BOREALIS – The Offering
2018 (AFM Records) – Stil: Melodic Power Metal
Was für den Medizinlegastheniker klingt wie die Spätfolgen eines Zeckenbisses, führt bei dem Freund melodisch-befeuerter Metalklänge mit starkem Eiergesang zu ungeahnt hoch ausgeführten Luftsprüngen. Im Jahr der Kiffwurzlegalisierung in Kanada ist auch eines seiner seltenen emotionalmetallischen Flaggschiffe aus Ontario zurück mit einem neuen Album.
Die geliebten Trademarks sind sofort wieder da: feine Gesangslinien der Russell-Allen-Preisboxerklasse, stimmige Keyboardbackings, jubilierende Gitarren und – Moment – W.T.F.? Ehrlich störende Drums, die zu weit im Vordergrund im immerwährenden Doublebasstrauma fast durchgehend durch das ansonsten gelungene Werk BOLLERN. Ja, so wie ich es in kapitalen Lettern schreibend rausschreie, so gehen mir die scheinbar nur aus Bassdrum und TomTom-dröhnender Snare bestehenden Felle auf die gutmütige Laune.
Ist mir in der Art seit ‘St. Anger’, der letzten OMEN, diversen RUNNING WILD-Abtörnern oder dem billigen SHADOW GALLERY-Bontempikit des ersten Albums nicht mehr passiert, dass ich kaum noch Freude an der hier überaus gelungenen Musik empfinde. Für alle, die das nicht nachvollziehen können oder die es nicht stört, kommt das Brett aus einem Guss und die Höhepunkte ‘The Second Son’, das fantastisch gefühlvolle ‘The Devil’s Hand’, großes Kino mit ‘The Awakening’ und dem Finale ‘The Ghosts Of Innocence’ sorgen für kraftvolle Freude.
In Zeiten von immer noch unglaublich engstirnig religiösem Fanatismus auf der einen Seite und der bedingungslosen kapitalistischen Ausbeutung von Mensch und Planet durch ‘aufgeklärte’ Heuschrecken auf der anderen, ist das textliche Konzept über einen Kinderopfer praktizierenden Kult sehr inspirierend. Der Wahnglaube, mit diesen Huldigungen das Leid der irregeleiteten Menschheit lindern zu können und Gier als auch gesellschaftliche Fehlentwicklungen auf Kosten der unschuldigen Nachkommen auszumerzen, geht – wie auch hoffentlich bei elitärgedanklichen Weltanschauungen irgendwann in unserer Welt – nach hinten los, denn nur die nächste Generation kann der Schlüssel zur Veränderung sein.
Ich hoffe wirklich, dass sich Drummer Sean Dowell kein Eigentor geschossen hat – mit der Produktion, Mix und Mastering des Albums – und zücke hier stellvertretend für alle Angelo Sassos und ihre perfiden Triggerapparate eine rote Karte und sage: Machines kill handmade Music! Außerhalb des Metal darf natürlich gerne auch Elektro gehört werden, aber das ist eine andere Geschichte.
(8 drumignorierende Punkte abzüglich individuell wertbarer roter Karte)
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