ROTTING CHRIST – Their Greatest Spells: 30 Years of Rotting Christ
~ 2018 (Season Of Mist) – Stil: Greek-Style Black Metal ~
Ein kleiner musikhistorischer, nun ja, …Abriss
Neulich, nach dem INQUISITION / SEPTICFLESH-Konzert: ich frage einen altgedienten Extrem-Metaller-Veteranen, ob er nächste Woche bei ROTTING CHRIST auch wieder da sei? Stirnrunzeln, Haare hinters Ohr klemmen, beschämtes Auf-den-Boden-Gucken, dann hinter vorgehaltener Hand die Einlassung: „Nee, ich kenn‘ die doch gar nicht!“. Und damit steht er keineswegs alleine da…
30 Jahre Untergrund-Kult mit einer Ausbeute von zwölf Studioalben, einem Dutzend EPs, Singles, Demos und Splits, exzessive Touren und diverse Kooperationen mit den Größen des Black Metal als wie auch Künstlern aus der E-Musik- und Theaterszene, und vor allem einer Horde fanatischer Anhänger/innen (jaaa, auch ich zähle mich dazu) rund um den Globus, und immer noch Geheimtipp?
Bekannt als unersättliche, phantastische Liveband mit mehr als 1300 Shows auf dem Buckel, die auch noch das lahmste Publikum zum Circlepit animieren kann und stets verschwitzte, aber glückselige Gesichter hinterlässt, sei es auf der großen Festivalbühne oder im kleinsten Club, wo man hinterher problemlos noch ein Schwätzchen mit ihnen halten kann, und trotzdem braucht der Szenekenner Nachhilfe? Ein unverkennbarer, sehr früh etablierter eigener Stil, der Death/Black Metal mit Keyboards, ritueller Folklore und exotischen Instrumenten aus allen Ecken der Welt sowie Gothic-Anklängen verbindet und trotz seiner düster-mächtigen Rauheit dabei immer eingängig und spannend bleibt? Chapeau! All das muss man den Griechen erst einmal nachmachen!
FRÜHPHASE
Zeitsprung – Athen in den frühen 1980er Jahren: Zwei Teenager-Brüder sind schwerst beeindruckt von den abgefahrenen neuen Bands, die gerade in Nordeuropa bzw. den USA die Metal-Szene aufmischen und dabei wie in einer kreativen Explosion bislang völlig unbekannte Stilrichtungen hervorbringen – VENOM, BATHORY, CELTIC FROST und POSSESSED. Mit Luftgitarre, Kissendrumming und einer gestohlenen Gitarre startet die Karriere von Sakis und Themis Tolis zusammen mit Basser Jim Patsouris 1987 als Death-/Grind-Trio mit einem blasphemischen Bandnamen, der ihnen vor allem im (nicht nur transatlantischen) Ausland immer wieder einige Scherereien einbringen wird. Nach zwei grindig-kultigen Proberaumdemos und einer Split mit den ebenfalls griechischen Grindcorelern YHORYPANSI = SOUND POLLUTION (herausgebracht vom deutschen Label TNT Records!), entscheiden sie sich 1989, stilistisch konsequent den oben genannten Vorbildern nachzueifern, nehmen die Pseudonyme Necromayhem, Necrosauron und Mutilator an und entwickeln einen brutalen und düsteren Stil, den sie selbst zu Zeiten der begrifflichen Austauschbarkeit von Death oder Black Metal als “Abyssic Death Metal” bezeichnen.
Mit dem im selben Jahr erstmals professionell aufgenommenen ´Satanas Tedeum´-Demo ernten die drei Youngsters erste Untergrundmeriten als die wohl geographisch exotischste der skandinavisch dominierten Gründerbands der zweiten Welle des Black Metal, sowie einen Plattenvertrag mit Decapitated Records (später Unisound Records), und liefern 1991 die Sechs-Track Mini-LP ´Passage To Arcturo´ ab, die auf der vorliegenden Best-Of mit zwei Songs, ´Forest of N’gai´ und ´Feast Of The Grand Whore´ vertreten ist – roher, okkulter, primitiver Black Metal, jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits einzigartig mit Keyboards und entsprechend viel Atmosphäre versehen; NECROMANTIAs Magus Wampyr Daoloth wird viele Jahre später wieder auf ´Aealo´ an den Tasten zu hören sein. Im selben Jahr erscheint eine 7’’-Split mit den Italienern MONUMENTUM, gefolgt 1992 vom zweiten offiziellen Demo ´Ade’s Wind´.
Ein wahrhaftiger Underground-Ritterschlag wird letztlich leider nicht Realität für die Hellenen: MAYHEMs Euronymus plant, ROTTING CHRIST auf seinem eigenen Deathlike Silence Productions-Label mit ihrem Erstling oder auch einer Split mit BURZUM herauszubringen; möglicherweise hat Count Grishnack das „Split“ ja falsch verstanden, durch seinen Messermord an Euronymus wird der bereits unterzeichnete Vertrag auf jeden Fall Makulatur.
