CALM BEFORE THE STORM
Interview mit Daniel Brönnimann
Das selbstbetitelte Album von CALM BEFORE THE STORM konnte tatsächlich sehr begeistern. Und so verschafft Euch unser Interview einen Einblick, wie es überhaupt zu diesem Projekt kam.
Hallo Daniel! Wann schwebten Dir denn die ersten Ideen für CALM BEFORE THE STORM im Kopf herum?
Ciao! Ja, das war wohl so gegen Mitte 2016. Das ganze entstand eigentlich relativ spontan. Ich wollte unbedingt ein eigenes Vinyl veröffentlichen und plante zuerst ein Album mit akustischen Covers härterer Lieder (v.a. DIO/RAINBOW). Da dies mit den Urheberrechten aber immer etwas komplizierter ist, wenn man es denn korrekt machen will, habe ich mich ganz einfach dazu entschieden, etwas Eigenes aber Aussergewöhnliches auf die Beine zu stellen.
Seit einiger Zeit bewege ich mich im illustren Zirkel der Schallplattensammler und wollte deshalb, quasi als Hommage ans Sammeln, ein Produkt generieren, welches alle Komponenten verbindet, die zum Sammeln dazugehören – beschränkte Auflage, ein nicht-alltäglicher Inhalt , spezielle Aufmachung und eine gehörige Portion Exklusivität. All das ist im Vinyl-Business möglich und könnte auf einer anderen Plattform nicht realisiert werden („vinyl-only“ ist cool, „CD-only“ naja, haha)
Sollte es von Beginn an ein durchgehendes Stück Musik sein?
In der Tat. Zu einem „normalen“ Album gehören einzelne Sequenzen, welche wir Songs nennen. CALM BEFORE THE STORM ist aber nicht normal.
Liegt mir hier eigentlich ein Song, unterteilt in A- und B-Seite vor, oder sind es zwei?
Eigentlich liegen dir so um die 30 Songs vor, welche ineinander gewoben sind. Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung meiner letzten ~15 Jahre Musik und auch meiner kommenden Monate und Jahre. Die meisten Leitmotive stammen aus ORYMUS-Alben (www.facebook.com/orymus.official), wo ich seit gut zwölf Jahren singe und komponiere. Es befinden sich aber auch zahlreiche Motive darunter, welche ich für noch unveröffentlichte Lieder in Planung habe. Es macht mich glücklich, wenn ich die Leute zum musikalischen Nachdenken zwingen kann. Denn viele Leitmotive können auf eine ganz verschiedene Weise interpretiert werden und fühlen sich in anderen Songs auf einmal ganz anders an. Es freut mich, diese gekonnt zu verstecken und es freut mich noch mehr, wenn sie jemand wiederentdeckt.
Ist die Gestaltung des Covers, ohne Albumtitel, ohne Liedtitel usw. bewusst etwas mystisch gehalten?
Absolut. Die Musik und das Zuhören stehen bei dieser Platte im Vordergrund. Deshalb wurde es auch auf Vinyl und nicht digital veröffentlicht. Hier geht es nicht darum, dass irgendein Dahergelaufener in seiner Pendel-Langeweile schnell CALM BEFORE THE STORM von Spotify streamt, worauf er aufgrund einer personalisierten 1-Mio Werbekampagne gestossen ist, nur um nach 1:35min gelangweilt weiter zu klicken. Bei CALM BEFORE THE STORM geht es darum, sich bewusst Zeit für die Musik einzuplanen und sich bewusst in einen anderen Gefühlszustand zu versetzen. Eine Liedabfolge oder zu viele andere Informationen auf dem Albumcover würden diesen Prozess nur unterbinden. Ich bin nicht besonders esoterisch veranlagt, aber CALM BEFORE THE STORM hat durchaus etwas Meditatives.
Besteht eine Beziehung zwischen dem Steinbock auf dem Cover und CALM BEFORE THE STORM bzw. der Musik?
Lyrisch interpretiert schon. Er befindet sich wahrscheinlich in einem geistigen Zustand, welchen ich als „Ruhe vor dem Sturm“ bezeichnen würde – dieser Moment in dem das Tier den Blickkontakt aufrecht erhält und, abhängig der Reaktion seiner Gegenübers, abwägt, ob es angreifen oder sich gelangweilt abwenden soll. Es ist ein Moment der vollkommenen inneren Ruhe und man fokussiert sich nur auf das absolut Wesentliche. Und das Wesentliche soll in diesem spezifischen Beispiel nichts anderes als die Musik auf ´Calm Before The Storm´ sein.
