TRIPTYKON
Czar Fest, Kaserne Basel, 11.05.2018
Are we morbid?
Für einen der seltenen TRIPTYKON-Auftritte kann man schon mal ein paar Stunden weit reisen, zumal das wunderschöne Basel mit dem 3. Czar Fest in die dortige Kaserne lockt – eine alternativ-schicke und vor allem nicht zu große Location ganz nach unserem Geschmack. Und wann sonst hat man die Gelegenheit, diese Ausnahmemusiker auf einer kleinen Bühne ohne trennenden Fotograben, zu einem mehr als reellen Preis und vor gerade mal ein paar Hundert Zuschauern zu erleben? Dazu noch bei einem total entspannten, intimen Heimspiel mit rein schwyzerdütschen Ansagen, Freunden im Publikum und einigen tiefen Einblicken in die aktuelle Verfassung der Band und deren -leader Thomas Gabriel Fischer: dieser kämpft heftig mit den Tränen, als er uns mitteilt, dass wir heute Zeugen einer gleich dreifachen Premiere werden – erster Auftritt in Basel, erster Gig mit dem neuen, jungen aber enorm souveränen Schlagzeuger (dessen Namen und bisherige Band mir der Fan neben mir zwar mitteilte, ich im Eifer des Gefechts jedoch nicht notierte…wir werden ihn erfahren, spätestens wenn er nächste Woche mit nach Südamerika reist).
Vor allem aber ist dies das erste Konzert nach dem Tod von Martin Eric Ain im vergangenen Oktober, der die gesamte Band extrem mitgenommen hat. Das Publikum zollt Martin klatschend Tribut, ein sehr bewegender Moment, der genau wie die zu Markte getragenen T-Shirts zeigt, dass hier und heute nur wirkliche Fans anwesend sind, denen die Musik des Warriors und seiner Crew ALLES bedeutet. Und damit nun endlich mal zum Hauptthema!
Lord, have mercy upon me
Noch vor der Begrüßung wurde mit dem wuchtigen Einsteiger ’Procreation (Of The Wicked)’ klargemacht, was sich viele der Anwesenden erhofft hatten: das wird kein lupenreines TRIPTYKON-Konzert, ein solches gibt es sowieso nie, allein, hier sind vier Personen auf der Bühne – und gleichzeitig drei Bands, die an einem Abend locker ein Spektrum wirklich sämtlicher extremer Metal-Spielarten abdecken.
In den ersten Reihen singt von Beginn an alles mit, ’Goetia’ gibt zwar etwas Geschwindigkeit drauf, macht die Stimmung gleichzeitig jedoch noch mal eine ganze Schippe düsterer. „Satan, savior, father, lord, constructor of my world, master, destroyer, redeemer, guide me, I am the open wound“, spätestens jetzt sind wir für zehn Minuten mitten in den tiefsten Abgründen der Seele angelangt, in denen man sich verlieren kann wie in der Kunst von CELTIC FROST-Mentor HR Giger. Aber dann! Ein Riff, ein ‚Ugh!’, Doublebassgewitter und wäre die Mehrheit nicht bereits über 40, hätten wir hier einen veritablen ’Circle of the Tyrants’ in der Reithalle, zumal ein weiterer thrashiger ’Morbid Tales’-Klassiker direkt folgt: ´Into The Crypts Of Rays´ und vor der Bühne brechen sämtliche Dämme, der Schweiß rinnt und auch Herr Fischer muss feststellen, dass es hier im Pulli doch etwas zu warm ist…doch bei ’Altar Of Deceit’ können alle ein wenig verschnaufen. Wieder zurück in alte Zeiten geht es dann mit dem abgefeierten ’Babylon Fell’ von meiner geliebten ’Into The Pandaemonium’, die lange Live-Pause merkt man Toms Stimme gelegentlich an, sonst wirkt die Band prima eingespielt und hungrig auf Neues.
Only Death is Real
Was auch ganz bald kommen wird, in Vorbereitung auf die bevorstehende Südamerikatour, für die die dortigen Fans viele alte Sachen gefordert haben, wurden Songs geprobt, die TRYPTIKON bislang noch nie aufgeführt hatten. Und auch wenn Tom es ankündigt, gerechnet hätte niemand mit dem nun folgenden Wahnsinn, einem infernalischen Drei-Song-HELLHAMMER-Block: ’Massacra’, ’Reaper’ sowie ’Messiah’, der erste zusammen mit Martin geschriebene Song, blasen und schütteln uns die letzten Bröckchen aus den so weit wie den Augen offen stehenden Ohren – einfach nur geil! Die Halle tobt, und auch die Band hat Spaß daran, bei dieser Musik ist es auch für den als Perfektionisten bekannten, heute sehr locker aufgelegten und viel mit dem Publikum scherzenden („Ihr seid so liab! Ob das so bleibt?“) Herrn Fischer nicht so wichtig, dass noch nicht alles perfekt sitzt.
Als schließlich das bekannte Eingangsriff von ’The Prolonging’ einsetzt, wissen wir, dass uns noch knappe zwanzig Minuten Genuss und Entrückung zusammen mit einem der stilprägendsten Musiker unseres geliebten Genres bleiben, bevor ein Abend endet, der nicht anders als unter „Vollbedienung“ abgespeichert werden kann. Wer jedoch auf mehr (oder möglicherweise sogar neues) Material des Quartetts vor uns gewartet hat, darf allerdings die Frage stellen: “Und wann spielt jetzt Triptykon?”