Das Full-Length-Debüt ´Thy Mighty Contract´ folgt daher 1993 auf Osmose Productions, schlägt ein wie eine Bombe und definiert den klassischen „Greek-Style Black Metal“: ´The Sign Of Evil Existence´, ´Fgmenth Thy Gift´ und ´Exiled Archangels´ führen zurück in diese Zeit, in der auch die berühmt-berüchtigte, erste Black Metal-Tournee überhaupt stattfand, die legendäre „Fuck Christ“-Tour durch Deutschland, Benelux und Frankreich zusammen mit IMMORTAL und BLASPHEMY, damals eigentlich undenkbar für eine griechische Band, die ohne jegliche Live-Erfahrung und mit Sessionmusikern auf Tour geht, ihren Bekanntheitsgrad aber dabei natürlich nochmal exponentiell steigern kann. Die Musiker (er)lebten zum ersten Mal den R’n’R-Lifestyle, waren aber auch mit Fans konfrontiert, die sich in den Konzerthallen rituell die Pulsadern aufschnitten und mit Krankenwagen abgeholt werden mussten…
Da stören auch die regelmäßig eingehenden Bombendrohungen von christlichen Fundamentalisten gegen die “satanische“ Band nicht weiter, beflügelt durch den wachsenden Erfolg wird bereits im Folgejahr ’Non Serviam’ (lat. ‚ich werde nicht dienen‘, Bandleader Sakis trägt das dem gefallenen Engel Luzifer zugeschriebene Bandmotto um den Bauchnabel tätowiert und beschließt jahrelang traditionell jeden Gig mit diesem Song) in den bandeigenen Storm Studios aufgenommen und auf dem griechischen Label Unisound Records veröffentlicht, was jedoch dazu führt, dass diese Scheibe mangels Promotion außerhalb Griechenlands kaum bekannt wird, geschweige denn erhältlich ist (außer mit dem Titelsong hier mit ’Saturn Unlock Avey’s Son’ vertreten).
Manch einer hat die Band zu diesem Zeitpunkt schon abgeschrieben, da mangels Nachschub (wir befinden uns noch weit vor dem Internetzeitalter!) Gerüchte sogar von ihrer Auflösung sprechen. Trotz einigem Erfolg in der Heimat und den ersten transatlantischen Konzerterfahrungen in Mexiko ist die Band frustriert und nimmt Ihre Geschicke wieder selbst in die Hand, ein 6-Track-Demo auf, und fährt damit zum Klinkenputzen nach Deutschland, woraus schließlich ein Vertrag mit Century Media resultiert.
NEUAUSRICHTUNG
’Triarchy Of The Lost Lovers’ wird daraufhin zum ersten Mal mit Themis an einem echten Schlagzeug und im Ausland, in Andy Claasens (HOLY MOSES) Stage One Studio, aufgenommen sowie von diesem produziert, und beide Neuerungen führen zu einem voluminösen, organischeren Sound als bisher. Die Band beginnt zudem von ihrem reinen Black Metal-Stil abzukommen und gerade in den stimmungsvollen, melodiösen Teilen vermehrt klassisch-epische Heavy Metal-Elemente zu integrieren (’Archon’); die Platte zeichnet sich durch stampfende, rhythmisch vertrackte Midtempo-Songs (’King of a Stellar War’, ’A Dynasty from the Ice’), teilweise mit Twin-Gitarrenharmonien und ausufernderen Soli, jedoch immer in Kombination mit ihrem typischen, stakkatoartigen repetitiven Riffing aus (’Shadows Follow’). Mitten in den Aufnahmen strecken die Masern die beiden Tolis-Brüder heftig nieder, ob Sakis’ neuartiger, stark gedrosselter Sprechgesang wohl hierdurch begründet ist?
Er ist auf jeden Fall ein grosser Fan von (deutschem) 80ies Thrash, und so gibt es auf dem limitierten Digipack ’Tormentor’ sowie das Medley ’Pleasure To Kill / Flag Of Hate’ von KREATOR zu hören (ebenfalls auf der ’The Mystical Meeting’ Picture 10’’ vertreten), bei denen eigentlich Mille Petrozza als Gastsänger auftreten sollte, was leider genauso wenig zustande kam wie Till Lindemanns Beitrag zu ’Der perfekte Traum’ zwei LPs später.
Mit ihren neuen Labelmates SAMAEL und MOONSPELL geht es im selben Jahr 1996 auf ausführliche Europatour, nach der Kostas von CORRUPTION als fester zweiter Gitarrist in der Band bleibt, dafür verlässt Gründungsmitglied Jim aus Zeitgründen die Band, die immer ausführlicher tourt. ’Triarchy…’, in dieser Retrospektive mit immerhin vier Liedern vertreten, markiert damit einen Wendepunkt in ihrer Karriere, die sich stilistisch auch mit den beiden folgenden Alben deutlich in eine Gothic/Dark Metal-Richtung entwickeln wird, und sich damit neue Hörer- wie auch Käuferkreise erschließt. Was Mitte der turbulent-crossoveraffinen 90er nicht nur die gerade genannten befreundeten Bands nun erleben, ist die logische Konsequenz aus einer solchen Evolution: langjährige Fans werfen den Griechen enttäuscht Sell-Out, den Verrat an ihren schwarzmetallischen Wurzeln und Untergrundwerten vor, und beginnen sich abzuwenden.
