ST. VINCENT – Masseduction
2017 (Caroline/Universal) – Stil: Art Pop
Sie veröffentlicht bereits ihr sechstes Album, eines davon 2012 (´Love This Giant´) mit David Byrne (TALKING HEADS). Sie stand 2007 bei einem Werk (´The Fragile Army´) in den Reihen der Kommune THE POLYPHONIC SPREE und war Mitglied der Live-Band von Tausendsassa SUFJAN STEVENS als 2006 ihre erste EP erschien. Aus der Boulevard-Presse hält sie sich fern: Annie Clark alias ST. VINCENT. Dass sie bis 2016 mit dem Model Cara Delevingne liiert war, ließ sich allerdings genauso wenig geheim halten wie ihre neue Beziehung mit Schauspielerin Kristen Stewart. Ihre Außendarstellung ist extravagant. ST. VINCENT spielt liebend gern mit Farben und Licht und bittet zum Interview gerne in einen rosa-fluoreszierenden Holzkasten eines surrealistischen Puppenhauses. Ihr Coverartwork zu ´Masseduction´ bildet da keine Ausnahme, auf dem sie nicht selbst, stehend in gebückter Haltung zu sehen ist.
Ihre Arrangements waren schon immer so komplex wie ihre Neo-Farbästhetik im Stil der Achtziger. Als selbst inszenierte Gitarrenheldin standen ihr Greg Leisz und Rich Hinman an der Pedal Steel-Gitarre, Kamasi Washington am Saxofon und Doveman am Klavier zur Seite. Zur Produktion trug Mark ‘Sounwave’ Spears den Beat bei und Jack Antonoff hielt als hipster Szene-Produzent die Fäden in den Händen. In dieser dystopischen Atmosphäre verschwimmen die Grenzen zwischen Mensch und Maschine, Natur und Synthetik. In Realität trugen obendrein Jenny Lewis und ihre ehemalige Liebschaft Cara Delevingne Gast- und Hintergrundgesänge bei.
Den ehemaligen Grenzen aus Chamber und Indie Rock ist ST. VINCENT längst entronnen. Der Art Pop speist sich aus Pop, Elektro, Rock, Psychedelic, Funk und New Wave. Nicht zu überhören sind DAVID BOWIE und die TALKING HEADS, PATTI SMITH und offensichtlich KATE BUSH als ihre Inspirationsquellen, PINK FLOYD und die Gitarristen von KING CRIMSON überraschen in dieser Aufzählung dennoch.
Alle Lieder geben trotz gewahrter Distanz mehr als zuvor von Annie Clark preis. Die Kernpunkte versprechen kein Verlustalbum über Liebe, Schmerz und Trauer, Sex and Drugs bleiben gewahrt. Düstere Beat-geschwängerte Hymnen (´Hang On Me´) stehen neben roboterhaften Background-Arrangements, die ihre Menschlichkeit erst nach Gitarrenbombardement in einem himmlisch lieblichen Gesang mit Saxofon in den Artrock führen (´Pills´). Strahlender Funk Rock (´Masseduction´) sowie im Verbund mit R&B (´Savior´) trifft im Cyberspace auf pulsierende Synthschwaden (´Sugarboy´). Das Gegenstück zu ihrer ersten Single (´New York´) liegt zwischen dem Beat der Großstadt (´Young Lover´) im großen Pop-Moment (´Los Angeles´). Als Kontrast sticht eine Klavierballade im abermaligen Gedenken an New Yorks Johnny (´Happy Birthday, Johnny´) und die Streicher zum Abgesang, zum letzten Tanz mit den Geistern (´Slow Disco´) heraus. Ist der Rauch verzogen (´Smoking Section´) sitzt Annie Clark am Klavier, während die Pedal Steel wehmütig klagt: “It’s not the end”.
ST. VINCENT ist von ihrer chamäleonhaften Wandlung wie einst allein der Thin White Duke, dessen Tod auch ihre erste Single inspirierte, der perfekte Popstar des Glam Rock im Disco-Zeitalter. Artpop 2017.
(8,5 Punkte)
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