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GROBSCHNITT – Illegal

~ 1981 (Metronome, Brain 60.365), 2015 (Brain, Universal Music) ~


Anfang der neuen Dekade veröffentlichten GROBSCHNITT ein weiteres Studioalbum namens ´Illegal´. Im März 1981 herausgebracht, markierte es einen weiteren Markstein in der Bandgeschichte. Erstmals verbrachten sie fast ein Jahr lang mit dem Komponieren und Aufnehmen neuer Songs. In Drummer Erocs neuem Studio, der sich dieses von den Einnahmen seines Solo-Hits ´Wolkenreise´ in der Scheune des seit 1979 von der Band bezogenen Bauernhofs in der Nähe von Wuppertal eingerichtet hatte, verflogen die Tage und Nächte, bis sich die Band endlich mit ihrem neuen Bassisten Milla Kapolke und brandneuem Album unter dem Arm der Öffentlichkeit präsentierte.

Mit ´Illegal´ vollzogen GROBSCHNITT keineswegs einen Stilwechsel, allein der vorgegebene Weg von ´Merry-Go-Round´ wurde fortgeführt und ausgebaut. Die Songs waren überwiegend kompakter, ließen in der gewollten Live-Atmosphäre des Sounds die Rock-Attitüde zum Vorschein kommen und Gitarrist Lupo verstreute sogar zeitgemäß einige fette Hard Rock-Riffs. Den Schwenk zu deutschen Texten nahmen sie erst mit dem nachfolgenden Album vor. Dennoch würzten sie hier noch ihren Anspruch auf Internationalität neben den in Englisch vorgetragenen Songs mit Einschüben deutscher und französischer Textzeilen.

Das mit einer wunderbaren Melodie ausgefüllte ´The Sniffer´, zugleich samtweich und messerscharf vorgetragen, sollte daher genauso wie ´Mary Green´ die angestammte Fanschar entzückt haben. Obwohl die Keyboards bei letztgenanntem Song bereits zum Teil aufdringlich blubbern, schraubt es sich in progressive Höhen. Die Hütte brennt bei ´Space-Rider´ lichterloh, direkter Heavy Rock-Stuff mit einem interessanten Arrangement sowie bandtypischen Einschüben. Wunderbar, wolkenverhangen präsentiert sich dagegen das Akustik-Stück ´Silent Movie´ und wurde damals sogleich bei den Radiosendern zum Dauerbrenner, wohingegen das ebenso instrumentale ´Joker ´ schon fast zu aufdringlich mit seinen Keyboards jongliert, aber in seiner aufkommenden Dramatik überzeugt. Großartig düster, mit röhrenden Gitarren erklingt ´Simple Dimple´ und will sich mit seinem Chorgesang ins Hirn brennen. Dies übernimmt letztlich die wohlklingende Flower Power-Ballade ´Raintime´.

Mit dem Titelsong fabrizierten GROBSCHNITT einen ihrer großen Klassiker, der vor allem natürlich erst einmal die internationalen Anhänger mit den deutschen Lyrics und zugleich den Rest mit seinen brillanten Soundcollagen überraschte. Selbstverständlich wollten sie zwar nie zur Neuen-Deutschen-Welle gehören, gerieten freilich allein aufgrund der sprachlichen Komponente in die musikalisch breit gefächerte, neue Musikwelle, die alles vereinnahmte, hinein. Auch wenn Lupo selten solch harte Gitarrenklänge wie hier vom Stapel ließ.

Sie haben sich hier zu verantworten wegen illegalem Musizierens auf öffentlichen Plätzen, verbunden mit illegaler, gegenleistungsloser Verbreitung von textlichem und materiellen Gut in Tateinheit mit illegalem Pamphlet-Besitz und dem daraus resultierenden ruhestörendem Lärm.

Zur Feststellung ihrer Verhandlungsfähigkeit zunächst der Farbtest:

“Rot!” – “Himbeere.”
“Gelb!” – “Zitrone.”
“Grün!” – “Tannenbaum.”
“Schwarz! Schwarz!” – “Schwarz ist doch gar keine Farbe.”

Ist das erlaubt?
Ist das erlaubt?
Was ist erlaubt?
Wer ist erlaubt?

Zudem war der Song ´Illegal´ von seinem Konzept her ein echtes Statement gegen die Verfolgung menschlicher Illegalität. “Kein Mensch ist illegal” – ist heute aktueller denn je. Sei es die Illegalität von Immigranten, sei es die textlich beschriebene Illegalität, eine Klampfe in der Innenstadt zum Musizieren auszupacken, oder überhaupt eine Gitarre zu spielen, wie es einst RUSH in ihrem Sci-Fi-Epos ´2112´ beschrieben und somit das Verbot eine Allegorie der Freiheitsbeschränkung jeglicher Art darstellt.

Das Werk befindet sich, wie alle enthaltenen CDs der 2015 veröffentlichten GROBSCHNITT-Box, in einem edlen Mintpack, einem dünnen Gatefold-artigen Digipack und hat als Bonus einen Alternativen Mix von ´Silent Movie´ und ´Joker´ sowie Live-Versionen von ´Mary Green´, ´The Sniffer´ und ´Du schaffst das nicht´ anzubieten, um so auf die anvisierte Gesamtlauflänge jeder CD der Box von 79:10 Minuten zu gelangen. [Weitere Informationen zur Box und gesamten Bandgeschichte befinden sich hier]

Wer die bisherigen Remastering-Versionen nicht gehört hat, wird überrascht sein, welche vorher ungehörten Töne nunmehr zu Tage treten. Alle Feinheiten erstrahlen in ihrem vollen Glanze. So ist ´Illegal´ das Album einer 70s erfahrenen Band, die ihre diversen Fähigkeiten in ein vielschichtiges sowie pralles Rockalbum gesteckt hat.

(9 Punkte)

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