Mit dem 1997er Werk ’A Dead Poem’ wird trotzdem weiter auf dieselbe Schiene gesetzt, woran auch Xys (SAMAEL) Unterstützung an den Keyboards und seine Produktion im Woodhouse Studio deutlichen Anteil hat. Die Aggression wird subtiler, die Lieder eingängiger, melodiebetonter und noch atmosphärischer, ja auch doomiger, ein Track wie ’Semigod’ ist bis auf die teilweise noch harschen Vocals purer Gothic Rock und so catchy, dass er gar nightlife-tauglich ist. Damit verstärken sich die Kontroversen an der Fanbasis weiter, zumal die Band ihre Pseudonyme ablegt und das bisherige Logo gegen einen Allerweltsschriftzug austauscht. ’Among Two Storms’ erlebt MOONSPELL-Sänger Fernando Ribeiro als Gastsänger (und wird wie auch ’Sorrowfull Farewell’ zu einem veritablen Szenehit), was eine Tradition eröffnet, die in den Folgejahren noch wesentlich weitere Kreise ziehen wird – man lädt sich gerne Freunde und Künstler/innen ein, die auf derselben sprituellen und künstlerisch offenen Wellenlänge schwimmen. Mit seinem modernen, klaren und vielschichtigen Sound wird ’A Dead Poem’ ROTTING CHRISTs weltweit bestverkauftes Album. Auch diesmal geht es ausgiebig auf Tour in Europa, diesmal jedoch als Headliner, supportet von OLD MAN’S CHILD und SACRAMENTUM, auch auf vielen Festivals steht man recht weit vorne auf dem Billing, und tritt sogar in der rockmusikalisch abgeschotteten Türkei auf, wo man sogar noch ins Visier der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ gerät. Eine wahrlich polarisierende Band…
Schon im Folgejahr erscheint mit ‘Sleep of the Angels’ eine Platte, die die zuvor begonnene Ausrichtung weiter- und auf eine neue Stufe führt, dabei jedoch wieder deutlich „verrotteter“ wirkt: das typische harte Riffing wird mit dem Zusammen- wie Wechselspiel von epischer, sehr gefühlvoller Melodik, abwechslungsreichem Gesang und akzentuierter Rhythmik verbunden, die Stimmung ist wärmer und mystischer als noch zuvor (’After Dark I Feel’, ’Cold Colours’).
An den Tasten gibt es einen Wechsel, Panayotis geht und wird von George ersetzt, die Band geht nach diversen Gigs in Europa mit DEICIDE, ANCIENT RITES, AETERNUS und BEHEMOTH auf ihre erste Welttournee und bekommt in den USA heftigen Gegenwind wegen ihres Namens, Shows werden gecancelt, Supportbands wollen nicht mit ihnen in einen Topf geworfen werden, nachdem ein führender Republikaner es mit seinem Vorwurf, Musiker wie sie oder Madonna und Sinead O’Connor (Sic!) würden die amerikanische Jugend verderben, sogar bis in die New York Times geschafft hat. Jahre später soll sich Dave Mustaine in Griechenland einmal weigern, dieselbe Bühne mit den „Satanisten“ zu teilen, und 2016 tritt die Band nach religiösen Boykotten in Südafrika als „ΧΞΣ“ (666) auf – es lebe die großartige hellenische Erfindung namens Demokratie!
BACK TO THE ROOTS
Ob allein diese ganzen Kontroversen den revolutionären schwarzmetallischen Spirit des Anti-Establishments dermaßen befeuert haben, oder die Band zeigen wollte, wes Geistes Kind sie immer noch ist, so richtig „back to their blackest roots“ und gleichzeitig einen großen Schritt nach vorne geht es zur Jahrtausendwende mit ’Khronos’. Eine gereifte Band voller Zorn und Power stürmt mit erhobenen Streitäxten auf uns zu, unterstützt und -malt von einem nur symphonisch zu nennenden, düsteren Soundtrack, der streckenweise stark an die zweite Athener Bruder- wie Brüderband SEPTICFLESH erinnert. Dies erklärt sich zum einen durch Sakis’ verstärktes Interesse und erweiterte Fähigkeiten in Programmierung und Studiotechnik, aber auch durch seine Zusammenarbeit mit deren Gitarristen Christos Antoniou, einem diplomierten klassischen Orchester-Komponisten. Christos wird zukünftig immer mal wieder für ROTTING CHRIST Orchesterparts arrangieren, während Sakis mit dessen älterem Bruder Seth Spiros Anton nebenher bei THOU ART LORD das Material spielt, was für deren Hauptbands zu krass ist…(außerdem zeichnet Seth für das „geschmackvolle“ Coverartwork verantwortlich, welches den so umstrittenen Bandnamen bildlich darstellen soll)
Auf andere Art extrem ist das Cover von CURRENT 93s ’Lucifer Over London’, das dem neuen Sound einen deutlichen Industrial-Stempel aufdrückt. Um jedoch einen echten, mächtigen Black Metal-Sound für dieses sehr vielschichtige Material zu bekommen, entscheidet man sich, mit Peter Tägtgren (HYPOCRISY, PAIN) in seinem The Abyss-Studio aufzunehmen, und vervollkommnet dabei unter anderem den bis heute so typischen, herausstechenden Gitarrensound als eine Kombination von vielen Zakk’schen Pinch Harmonics (’Art of Sin’), und ständig wiederholten Solo-Motiven, die die Songs neben den unglaublich energetischen Vocals über einem extrem heavy Drum- und Keyboardteppich vorantreiben. Das hier ist mehr als „best of both worlds“, das ist eine komplett neue, die es zu entdecken gilt! Folgerichtig sind nun auch die alten Fans wieder versöhnt, die neuen sowieso begeistert und zusammen man ist gespannt, was die Zukunft noch so alles an Neuerungen bringen mag. Doch zuerst einmal zieht sich die Band anderthalb Jahre zu einer künstlerischen Ruhepause zurück, um sich gänzlich ihrer musikalischen Weiterentwicklung und dem nächsten Album zu widmen.
