PlattenkritikenPressfrisch

BENT KNEE – Say So

~ 2016 (Cuneiform Records) – Stil: Art Rock~


Musik, die einfach unbeschreiblich klingt, kann nicht beschrieben werden. Ein Versuch sei dennoch erlaubt, insbesondere da es sich bei der Musik von BENT KNEE um solch außergewöhnliche Musik handelt.

Hohe Kunst für die Massen.

Musik, die ihren Anspruch förmlich herausschreit. Musik, die dabei niemals künstlich wirkt. Musik, die Gefühle offenbart und sie im leisen Flüsterton ebenso transportiert wie im orkanartigen Überschwang. Die Experimentierfreude ist zudem in allen Liedern allzeit hörbar, während das sechste Bandmitglied Vince Welch als Produzent und Sound Designer für die Ästhetik sowie die Atmosphäre, Klang und dessen Wirkung zuständig ist.

Im Mittelpunkt dieses Art Rocks steht natürlich – oder sitzt, sofern sie gleichzeig die schwarz-weißen Tasten malträtiert – die unglaubliche Courtney Swain, die größte Entdeckung seit Tori Amos vor einem Vierteljahrhundert hinter dem Klavier die Welt entzückte. Aber selbstverständlich ist das gesamte Bostoner Kollektiv um Gitarrist Ben Levin, den Violinisten Chris Baum, der großartigen Bassistin Jessica Kion und Drummer Gavin Wallace-Ailsworth zur Soundfindung wichtig. Jeder Musiker trägt hier einen immens wichtigen Anteil an der Musik von BENT KNEE.

So lässt sich schließlich kaum ein Lied gefühlvoller als Courtney Swain in ´Black Tar Water´ singen. Die mehrmaligen, unglaublichen vokalen Ausbrüche in schwindelerregenden Höhen scheinen nicht von dieser Welt – bis Gavin Wallace-Ailsworth die Ruhe endgültig von dannen trommelt und eine formvollendete melodische Gesangweise das Lied krönend beschließt. Sounds im Alarm-Modus eröffnen ´Leak Water´, einem Song der sich alsbald zum Finale aus einer ruhigen Singer-/Songwriter-Atmosphäre über bombastische Wallungen in einen harmonischen Höhepunkt auflöst. Oftmals besteht diese Grundstimmung aus einer klassischen, amerikanischen Singer-/Songwriter-Stimmung in der oberen Kategorie eines RANDY NEWMAN, die sich in vielerlei Ausbruchsvariationen entlädt. In dem exaltierten Meisterwerk ´Counselor´ täuscht Gitarrist Ben Levin fette MUSE-Riffs an, die jedoch in einer vollkommenen Laid-back-Stimmung ausgebremst werden. In ´EVE´ kocht die Atmosphäre hingegen dermaßen hoch, dass die Stimmung orchestral irrsinnig aufbrandet. Ein echtes Epos zwischen Zärtlichkeit und schierem Wahnsinn. Spätestens ab hier wird die Experimentierfreude von BENT KNEE spürbar. Fernöstliche Klänge bestimmen dann das kurze Interludium und den anschließenden Beginn von ´The Things You Love´, das aus der sphärischen Zurückgezogenheit erst zum Ende hin mit wortlosem Gesang von Courtney und einem einsetzenden, voluminösen Chor laut beschließt. Das wahnsinnig hyperventilierende ´Commercial´ löst das sanft über den Wolken tänzelnde ´Nakami´ ab und ´Hands Up´ gönnt sich überraschend einen Refrain im Sinne des modernen Girlie-Pops. Tanzschritte sind hoffentlich längst eingeübt, denn Endstation ist leider bereits das mit ruppigen Streichinstrumenten versehene ´Good Girl´.

Obwohl das dritte Album von BENT KNEE ´Say So´ abermals anders als seine Vorgänger ist, zementiert es den großen Wiedererkennungswert und belegt durchgehend die Einzigartigkeit der Band. Holy holy holy.

(8,5 Punkte)

http://www.bentkneemusic.com/
https://bentknee.bandcamp.com/

 

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"