Bei diesem Tier handelt es sich übrigens um eine Eland-Antilope, die grösste Antilopenart des Planeten, welche meine Freundin auf gemeinsamer Safari in Kenia auf Kamera gebannt hat. Die Rückseite zeigt die Abendstimmung vor einem relativ dramatischen, nächtlichen Unwetter. Die Front- und Rückseite haben, nebst tollen Interpretationsmöglichkeiten also durchaus auch eine persönliche Bedeutung für mich.
Hast Du Dir mit dem Release selber das schönste Weihnachtsgeschenk in 2016 gemacht?
Vor allem auch ein arbeitsintensives Geschenk. Es war kein Zuckerschlecken alle diese Platten einzeln einzupacken und zur Post zu bringen. Zu meinem Glück gefiel das Konzept von CALM BEFORE THE STORM vielerorts und ich durfte mich einige Male auf den Weg zur Post machen. Es war also nicht nur ein Weihnachtsgeschenk für mich, sondern auch eines für viele andere!
Bist Du selber ein Vinyl-Junkie und kaufst alles nur auf schwarzem Gold?
Ich mag Vinyl durchaus, besitze auch einige Platten, als Junkie würde ich mich allerdings nicht bezeichnen. Es gibt viele, die beinahe fanatisch verschiedenste Versionen derselben Platte, Bootlegs und Alternativpressungen kaufen. Ich bewundere diesen Elan und das Durchhaltevermögen, kann mich selber aber nicht wirklich damit identifizieren. Ich bin vielmehr der Hörer als der Sammler – sprich, solange die Platte nicht kaputt geht, reicht mir ein Exemplar völlig aus! He, he.
Ist Deine CD- oder Vinyl-Sammlung größer?
Ich bin mal ganz ehrlich mit dir – ich höre im Prinzip fast nie Musik. Richtig bewusstes Musikhören (also nicht im Supermarkt oder im Auto) beschränkt sich bei mir auf vielleicht vier bis fünf Mal pro Monat. Ich komponiere praktisch rund um die Uhr Musik und dazu muss ich meinen Kopf frei halten. Es stellt für mich also nicht wirklich eine Entspannung dar, aktiv Musik zu hören, da dies sowieso den Hauptteil meiner Tage ausfüllt (mir geistert eigentlich immer irgendeine Melodie durch den Kopf).
Um aber spezifisch auf deine Frage einzugehen: Das wäre dann wohl die Plattensammlung, wenn auch beide recht übersichtlich sind. In meiner CD-Sammlung befinden sich noch einige Perlen aus grauer Vorzeit – CHILDREN OF BODOM, FAITHLESS oder eine umfangreiche Kollektion von DJ Bobo.
Wie sortierst Du Deine Musik? Alphabetisch und zusätzlich in Musikrichtungen unterteilt?
Meine eigenen Kompositionen nach Projekte/Datum. Die Musik auf meinem PC nach Bands und die Plattensammlungen sind unsortiert, wobei ich ungefähr weiss, in welcher Region sich was befinden sollte! Grins.
Wieso gibt es auf Deinem Vinyl keine beschriftete A- und B-Seite, Verwirrung stiften oder ist es irrelevant?
Eigentlich beides. Wie gesagt, ich will keine voreingenommene Meinung präsentieren, wie man die Platte denn hören soll. Einfach auflegen und abschalten ist die Devise!
Ist die “Pay-what-you-want”-Aktion eine geschickte Marketing-Entscheidung?
Ich habe festgestellt, dass die Vinyl-Sammler eine durch und durch ehrliche Gruppierung sind. Deshalb ist es mir auch bei niemandem vorgekommen, dass er die Platte für irgendwie 1 Euro haben wollte. Das gegenseitige Vertrauen hat sich dabei also durchaus ausbezahlt. Hinzu kommt, dass ich in der Schweiz stationiert bin und ca. 50% meiner Kunden aus Deutschland stammen. Aufgrund der tieferen Löhne in Deutschland sind sich diese dann oftmals nicht gewohnt 30-50 Euro für eine Platte zu bezahlen, was in der Schweiz für ein solch spezielles Objekt kein grosses Drama auslöst. So ist der flexible Preis auch gleich ein Mittel, mit dem jeder seine individuelle Kaufkraft miteinbringen kann. Über den Daumen gepeilt hat das übrigens wunderbar geklappt! Grins.
Bist Du von Deiner Musik so überzeugt oder denkst Du die Hörer kaufen das Vinyl eher, wenn sie es erst später bezahlen müssen?
Ich bin von der Ehrlichkeit der Käufer überzeugt. Auch der persönliche Kontakt mit mir (ich habe mit allen mehrere Emails ausgetauscht oder sie persönlich getroffen) hilft dabei sicher. Viele waren zwar trotzdem skeptisch und wollten zuerst probehören, was natürlich nicht möglich ist. Schlussendlich ist die Neugierde aber immer noch die grösste Qual der Menschheit und der richtige Musikliebhaber konnte sich dieses Schmuckstück einfach nicht entgehen lassen! Hehe.