Der 2002er Langdreher ’Genesis’ kommt dann tatsächlich sofort mit einer Überraschung um die Ecke: das Original-Logo ist wieder vorne drauf! Und genauso überraschend geht es weiter….wieder in Deutschland bei Andy Classen aufgenommen ist es ein düsteres und hartes Album mit einem kälteren, fast maschinellen Sound, eine stilistische Reise zurück zu ’Triarchy…’ (’Astral Embodiment’), jedoch gleichzeitig in modernem, sehr experimentellem Gewand und mit schier unendlich vielen, gänzlich unterschiedlichen Songideen, ohne dabei auch nur zu einer Sekunde nicht mehr wie ROTTING CHRIST zu klingen. Abwechslung wird hier ganz groß geschrieben!
Das ist nun avantgardistischer Dark/Black Metal in Vollendung, Sakis’ Stimme ist kraftvoll und scharf in jeglicher Weise, seien es die vielen geflüsterten oder lauten Spoken-Word-Parts, oft auch in Chören, und natürlich sein bekanntes extremes Fauchen, das mich in seiner ungestümen Kraft und Sakis’ Zungenspielchen immer wieder an die Maori-Kriegsschreie beim Haka erinnert. Die Gitarren werden verstärkt mit flirrenden, wespenschwarmartigen Tremololayers eingesetzt, die über einem Keyboardwall, diversen Samples und dem herausstechenden, extrem rhythmusbetonten Drumming schweben.
Industrial-Fans haben an dieser herausragenden Scheibe genauso ihre wahre Freude wie der Schwarzmetaller, ich liebe vor allem den Lovesong ’Dying’, die Essenz aller RC-Trademarks mit viel Gefühl und (Metal-)Dancefloor-Tauglichkeit. Trotzdem, hier finde ich die Songauswahl für die Best-Of zum ersten Mal nicht dem Ursprungsalbum entsprechend, da hätte man mutiger zu blastbeat-geladenen Schlächterstücken wie ‚Ad Noctis’ oder ‚Under the Name of the Legion’ greifen können, die, wie so oft bei den Griechen, schon einen Ausblick auf das kommende Album gewähren. Grandios!
Wieder folgt eine Tour rund um den Globus, bei der man die erste DVD ’In Domine Sathana’ mitschneidet.
Zwei Jahre später nimmt Bandleader Sakis die Zügel produktionstechnisch selbst in die Hand und in Athens SCA Studios ’Sanctus Diavolos’ auf. Der gewollt rohe Sound, die heftigen Vocals, die schaurige Atmosphäre und die hohe Geschwindigkeit sind wie eine Rückkehr zu den allerersten Anfangstagen (wie das blackthrashige ’Serve in Heaven’), ohne die Weiterentwicklung der letzten Jahre zu vergessen. Chöre und tribal-artige Percussions nehmen immer mehr Raum ein, doch wie zuvor schafft es die Band, aus vielerlei unvereinbar und teilweise schräg erscheinenden Ideen und Melodien ihre ganz individuelle, stimmige und vor allem unverkennbare Mischung zu erschaffen (’Athanatoi Este’). Abgemischt wird das Werk von Fredrik Nordström im schwedischen Studio Fredman; Kostas verlässt die Band und wird durch George ersetzt. Das düstere Album ist das letzte bei Century Media, die Band ist auf der Suche nach einem neuen Label, für das die Band Top-Priorität geniesst und findet es in Season of Mist.
KREATIVE EXPLOSION
Dort werden sie 2007 mit ihrem neunten Album ‘Theogonia’ gleich einen avantgardistischen Genre-Meilenstein abliefern. Nicht ohne Grund beginnt die vorliegende Retrospektive mit dessen ersten Song, ’Χάος Γένετο / The Sign of Prime Creation’, einem Blastbeat- wie Melodiegewitter mit schier unendlicher Power, das den Hörer mit hineinreisst in einen wahren Mahlstrom von Album. In Rückbesinnung auf ihre südeuropäische Herkunft und historischen Wurzeln in der antiken Kultur werden zum ersten Mal griechische Lyrics und ein altgriechisch singender Chor, sowie folkloristische Instrumente wie Dudelsäcke verwendet (’Nemecic’), was entgegen erster Befürchtungen von den Fans begeistert aufgenommen wird: die Shirts mit den fremden Schriftzeichen verkaufen sich am Merch-Stand am schnellsten, das Interesse an der Bedeutung der Liedtexte ist riesig.
