
Der Mann von Welt trägt heutzutage weite Gewänder, bunte afrikanische falls zur Hand. Er trägt Schmuck und auffällig große Ringe an den Fingern, die sein Instrument umschließen. Der Mann trägt sein Haar buschig und scheut sich nicht vor einem trendigen Bartwuchs.
Doch der Mann, der das Jahr durcheinander wirbeln und uns über das ganze begleiten wird, heißt Kamasi Washington. Er posiert zum Coverartwork mit seinen bunten Converse-like Sneakers auf der Wasseroberfläche eines Gebirgssees und harrt gebannt den kommenden Ereignissen. Scheinbar gefangen in einer dissoziativen Störung, wendet er seinen Blick stundenlang und gedankenverloren auf etwas ohne Bedeutung. Dabei wird er längst als der neue Messias des Jazz gefeiert. Schon sein erstes offizielles Werk ´The Epic´ brachte ihm 2015 Weltruhm ein – und Auftrieb für die anderen talentierten Musiker seines 20-Personen-Chores und dem losen Musiker-Kollektiv WEST COAST GET DOWN, von denen Bassist/Sänger Stephen “Thundercat” Bruner, dessen älterer Bruder/Schlagzeuger Ronald Bruner Jr., Keyboarder/Pianist Cameron Graves oder Sänger/Bassist Miles Mosley ebenfalls auf Solopfaden wandern.
Nur die Bewahrer des traditionellen Jazz wittern derweil den nächsten Hype, obwohl eine ganze Generation den Aufbruch zu neuen Welten anstrebt. Ist Kamasi Washington nämlich auch bei Kendrick Lamar, für dessen Meisterstück ´To Pimp A Butterfly´ er sich für die Streicher-Arrangements und das Saxofon-Spiel verantwortlich zeichnete, oder Thundercat ein gern gesehener Gast. Und ´Heaven And Earth´ schenkt dem Jazz wieder seinen Soul, verbindet West Coast-Klänge mit Funk, Fusion, Gospel und afrikanischen Rhythmen. Die Erd-bezogenen Seite des Werkes verkörpert dabei die Welt aus der Sicht von Kamasi Washington, die himmlische Seite sein Innerstes, seine eigene Ich-bezogene Welt. So erhält der Hörer auf vier Vinylscheiben wahrlich ein neues Epos. Und wenn die Sichtkante zwischen den Scheiben zwei und drei vorsichtig aufgeschnitten wird, entspringt dem Werk noch eine ebenso brillante Bonus-Scheiben namens ´The Choice´.
Die dreistündige Meisterleistung huldigt nicht mehr ihren ewigen Vorbildern John Coltrane und Pharoah Sanders, sondern beschreitet bereits eigene Wege. Der Jazz im Breitwandformat eröffnet mit der, neben ´The Psalmnist´ von Ryan Porter, einzigen Fremdkomposition ´Fists Of Fury´, dem ausgedehnten Filmthema von Bruce Lee, ehe afro-lateinischen Polyrhythmen, Chorgesang, Streicher, Big Band-Orchester, insgesamt annähernd 100 Personen und natürlich der Tenor-Saxofonist als Bandleader und Komponist in Himmel & Erde eingreifen.
(10 Punkte)
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