ELECTRIC MOON – Stardust Rituals
2017 (Sulatron) – Stil: Acid Rock
Dave und Lulu haben es getan, sie haben es wieder getan. Es gibt eine neue ELECTRIC MOON-Scheibe. Das mag für die meisten Menschen da draußen in etwa so aufregend sein, wie das Umfallen eines Sackes voller Reis im größten ostasiatischen Staat, aber Freunde gepflegter, psychedelischer Jamrockmusik flattern außer sich vor Freude und wild zwitschernd wie die Vögel an einem Frühlingsmorgen umher, wenn sie nur daran denken. Doch was genau bietet uns das Album? Same procedure as every year? 50 Minuten Monolithen-Jams, bei denen die Protagonisten ebenso wie die Hörer an sich außerkörperliche Erfahrungen machen? Freiformatige, auf Rockgrooves basierende Improvisationen, die verhalten beginnen und dann Fahrt aufnehmen, nur um kurz vor Toresschluss wieder in sich zusammenzufallen und langsam ins Nichts zu fließen?
Neu ist auf ´Stardust Rituals´ alles freilich nicht, Innovationen finden wohl auf anderen Platten statt. Hier machen Musiker aus Leidenschaft das, was sie immer schon gerne getan haben, was ihre Seele ihnen gebietet. Aber doch, sie sind zugänglicher geworden, haben ihre Songs gestrafft und eternaler gemacht. Der ätherische Gesang beim Opener ´The Loop´ gibt dem Stück beinahe Songcharakter. Die intensiven Melodien der Orgel und die betörenden Gitarrenläufe unter den schweren Riffs, welche auf treibenden, hypnotischen Rhythmen laufen, sorgen für eine Grundeingängigkeit. Doomige, repetitive Riffs und erneut verzaubernde weibliche Gesänge gibt es auf dem Zehnminüter ´Stardust (The Picture)´, bei dem die Fuzzgitarre im WahWah-Fieber über den Grundstrukturen intensiv zwirbelt. Du wirst förmlich in einen schier endlosen Wirbel gesaugt. Auch mit diesen dezenten Gesangsmelodien sind ELECTRIC MOON weit fort von regulärer Popmusik. Gejammt wird nunmehr im Rahmen der Komposition, wiederum aber auf faszinierend tighte Weise. Lulu und Dave sind bestens eingespielt, als Musiker wie auch als Menschen. Das blinde Verständnis der beiden, die spirituelle Einheit, zeigt sich an allen Ecken und Enden des Albums. Der Gesang kommt auf diesem Werk übrigens von Lulu, der Kometenfrau, die nebenher einen prachtvollen Bass zupft. Betörend, beschwörend, schier magisch ist die Ausdruckskraft ihrer Stimme und eigenwilligen, eine gewisse Monotonie nicht entbehrenden Melodiebögen.
Nach so viel doomiger Schwere braucht der Hörer etwas Leichtigkeit. Sitarklänge, schwebende Gitarren, Bass und Schlagzeug, die ausgelassen umeinander tanzen, bunte Melodienwirbel, die Reise per Anhalter zu den Sternen, der ´Astral Hitch Hike´ ist ein schöner, für ELECTRIC MOON Verhältnisse kurzer Psychedelic-Song. Eher modern, etwas spaciger, tiefsinnig und verträumt, durch die Grooves aber stets auf dem Boden der Tanzfläche bleibend. Kein Gesang, nur reine, instrumentale Läufe bestimmen diesen Song. ´(You Will) Live Forever Now´ ist dann am Ende des Albums der erwartete Sandwurm von einem Psychedelic-Jam, aber wiederum wirken die dezent aufeinander geschichteten Harmonien sehr komponiert. Der freie Fluss der frühen Tage ist Struktur gewichen, das Leben, in Form von Musik ausgedrückt, hat sich entwickelt. Und so fließt der Longtrack am Ende ganz harmonisch und ätherisch aus den Boxen, hat einen leicht jazzigen Grundbeat und immer wieder schön perlende E-Piano-Linien, die zur verregneten Herbststimmung der Melodien noch beitragen. Wie üblich beim Elektromond steigert sich die Intensität der Musik im Laufe der Zeit. Der Song schwebt mit seinen aufgetürmten Melodieschichten ganz wunderschön sowie erhaben aus den Boxen und versetzt den Hörer förmlich in einen Rauschzustand, in schiere Ekstase. Durch Wiederholungen im strukturellen Bereich und darauf liegende Spielereien der Leadinstrumente bekommt er seine Form, seinen eigenständigen Charakter. Ganz toll, ganz fantastisch und typisch für ELECTRIC MOON, auch wenn er bombastischer und melodischer denn je wirkt. Großes Kopfkino.
ELECTRIC MOON haben sich mit diesem Album gesteigert, sich selbst übertroffen und die Messlatte für vergleichbare Produktionen in die Höhe getrieben. Eroc, die alte Krautrocklegende von GROBSCHNITT, hat einen wahnsinnig intensiven, lebendigen Sound geschaffen, wodurch die Musik an Räumlichkeit und Tiefe gewinnt. Ein Pflichtalbum für Space-/ Jam Rock-Freunde, die nach einer Alternative zu den altehrwürdigen HAWKWIND suchen. Klasse!
(9 Punkte)