Wie Sakis es ganz richtig erkannt hat – gerade in unseren heutigen Zeiten der Globalisierung ist Individualität extrem wichtig, sich von anderen abheben, indem man sich auf den eigenen Ursprung besinnt, und dies gelingt hier auf allen Ebenen: der philosophische und lyrische Hintergrund entstammt einem altgriechischen Schöpfungsmythos, die Platte wurde komplett in Eigenregie in der Heimat aufgenommen, und der kristallklare Sound kann nicht weniger als begeistern (’Phobo’s Synagogue’). Die Platte markiert die „Wiedergeburt“ der Band, enthält sie doch sämtliche, teilweise auf den ersten Blick widersprüchliche Elemente ihrer Geschichte und verbindet sie in einem äußerst anspruchsvollen kompositorischen Konzept mit den neu hinzugekommen griechischen und orientalischen Einflüssen. Sie erhält die bislang besten Kritiken ihrer Karriere.
Mittlerweile ist die Band, die die Tolis-Brüder mit 14 bzw. 16 Jahren gegründet haben, seit über zwei Jahrzehnten aktiv und eine Metal-Legende geworden, und es wird höchste Zeit für eine ausführliche Videodokumentation ihres Schaffens. Dies wird standesgemäß 2009 mit den ’Non Serviam – A 20 Year Apocryphal Story’-Live-DVDs nachgeholt.
VOLLENDUNG UND SPÄTWERK
Wie soll sich nun eine Band, die gefühlt schon ewig dabei ist, der niemals Energie oder Ideen ausgegangen sind, die sich über Jahrzehnte kontinuierlich weiterentwickelt hat und dabei unfassbarerweise immer stärker wurde, nach einem Meisterwerk wie ’Theogonia’ nochmals selbst übertreffen können? Indem sie weiterhin alles, was sie auszeichnet, woraus sie schöpfen, was sie umgibt, worüber sie nachdenken, was ihnen neu begegnet sich einverleiben, verarbeiten im Songwriting, in den Lyrics, der Instrumentierung, den Arrangements und dem allumfassenden künstlerischen Konzept – und indem sie sich dann, gleich einer sich häutenden Schlange, immer wieder neu erschaffen.
Dabei das Gleichgewicht zwischen Komplexität, Innovation, Expansion und Hörgenuß zu wahren, ist die wahre Kunst, die ROTTING CHRIST in Perfektion beherrschen. Oftmals ging es in ihrer langen Karriere stilistisch ein paar sehr mutige Schritte vorwärts, dann wieder einen eher traditionellen zurück, und erst bei der darauffolgenden Platte sind die neuen Strömungen und Entwicklungen wirklich tief in den Stil eingesunken, Teil des Gesamtausdrucks geworden. Mittlerweile sind die Griechen jedoch auf einem artistischen Level angelangt, wo sie nicht nur gleichzeitig auf einer soliden Basis stehen, die auf Können, Erfahrung, einem Händchen für aktuelle Strömungen, einem im Musikbetrieb herausragenden Status und nicht zuletzt auch gesundem Selbstbewusstsein und Wissen um die eigenen Stärken fußt, sondern wo sie auch kompositorisch und produktionstechnisch an vorderster Front stehen.
Und Front ist genau das richtige Stichwort für die Überleitung zum 2010er Album ’Aealo’. Gleichsam im totalen Gegensatz zu dem schöngeistig-humanistischen Vorgänger folgt nun das wahrscheinlich düsterste Machwerk ihrer Karriere. Es geht um Leben, Überleben, um Kampf, Angst, Einsamkeit, Wut, Schmerz und vor allem um den Tod: Sakis’ Konzept beschäftigt sich mit dem Krieg und was dieser aus Menschen macht, was Soldaten auf dem Schlachtfeld an Gefühlen er- und durchleben, sei es zur Epoche Alexanders des Großen oder in heutiger Zeit. Ein wahrer Höllenritt, der auch dem Hörer einiges abverlangt, da sich die bedrohliche Stimmung sofort überträgt: Doublebassdonner, deutlich angezogenes Tempo, kaum Keyboardeinsatz, dafür vermischen sich zornige Kampfgesänge, Folterschreie und polyphone Klagen mit aufjaulenden Gitarren und einem ultraharten Riffing zu einer extrem beklemmenden Atmosphäre.