Hattest Du die Musik eigentlich keinem Label angeboten?
Nein. Ich wusste, dass ich einen Grossteil der Exemplare durch meine persönlichen Kontakte, Mund-zu-Mund Propaganda und, wie soll es auch anders sein, Facebook loswerde. Ganz nach dem Motto „Selbst ist der Musiker“! Jetzt habe ich nur noch ein paar wenige Exemplare zu Hause, was super ist!
Rein theoretisch: Würdest Du das Album im Nachhinein in allen anderen Varianten produzieren lassen, falls nun eine Plattenfirma an Dich herantreten sollte?
Nein – mit diesem Schritt würde ich nicht nur mich selber, sondern auch alle meine Käufer verarschen. CALM BEFORE THE STORM ist ein Vinyl-only-Projekt und soll es auch bleiben. Um meine Glaubwürdigkeit zu untermalen, habe ich auch die Mutterplatten aus dem Presswerk entfernen lassen und bei mir zu Hause eingerahmt. Eine Nachpressung ist deshalb nicht ohne weiteres möglich.
Bei ORYMUS und der Rockband 2BAD bist Du Sänger, bei PLOUDERI spielst du sogar Schweizer Mundartmusik. Dein Geschmack scheint sehr vielseitig?
Ja, sehr sogar! Ich mag es eigentlich von ganz hart bis hin zu ganz weich – die Musik muss einfach gut gemacht sein. Meist fühle ich mich auch zu Kompositionen hingezogen, welche nicht sehr alltäglich sind. PLOUDERI ist zwar einfach verdaulicher Schweizer Mundart-Pop, wer aber genau hinhört, merkt sofort, dass viel mehr dahinter steckt als man zuerst denken könnte. Alles ist ausgeklügelt, musisch ansprechend und trotzdem einfach und abwechslungsreich. Die neuen Songs werden unglaublich, das prophezeie ich schon jetzt! Hehe.
Bist Du mit unterschiedlichster Musik aufgewachsen?
Ich würde schon sagen, ja. Wie jeder hatte ich auch meine Phasen, aber im Grunde genommen fühlte ich mich immer angesprochen von coolen Bands mit geilen Sängern. Der Sänger ist, was denn sonst, nebst der Komposition der wichtigste Instrumentalist, damit mir ein Song oder eine Band gefällt. Auch deshalb höre ich, wenn ich denn was höre, gerne die alten Meister – DEEP PURPLE, RAINBOW und wie sie alle heissen.
Hast Du in dieser Beziehung noch Idole?
Ronnie James Dio. Over and out.
Entspricht CALM BEFORE THE STORM dann Deiner eigenen, vorrangig bevorzugten Musikrichtung am ehesten oder ist die akustisch-elektrifizierte Ausrichtung Deinem Alleingang auf dem Album geschuldet?
Das entspricht eher einer Ausnahme. Ich wollte das ganze sehr minimalistisch präsentieren. Sobald das Schlagzeug reinkommt wird einfach alles, nicht nur produktionstechnisch, viel komplizierter und verwobener. Sobald ein Schlagzeug da ist, braucht’s dann wieder einen Bass, etc. etc., und das Ganze würde sich dann wieder wie ein normales Album anhören – soll es aber nicht! Auch deshalb war die Bariton-Gitarre, die ich für die Aufnahmen verwendet habe, einfach perfekt, da sie quasi einen halben Bass darstellt. CALM BEFORE THE STORM wurde beispielsweise auch ohne das sonst nicht aus dem Studio wegzudenkende „Click“ (Metronom) aufgenommen. Es ähnelt in gewissen Passagen also eher einem „Jam“ als einer fixierten Komposition. Aber genau das fand ich zu diesem Zeitpunkt irgendwie spannend und deshalb wollte ich diese Freiheit unbedingt ausnutzen. So entstanden Momente, welche sonst niemals entstanden wären.
Willst Du diese Musik auch eines Tages auf die Bühne bringen?
Sag niemals nie, aber ich denke nicht, dass es jemals soweit kommen wird! Grins.
Bleibt CALM BEFORE THE STORM eine einmalige Angelegenheit oder entscheidest Du dies erst nach dem Verkauf aller Einheiten?
Keine Angst – ich arbeite zurzeit mit Hochtouren an einem Folgeprojekt. Natürlich wird es konzeptuell wieder ganz anders, auf Schallplatte wird es aber sicherlich auch veröffentlicht werden. Ich will noch nicht zu viele Details verraten, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch diesmal wieder vielen Musikliebhabern gefallen wird! Grins.
Danke für das tolle Interview!