TRIBULATION – Down Below
~ 2018 (Century Media) – Stil: Gothic Metal ~
Was macht eine richtig gute Platte aus? Eingängige, sofort mitreißende Gassenhauer? Groovige Rhythmen zum Mitwippen und Schwelgen? Epische Soli, in denen sich der Hörer verlieren kann? Der Wiedererkennungswert altbekannter Trademarks, für die eine Band so geschätzt wird, vielleicht sogar in neuem Gewand? Tricky Arrangements, Lieder mit Ecken und Winkeln, die einen immer wieder Neues entdecken lassen? Das smoothe Zusammenspiel und der lebendige Dialog der verschiedenen Akteure und Instrumente? Spannende Geschichten, die erzählt und miterlebt werden können? Ein roter Faden, der trotzdem völlig unterschiedliche Stile und Stimmungen erlaubt? Oder ganz einfach die Tatsache, dass sich die Songs heimlich in die Ohren schleichen und dort festsetzen, um einen ab sofort nicht mehr loszulassen?
Wenn nun all dies zutrifft, haben wir es nicht nur mit einer richtig guten Platte, sondern einem echten Klassiker zu tun. Und eigentlich trifft das oben genannte auf ´Down Below´ auch zu – TRIBULATION at its best. Die darkwavig-modrige, distanzierte Kühle, die gleichzeitig Freiheit und Weite atmet, der 70s Horror-Sound, die Reduktion, das eher Instrumentale, den Gesang fast unbedeutend erscheinen lassende von ´The Formulas Of Death’ ist genauso da wie das Drama, die opulent-barocken Gitarrenduelle, die hymnische Verspieltheit langer, erzählender Songs mit epischen Spannungsbögen, wie wir sie von ´The Children Of The Night´ kennen.
Nur – nennt mich eine Federfuchserin, nennt mich zu anspruchsvoll – leider fehlt diesmal eine ganz wichtige Zutat: die Leidenschaft. Sicher, in ihrer ureigenen, dark rockend-gotischen Nische, die mit Death Metal nur noch marginal gemeinsame Schnittmengen hat, ist Feuer generell eher Mangelware. Trotzdem hatte bisher die Kombination aus Johannes Anderssons rau-röchelnden Vocals und pumpendem Bass, mit den sich gegenseitig kreativ an-feuernden Gitarreros Adam Zaars und Jonathan Hultén, und nicht zuletzt dem sehr variablen, beckenlastig-Bonham´schen Groove des bisherigen Drummers Jakob Ljungberg den besonderen Reiz und die magische Anziehungskraft der Kompositionen der Schweden ausgemacht. Der von den DEATHSTARS kommende Neuzugang Oscar Leander bringt entsprechend mehr Industrial-Kante mit, was der Rhythmusfraktion einen leicht steril-kalten Touch gibt, der sich durch das ganze Album zieht und den gewohnten Bandsound entsprechend modifiziert. Veränderung ist wichtig, doch fühlt sich das Ganze noch nicht rund und organisch an, sondern so, als ob die Vier im kreativen Prozess der gegenseitigen Inspiration noch nicht wirklich wieder zusammengefunden hätten. Dementsprechend fallen die einzelnen Songs nicht nur stilistisch, sondern auch von ihrer Güte her sehr unterschiedlich aus. Obwohl, typische TRIBULATION-Hymnen wie die ersten beiden Videopräsentationen ´The Lament´ und ´Nightbound´ treffen zwar sofort den Nerv des erwartungsvollen Fans, leider hält dieser Effekt nicht lange an. Death Rocker der Marke ´Subterranea´ oder das überragende, gleichzeitig avantgardistisch wie todesmetallisch glitzernde ´Cries From The Underworld´ können mehr überzeugen – hier jubilieren endlich die Gitarren so flammend, wie man es von der exzellenten Live-Band gewohnt ist. Fans von MOONSPELL oder THE FIELDS OF THE NEPHILIM werden hieran Gefallen finden. Der Hochkaräter dieser Platte ist für mich jedoch das komplett aus der Reihe tanzende, experimentell-poppige ´The World´. Hier passt einfach alles. Der perlend-coole Drumsound, die synth-unterstützten Gitarren und vor allem der mächtige Drive dieses Goth-Rockers in SISTERS OF MERCY-Manier; zudem fügt sich das Video perfekt in das ästhetische Gesamtkonzept der Band ein. Vielleicht wird ja hier die Richtung vorgegeben, in die sich das Quartett zukünftig entwickeln kann – einen echten Schritt weg von der sicheren Seite des Gewohnten, mit dem Mut zu mehr Risiko, hin zum wirklich innovativ Neuen. Mit einem langen Atem ist darum durchaus noch Luft nach oben, um beim nächsten Mal einen wahren Genreklassiker zu erschaffen.
(7,5 Punkte)