Gleich zu Beginn begegnen uns die bereits von `Theogonia’ bekannten Ethnochöre wieder, um sofort darauf auf einen Hochgeschwindigkeitszug aufzuspringen und mit den ultraschnellen Riffs um die Wette zu chanten, über die sich die bekannt-gewaltigen Gitarrenmelodien legen – diesmal ist der die ganze Platte begleitende Chor jedoch ein echter, nämlich das nordgriechische, auf traditionelle Klagegesänge spezialisierte Frauenensemble „Pleiades“, das zuvor weder mit Metalmusik geschweige denn mit ROTTING CHRIST jemals in Berührung gekommen ist. Vielleicht gerade deswegen klingt ihr Beitrag so erfrischend, authentisch und organisch – extremer Metal und Weltmusik auf das innigste miteinander vermählt.
Sakis bezeichnet ’Aealo’ als echtes „Made in Greece Album“, denn es wurde am Olymp, dem Sitz der antiken griechischen Gottheiten, aufgenommen und komplett in der Heimat produziert. Für vier Monate zog sich die Band zurück in die Natur 500 km nördlich von Athen, weit weg von jeglicher Ablenkung, in die Stille und Isolation der Lunatech Studios, um ganz konzentriert und fokussiert arbeiten zu können an einem Konzeptalbum mit einem Schwerpunkt auf (ehr)furchteinflössender Stimmung. Die Auswahl repräsentativer Songs ist hier fast unmöglich, da diese Platte eigentlich nur als Ganzes funktioniert; doch mit dem mächtigen ’Demonon Vrosis’ und seinen großartigen, überaus eingängigen wie harten Riffs und der weiten Atmosphäre, sowie der drumzentrierten Battle Hymn ’…pir Threontai’ bekommt der Hörer eine erste Ahnung davon, wie sich das hellenische Gegenstück eines Viking Metal Albums anhört. Absolutes Pflichtprogramm für jeden Fan!
Hervorzuheben sei hier desweiteren die Zusammenarbeit mit Alan ’Nemtheanga’ Averill (PRIMORDIAL) bei ’Thou Art Lord’, der Vertonung einer William Blake-Skizze, die Spoken Words des Mittelteils werden uns später auf ’Rituals’, diesmal dann gesprochen von Nick Holmes (PARADISE LOST) in ‚For a voice like thunder’ wiederbegegnen – ein wunderbares Zeichen für Sakis’ stets übergreifendes Denken und Planen, und natürlich auch für sein grosses Netzwerk an „Metal Brothers“, die wie er gestrickt und immer für ein gemeinsames Projekt zu haben sind. „Who can(‘t) stand?“
Die große Überraschung verbirgt sich jedoch am Ende. Sakis hat die erschütternde, selbstzerfleischende Performance von Avantgarde-Diva Diamanda Galás über den vieldiskutierten Genozid an den Pontos-Griechen, Armeniern und Aramäern im osmanischen Reich, ‘Orders from the Dead’, kongenial vertont und sie dafür gewinnen können, ihren eigenen Gesang für dieses Cover zu verwenden. Hier wird deutlich, dass es noch wesentlich dunklere Nuancen von Schwarz ausserhalb des Black Metal gibt – ein tief ergreifendes Werk, dass noch lange im Inneren nachhallt.
Danach ist nun endgültig alles möglich und offen für ROTTING CHRIST, es gibt absolut keine künstlerischen Grenzen mehr, und drei Jahre später liefern sie ihr Referenzalbum dieses Jahrtausends ab: nicht mehr als ‘Κατά τον δαίμονα εαυτού’ steht auf einem schlicht schwarz-weiss gehaltenen Cover, nach Aleister Crowley zu übersetzen mit “Do What Thou Wilt” (und auch auf Jim Morrisons Grabstein in griechischen Buchstaben eingelassen zu finden), Sakis übersetzt die Sentenz jedoch mit “True to your own spirit” und hebt hervor, dass diese Maxime zusammen mit ‘Non Serviam’ der Ideologie der Band zugrundeliegt, und eben auch das lyrische Konzept dieser Platte zusammenfasst: entsprechend dem universellen, mythologischen Ansatz unternimmt man eine Reise durch die grossen Überlieferungen und Sagen der Menschheit, mit Ausflügen zum sumerischen Gilgamesch, dem ältesten schriftlich festgehaltenen Epos, zu untergegangenen Kulturen wie den Mayas (’In Yumen-Xibalba’) und Inkas, ins alte Persien, nach Russland und Rumänien (grandios dramatisch mit den Vougioukli-Schwestern: ’Cine iubeşte şi lasă’), und eben auch zu deren dunkler Seite, den okkulten Mythen und Praktiken der Völker (’Grandis Spiritus Diavolos’).
Es ist eine Einladung, einen vielseitigen, multikulturellen und -lingualen Trip tief in eine geheimnisvolle, mystische Vergangenheit zu wagen, um damit dem Alltag zu entfliehen. Wie auch seinen Nachfolger zeichnet dieses sehr reife Album ein mächtiger, Soundtrack-artiger Charakter aus, der noch mehr zum Schwelgen in dieser erhabenen Musik einlädt. Und spätestens jetzt, wo außer den griechischen Elementen noch solche anderer Völker hinzukommen, wird dem aufmerksamen Hörer klar, dass ROTTING CHRIST das folkloristische Element schon immer in ihrer Musik hatten, es stets ihren ganz speziellen Charakter ausgemacht hat (‚Κατά τον δαίμονα εαυτού’).
