IHSAHN – Arktis.
~ 2016 (Candlelight Records/Spinefarm) – Stil: Avantgarde Metal ~
Gerade wegen des Bombasts, seiner Dunkelheit sowie seiner experimentell umfassenden Geschlossenheit durfte der Vorgänger ´Das Seelenbrechen´ geliebt und gehört werden. Nun stellt Vegard Sverre Tveitan, alias IHSAHN, zwar nicht alles wieder auf Anfang, das würde nach der kurzfristigen Erweckung von EMPEROR vor zwei Jahren auf einigen Festivalbühnen die Rückkehr zum Black Metal bedeuten, sondern legt eigenen Aussagen zufolge wieder verstärkten Wert auf wiederkehrende Melodien und das gute alte Gitarrenriff. Zumindest auf den Promotion-Fotos seines sechsten Solo-Albums sieht er aus, als wäre er gerade tatsächlich durch die Arktis mit einem Hipster-Bart und Reinhold Messner gewandert. Im Sinne des Konzepts natürlich anstelle von Reinhold Messner mit Fridtjof Nansen, der als Polarforscher 1888 als erster Grönland über das Inlandeis durchquerte, die Techniken der Polarreisen revolutionierte und somit alle späteren Expeditionen in Arktis und Antarktis maßgeblich beeinflusste.
Manchmal kann sich sogar ein Rückschritt progressiv auswirken. So beginnt ´Arktis.´ einerseits mit ´Disassembled´ klassisch im Sinne der Frühwerke Ihsahns, zurück zu ´angL´ aus 2008, zuweilen viel weiter zurück zu ´The Adversary´ aus 2006. Andererseits trägt allein der Gesang seines Schwagers Einar Solberg (LEPROUS), der auch den Song ´Celestial Violence´ wunderbar veredeln darf, zu einer Auffrischung des Sounds bei. Da LEPROUS bekanntlich in der Live-Situation die Backingband von IHSAHN geben, sind auftauchende Elemente von diesen hier nicht allzu überraschend. Die Gitarren aus dem Power Metal-Lager in ´Mass Darkness´, das den Gastbeitrag von Matt Heafy ohne Schaden überlebt, schon eher. Eine Hammond-Orgel schenkt ´My Heart Is Of The North´ dann einen kleinen Ausflug in späte OPETH-Gefilde, ´Pressure´ gar einen Blick zurück auf ´Das Seelenbrechen´. Etwas Auflockerung verschaffen hingegen elektronische Klänge und werden vor allem in ´South Winds´ und ´Frail´ jeweils von klaren, himmlischen Stimmen gekrönt. Überhaupt gehen die teils wunderbar harmonischen Gesänge wie bei ´In The Vaults´ erst nach und nach in ihrer Pracht auf. Nicht nur hier lohnt es sich, die Meister der 70er Jahre zuvor studiert zu haben. Ein ordentliches und natürlich gutes altes Riff darf sich Ihsahn für ´Until I Too Dissolve´ zuweilen aus dem reichhaltigen Fundus eines Eddie Van Halen ausborgen. Dies kann selbstverständlich nur Jørgen Munkeby von SHINING mit einem Blackjazz-Solo auf seinem Saxophone in ´Crooked Red Line´ krönen. Die Spoken-Word-Performance des norwegischen Autors Hans Herbjørnsrud dient in den letzten annähernd zehn Minuten natürlich nur zur reinen Abschreckung.
Derzeit warten EMPEROR-Anhänger sowieso nur noch auf den Veröffentlichungstag der vielleicht größten Vinyl-Box aller Zeiten, auf das 24-LP-Box-Set von EMPEROR via Blood Music. Die Hölle wird gefrieren. Arktisch blau.
(8 Punkte)