STARQUAKE – Times That Matter
2015 (Pure Rock Records) – Stil: Heavy/Hard Rock
Die Hitze steht kurz vor ihrem Siedepunkt. Die Käfer sind bereits unruhig. Auf der Veranda des Baumhauses sitze ich leicht bekleidet und harre der Dinge, die da kommen mögen. Die Pilze liegen heute in Scheiben geschnitten nebenan in praller Sonne. Gesund leben, heißt das neueste Motto, denn in der Sonne getrocknete Pilze tragen weit mehr Vitamin D in sich, als schon von Natur aus in ihnen wohnen. Da hat die mittägliche Hitze doch ihr Gutes.
Während ich mich nun in meinem Schweiße suhle, kommt gerade der Nachbar eiligst um die Ecke und hat sogar ein Päckchen CDs unter den Arm geklemmt. Ein Cover, ganz oben liegend, springt mir sofort ins Auge. Der Name STARQUAKE prangt auf diesem wundervollen Cover, einem Artwork von Rodney Matthews, wie sogleich erkannt wird. So wie vor über dreißig Jahren ist das Cover wohl auch heute noch oft ein Grund, solch ein Werk der Sammlung einzuverleiben.
Bereits 2010 hat Mastermind Mikey Wenzel in Eigenproduktion eine Songzusammenstellung seiner gesammelten Kompositionen (´A Matter Of Time´) herausgebracht. Nun hat der Musikfanatiker in gut zwei Jahren neue Lieder komponiert, die er mit befreundeten Musikern unter dem Projektnamen STARQUAKE eingespielt hat. Und wie so oft in alten Zeiten, muss sich der Hörer das Werk mit seinem schönen Cover auch heuer schön trinken. Schön hören muss er sich die Musik von STARQUAKE nicht, denn die ist – auf ihre Art – schön bis wundervoll.
Dass Mikey nicht nur ABBA, BEATLES und QUEEN, sondern auch METALLICA und IRON MAIDEN mag, darf aus seinen neuesten Kompositionen selbstredend abgeleitet werden. Der Opener ´Scenes From A Revolution´ zeigt dabei nicht nur einen wohlkomponierten Song, der von seiner Klavier-Melodie lebt und einen Touch DEEP PURPLE beinhaltet, sondern auch die 80er Metal-Einflüsse, die mit 70s Prog- und Hard Rock kombiniert werden. Immer wieder lässt Sänger und Multiinstrumentalist Mikey in den Liedern den 70s Prog in seinen schönsten Momenten aufsprießen. Das bringt ein äußerst episches, schwelgerisches Feeling in die Lieder. Hier stehen sie den frühen ROUGH SILK um den Bad Hersfelder Ferdy Doernberg besonders nahe. Bei ´Close Encounter´ werden die Aliens auf dem blauen Planeten erwartet und die Geige/Hammond lässt eine rockige, aber eher Musical-artige Atmosphäre entstehen. Unter Zugabe von MEAT LOAF-Tinkturen entsteht ein Sound mit Live-Charakter, der echtes Rock Opera-Feeling aufkommen lässt. Diese Stimmung wird leicht in ´I’m Goin’ Mad´ fortgeführt, endet aber in einem vollkommenen GENTLE GIANT-Epigonen, der zu viel SPOCKS BEARD inhaliert hat.
Der Mega-Song ´Rise And Fall´ wandelt dann in seinen über zwanzig Minuten anfangs ebenso tongenau auf SPOCKS BEARD-Pfaden, obwohl niemand anfängt, “Thoughts are thinking, thoughts are coming, thoughts are screaming, thoughts keep coming” zu singen, bis er sich zu einem `Streets´ (SAVATAGE) trifft Krautrock-Song entwickelt. Von der Progressivität ähnlich wie BLACKLANDS, erschreckt aber hier des Öfteren, wie über das ganze Album hinweg, der nicht gerade immer wohltemperierte Gesang. Die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn wird hier tatsächlich unentwegt auf beiden Seiten der Linie überschritten. Die Geschichte des Karaoke-Sängers, der zum Rock-Star emporsteigen will, erfährt in der Mitte ihren schauderhaften Höhepunkt, als die Musik aus einem STATUS QUO-Riff plötzlich im Musikantenstadl landet. “Ja, lebt denn der alte Hanauer noch”, skandiert mein Nachbar urplötzlich. Ein kräftiger Klavieranschlag und die Akustische retten den Song glücklicherweise schnell wieder heraus. METALLICA-Riff-Einlagen mit `Chance´-Anleihen (SAVATAGE) dürfen hernach nicht fehlen. Die gesungene Zeile “The Karaoke King Is Dead” entwickelt sich dabei inklusive großem Gitarrensolo dennoch als krönender Gänsehautmoment.
`Here I Go Again´ könnte dagegen mit seinem Hymnen-Charakter dem Proberaum der Hamburger CHÂLICE entflohen sein. Bei ´The Needle Lies´ greift der Hörer in purer Verzweiflung zu den letzten Pilz-Vorräten, darf die Sonne halt weniger trocknen, da der Song für den 80s-Fanatiker zwischen himmlischem Refrain und modernem Programming hin und her schwankt. Im Titelsong, einer METALLICA-artigen Akustik-Ballade, darf zum Teil schon die Bruce Dickinson-Gesangsmelodie eingeübt werden, bis in `No More Hate´ die Ähnlichkeiten zu `Wasted Years´ von IRON MAIDEN unüberhörbar sind. Ob ´Whatever´ aus Unplugged-oder EXTREME-Zeiten stammt, ist nicht überliefert. Das über achtminütige ´Fairytale´ lässt das Album schließlich im Rock Opera-Stil ausklingen.
Der Hörer, am Ende mit Pilzen und Getränken übersättigt, kann letztlich nicht einschätzen, ob er einer Schülercombo oder einer hoffnungsvollen Nachwuchstruppe lauschen durfte. Es klang zumindest verdammt echt, obwohl die Einflüsse der Gruppe nicht zu überhören sind. Himmelhochjauchzend gruselig gern.
(5-8 Pilze)