Nicht als Lied, sondern nur als Untertitel auf das Cover der Best-Of geschafft hat es der meiner Meinung nach beste ROTTING CHRIST-Song überhaupt, und ich habe die Vermutung, dass dieses Juwel hier mit Absicht fehlt: ‘χξσ’ („666“). Niemals zuvor habe ich der Klimax und Auflösung eines musikalischen Spannungsbogens so entgegengefiebert, nur um gleich nochmals mit auf die Reise nach oben genommen zu werden – einfach nur genial! (Um Euch trotzdem einen Eindruck davon zu geben, schließt das kongeniale Video dazu diese Hi/Story ab.)
Beendet wird die Platte von ’Welcome to Hel’, einer symphonischen, klassischen Metal-Hymne, die einen kaum glauben lässt, dass sich das Lineup dieser Überplatte nur noch aus den beiden Tolis-Brüder zusammensetzt, die Gastmusiker George Emmanouil als zweiter Gitarrist sowie Vagelis Karzis am Bass werden jedoch später in die Band integriert und sind auch heute noch zumindest live immer dabei.
Das 11.Studioalbum wurde in SEPTICFLESHs Devasoundz Studios aufgenommen und erneut von Sakis produziert, für den Endmix ging er zu Jens Bogren (u.a. AMON AMARTH, PARADISE LOST) nach Schweden, und das Ergebnis ist Breitwand-Metal vom allerfeinsten, und wer sich von diesem Sog, hier richtig weit aufzudrehen und einfach nur zu genießen nicht angezogen fühlt, ist kein echter Metalhead. ‘Κατά τον δαίμονα εαυτού’ kann zweifellos als das bislang anspruchsvollste, intensivste und gleichzeitig spirituellste Werk dieser Spätphase bezeichnet werden. ROTTING CHRIST haben spätestens jetzt eine Stellung erreicht, die nicht mehr mit „Underground“ beschrieben werden kann, sie sind endgültig angekommen auf den Titelseiten und Headlinerplätzen.
Nach diesem Meilenstein fiebern die ständig weiter anwachsenden Fanhorden natürlich etwas Neuem entgegen, und wiederum drei Jahre später, 2016, wird ihnen erneut ein Meisterwerk geschenkt: ’Rituals’ wirkt wie die jüngere Bohèmienne-Schwester von ‚Κατά τον δαίμονα εαυτού’. Wiederum gibt es einen konzeptuellen Hintergrund, entsprechend dem Titel wird dem Hörer eine Sammlung (nicht nur) satanischer Rituale aus diversen Zeiten und Erdteilen präsentiert. Da werden wir Zeugen von schwarzen Messen, Jesus Christus’ letzten Worten (das unglaublich atmosphärische ’זה נגמר’ (Ze Nigmar), Exorzismen (‘Ἄπαγε Σατανά’ (Apage Satana) oder Geheimritualen (’Konx Om Pax’). Die meisten Songs sind in eher schleppend-monotonem Rhythmus gehalten, und der doomige Charakter wiegt wie in keinem sonstigen Werk der Athener vor, was jedoch nicht heissen soll, dass wir auf lyrisch-explosive Gitarrensoli oder Blastbeats verzichten müssten, und Studio- wie soundtechnisch ist man sowieso wieder auf dem alleraktuellsten Stand: Druck, Klarheit und Tiefe dieser Musik werden nahezu perfekt zur Wirkung gebracht.
Diesmal ist es jedoch vor allem die Vielzahl an Gästen, die für den Abwechslungsreichtum verantwortlich ist. Der Hit dieses Albums, der auch in keiner aktuellen Livedarbietung fehlen darf, ist zweifellos ’Ἐλθὲ Κύριε (Elthe Kyrie)’ nach einem Werk des antiken Dichters Euripides. Nicht nur die zwischen Zorn und Verzweiflung hin- und hergerissene Darbietung von Danai Katsameni, Schauspielerin am Griechischen Nationaltheater, macht den Trotzstampfer zu einer wahren Motivationspeitsche für die Muckibude, und Vorphs (SAMAEL) hochdramatisch-emotionale Rezitation des Baudelaire-Texts aus ‚Les Fleurs du Mal’ (’Les Litanies de Satan’) zieht uns in tiefste Höllenschlünde hinunter. Die Blake’sche ’Aealo’-Reminiszenz ’For a Voice like Thunder’ wird von Nick Holmes ehrwürdig eingestimmt, und RUDRAs Kathir spricht den exotisch anklingenden Sanskrit-Text von ‘देवदेवं’ (Devadevam) – Sakis hat mal wieder alle Register gezogen, um diverse Künstlerfreunde in seine Kompositionen beziehungsreich miteinzubeziehen.
