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KAPELLE PETRA – The Underforgotten Table

~ 2016 (Skycap Music) – Stil: Indie Rock ~


Seit zwanzig Jahren ist die KAPELLE PETRA unterwegs. Die Band um Gitarrist und Sänger Guido “Opa” Scholz liefert dabei mit ´The Underforgotten Table´ ihr fünftes Album ab, das sie zudem per Crowdfunding-Kampagne finanziert hat. Wie immer ist die lebende Bühnenskulptur “Gazelle” mit an Bord und die beiden anderen Bandmitglieder Rainer „der tägliche Siepe“ Siepmann (Bass, Gesang, Orgel) sowie Markus „Ficken“ Schmidt (Schlagzeug, Orgel). Nicht nur das Coverartwork verspricht viel Spaß, sondern ebenso der Wortwitz aller Texte. Musikalisch und lyrisch lassen sie sich hingegen noch immer nicht von der Hamburger Schule vereinnahmen, sondern spielen ihren Rock in eigenen Gefilden, ohne jemals in einer Sekunde zur Parodie zu verkommen.

Dabei durchweht ihre Songs allzeit ein melancholischer Grundton, selbst bei solchen Liedern wie dem Single-Hit-Aspiranten ´Ja´ und `Morgen ist frei´ (“Morgen ist frei, nach uns die Sintflut”). Mehr als deutliche Zeitkritik (“Wie wär´s denn mit Frieden, das hatten wir schon lange nicht mehr, so ein richtig fetter Frieden”) spendiert die Band ebenfalls in verschiedenster Dosierung (“Keine Hose, keine Probleme, große Schnauze, keine Zähne, wer samstags fährt, darf die ganze Woche saufen, das sagt das Netz und dieses Gesetz, das kann ich kaufen”). Und deshalb liegen sie morgens um 6 Uhr im Bett, mit Jacke und Schuhe an, und haben die Arbeit nicht erfunden, die war ja eh schon vorher da und wo gehobelt wird muss man Späne aufheben und das lassen wir doch lieber mal.

Dazu erschallen solch melodische Lieder wie ´Arbeit´, mit seinen klasse dissonanten Toneinschüben, sowie ´Sensationell´ – und entzücken geradezu sensationell. Bei ´Befund´ konterkarieren sie die niedlichen Keyboard-Klänge mit einer gesanglichen und musikalischen Härte, rocken bohrend weiter (´Stau´) und setzen dem Indie-Rock eine neue Hymne mit Steigerung in abgefahrener Art hinzu (´Blut, Gehirn, Massaker´). Einzig ´Die Lehrer´ dürfte schließlich ebenfalls im Umfeld von den altgedienten Recken DIE ÄRZTE wunderbar ankommen. Selten spielen KAPELLE PETRA nämlich schwelgerisch leise (´Nicht ganz so laut wie sonst´) und einmal knackig kurz (´Statement´) auf.

In Erinnerungen kann nur derjenige schwelgen, der dabei war! Geht also mehr auf Konzerte. KAPELLE PETRA – demnächst in Ihrem Tanzcafé.

(8 Punkte)

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