CHRONUS – Chronus
2017 (EMP Label Group) – Stil: Heavy Metal
Was tun die denen in Schweden denn bloß ins Trinkwasser? Aber vielleicht sind es ja auch von Außerirdischen dorthin gebündelte extraterrestrische Groovestrahlen? Oder liegt es wirklich einfach nur in der frischwürzigen Luft? Am Ende wird ein Drittel der Einwohner gleich mit einer Gitarre im Arm geboren? Es muss doch irgendeinen Grund geben, der ein für alle Mal erklärt, wieso das Land der Schären und Seen ständig so viele tolle, hochtalentierte Bands aus allen möglichen Bereichen der Pop- und Rockmusik hervorbringt?!
Das neueste Beispiel sind die 2012 in Helsingborg gegründeten Zeitwächter. Ihr selbstbetiteltes Debüt wurde kürzlich von David Ellefsons (MEGADETH) Label herausgebracht, und wenn es nächstes Jahr dann auch in den USA erscheinen wird, garantiere ich für nichts mehr – den vier Jungs könnte dort eine ähnlich rasante Karriere bevorstehen wie ihren Landsleuten von GHOST, denn nicht nur deren Stammpublikum dürfte sich die Finger lecken nach diesem exquisiten Schwedenhäppchen aus klassischem Heavy Metal-Vibe und pop-punkigem 90er-Skandinavien-Rock mit progressiven MeloDeath-Einsprengseln. Wobei mein kläglicher Umschreibungsversuch der stilistischen Vielfalt, den schillernden Ausdrucksmöglichkeiten und vor allem der beeindruckenden Professionalität und Eigenständigkeit des Quartetts bei weitem nicht gerecht wird, selten habe ich ein so reifes, tiefgründig-anspruchsvolles, dabei aber vor allem dermaßen eingängiges und lässiges Debüt mit extrem hohem Spaß- und Ohrwurmfaktor gehört – für mich einfach DIE Heavy Metal-Neuentdeckung des Jahres!
Die uns wohl schon früher ins Haus geschneit wäre, hätte nicht 2015 der tragische Tod des ersten Drummers die Band aus blutjungen Freunden in den Grundfesten erschüttert. Vielleicht resultiert ja die unglaubliche, fast schon abgeklärte Souveränität in Musikalität, Sound und durchdachtem Konzept aus dieser dramatischen Umbruchsphase?
Eine kleine Show-Parallele zu den weiter oben genannten Geistern aus Linköping ist übrigens die akzentuierte Rolle des Sängers/Rhythmusgitarristen: der weißgekleidete „Baron“ ist Image-mäßig der Chef im Hause, die Identitäten aller Musiker sind jedoch kein Geheimnis, trotz ihrer Jugend sind die Herren gut im schwedischen Metal vernetzt, so probt man beispielsweise im selben Gebäude wie SOILWORK und konnte zusammen mit Richard Larsson (u.a. SABATON, THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA) seinen Erstling aufnehmen. Und was hat der werte Hörer nun von selbigem zu erwarten? Der ‚Baron’ kommt gleich jugendlich-ungestüm daher und macht mit Sebastian Axelssons scharf bis rau-croonender Stimme bekannt, die man irgendwo zwischen Ozzy und Brent Hinds verorten könnte, und die der Band als absolutes Alleinstellungsmerkmal sicherlich sehr gute Dienste leisten wird. ´Setting Sun’ zeigt eine nachdenklichere, fordernde und sehr dynamische Seite der Schweden und gibt der immer wieder aufjubelnden, sehr versierten Leadgitarre von Svante Furevi viel Platz, der sich bereits Live-Meriten bei SOILWORK erspielen konnte und mit seinem selbstbewusst-phantasievollen Spiel durchgehend zu begeistern weiß. Die ‘Avarice’ könnte sich auch unersättlich mit dem NIGHT FLIGHT ORCHESTRA in der glamourösen PanAm-Lounge suhlen, es gibt sie stets im Hintergrund, im Sound zu entdecken, die 70er Retrorock-Anklänge, aber sie sind dermaßen raffiniert mit klassisch-modernem Schwedenmetal vermengt, dass es keineswegs angestaubt, sondern erfrischend neu und spannend klingt. Neben mehrstimmig-harmonischem Chorgesang stechen auch hier wieder ganz besonders die selbstbewusst-phantasievollen Gitarrenleads heraus, Oliver zupft dazu einen krassen, spanungsvollen Bass und Jonatan legt ein rotziges Rock ’n’ Roll-Schlagzeug unter das Ganze. ´City Of Light’ verbindet mit seinem Widerhakenriff, dem verzögerten Tempo und der düsteren, mysteriösen Stimmung die Stärken der Landsleute von GHOST mit der Variabilität MASTODONs, ist aber vor allem ein perfekt dimensionierter Ohrwurm und einer der Tophits auf dieser Platte. Den brillanten Abschluss bildet schließlich ´Hold Me (Set Me Free)’, dieses unfassbare Über-Epos kommt zuerst mit einem orientalischen Touch daher, um bald in TRIBULATIONartige Melancholie und Spannung umzuschlagen und schließlich Jamsession-artig zu enden. CHRONUS nehmen sich dazu sehr viel Zeit und spielen ihre sämtlichen Ideen aus, all ihre Stärken als Songwriter wie Musiker werden wunderbar gebündelt, und wenn nach dem letzten Riff dieser Erstling abrupt zum Ende kommt, gibt es gar keine andere Wahl, als Endlosschleife einzuprogrammieren und sofort wieder vorn vorne zu beginnen.
Was für ein Erstling! Das gibt fette 9 Metal-Newcomer-des-Jahres Punkte! Und ich will die Jungs ganz bald mal auch auf deutschen Bühnen sehen…
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