Für mich sticht jedoch diesmal ein Cover besonders heraus, sozusagen der doppelte Ouzo dieser Platte: der Kreis schliesst sich, wenn ROTTING CHRIST sich den 1972er Welthit ’The Four Horsemen’ Ihrer psychedelischen Landsleute APHRODITE’S CHILD von deren Kultalbum ’666’ (!!!) zu Eigen, jedoch einen ultralangsamen Doomschlepper mit sinister-bedrohlicher Stimmung daraus machen. Ein wahrer Ohrenschmaus für den gepflegt-saturierten Satanisten!
https://youtu.be/lIbnW_6SYX4
Trotz ihres enormen kommerziellen Erfolges ist ’Rituals’ für mich eine monumentale, kraftstrotzende Platte, die jedoch auf lange Sicht bei weitem nicht den gleichen emotionalen Tiefgang wie ihre anspruchsvolle Vorgängerin erreichen kann. Damit ist nun faszinierenderweise wieder Luft nach oben im ROTTING CHRIST-Universum, und die Fans harren und hoffen auf das, was noch kommen wird…bedient werden sie solange mit Liveauftritten überall auf der Welt. Die Athener lieben es, zu reisen und die Welt zu entdecken, und spielen genauso gern in Sibirien wie in Guatemala oder Afrika; an neuen Ideen und Einflüssen wird es daher auch zukünftig kaum mangeln.
So, geschafft! Wir haben zusammen dreissig Jahre Metal-Geschichte beleuchtet und sind jetzt zurück in der Gegenwart angelangt. Wenn ich diese großartige Retrospektive nochmals anhöre, ist mein nun vorherrschendes Gefühl Staunen, Respekt, nein – Ehrfurcht vor einer Band, die es wie keine andere im extremen Metal geschafft hat, sich stets treu zu bleiben, indem sie sich und ihre unverwechselbare Handschrift ohne Unterlass neu erfunden hat.
Die im Gegensatz zu vielen längst nicht mehr bestehenden Bands der Black Metal-Elite ihrer Generation den Fans seit drei Jahrzehnten ohne größere Schaffenspause eine in dieser Kontinuität unerreichte Qualität an hochemotionalen Kompositionen schenkt, die jedes Mal in neuen Facetten schillern und niemals auch nur ansatzweise langweilig werden.
Die diverse herausragende Meilensteine des Black Metal und Dark Metal veröffentlicht hat und damit diesen Genres schon sehr früh ihren ganz individuellen, südeuropäischen Stempel aufgedrückt hat, und die sich auch heutzutage nicht in irgendeine Genreschublade einsortieren lässt.
Die ihr Ding mit beeindruckender Disziplin, Konsequenz, Beständigkeit und großem Selbstbewusstsein durchzieht, deren Kernbesetzung, eine Familienangelegenheit, bis heute durchgehend stabil geblieben ist, wohingegen die musikalische Entwicklung viele zuvor unbekannte Pfade und Windungen aufweist.
Die stets am Puls der Zeit war, es wunderbar versteht, Blastbeats, Samples und Monumentalchöre mit Tribalrhythmen zu stimmigem Schwarzmaterial zu verbinden, als ob dies das normalste auf der Welt wäre.
Die so Oldschool ist, dass sie bis heute kein Management beschäftigt, sondern alles bis hin zur Buchung der exzessiven Welttouren selbst macht, und vielleicht gerade weil sie so komplett bodenständig, Fan-nah und bescheiden agiert, viel zu lange unbeachtet und verkannt blieb, und daher erst spät in ihrer langen Karriere, dann jedoch mit Verve, ins volle Rampenlicht des metallischen Universums wie auch des E-Kulturbetriebs getreten ist.
Mit dieser umfassenden, mächtigen, tiefgehenden und gerade durch ihre Authentizität so berührenden Retrospektive schliesst sich ein Kreis: ROTTING CHRIST geben ihren alten Fans hiermit ein prächtiges Geschichtsbuch zum Erinnern und Schwelgen an die Hand, und dem bisher unbedarften, aber interessierten Szenebeobachter die Möglichkeit, sich in langen Nachhilfestunden Schritt für Schritt vorzutasten – in ihre ureigensten Gefilde voller Schwärze und Schönheit.
Ich wünsche uns und Ihnen, dass sie ihre Leidenschaft, ihre Kreativität und Energie noch sehr lange mit uns teilen werden; und wenn dieser etwas ausführlichere Rückblick dazu beitragen konnte, dass sich der eine oder die andere nun endlich auch auf die Spuren dieser Ausnahmeband begibt, hat sich die ganze Mühe gelohnt.
Wie sind solch epische Ausführungen abzuschliessen, was möchte die Autorin dem Leser mitgeben? Ganz klar, genauso wie die Band selbst es auch tut: NON SERVIAM! Κατά τον δαίμονα εαυτού! Allein der individuelle Weg ist stets der richtige.
https://www.rotting-christ.com/en
https://www.facebook.com/Rotting-Christ
LP-Diskographie ROTTING CHRIST:
1991 Passage to Arcturo (EP)
1993 Thy Mighty Contract
1994 Non Serviam
1996 Triarchy of the Lost Lovers
1997 A Dead Poem
1999 Sleep of the Angels
2000 Khronos
2002 Genesis
2004 Sanctus Diavolos
2007 Theogonia
2010 Aealo
2013 Kata Ton Daimona Eaytoy
2016 Rituals
2018: Their Greatest Spells: 30 Years of Rotting Christ