METHEXIS – Suiciety
~ 2015 (Independent) – Stil: Art Rock ~
Immerhin hat der aktuelle THE ENID-Sänger Joe Payne seine Gesangsparts in Northampton unter der Anwesenheit von Nikitas einsingen können, während die anderen Mitmusiker wie Bassist Brett d’Anon (DELUGE GRANDER, BIRDS & BUILDINGS), Keyboarder Linus Kåse (Ex-BRIGHTEYE BRISON, ÄNGLAGÅRD) oder Drummer Walle Wahlgren (AGENTS OF MERCY) ihren Beitrag direkt nach Griechenland geschickt haben.
´Suiciety´ ist ein Konzeptalbum, das von der modernen Gesellschaft und ihren Zivilisationskrankheiten handelt. Wie in jedem anständigen Drehbuch beginnt die Geschichte mit ihrem Ende, um hernach von der Kindheit des Protagonisten, inklusive aller Kämpfe des menschlichen Daseins, bis in die Jetztzeit hinein, die Handlung zu erzählen. Das ausführliche Booklet, das ebenso wie die CD in einem extra Pappschuber im glänzenden Gatefold-like Digipak steckt, gibt mit seinen Lyrics weiteren Aufschluss.
Der Klagegesang “O my Brothers” lässt im düsteren, ruhigen sowie sinfonischen Eröffnungssong bereits das traurige Ende erahnen, bevor der Hörer wie in ´O Brother, Where Art Thou?´ auf die Odyssee seines Lebens geschickt wird. Aber Nikitas Kissonas überträgt nicht nur die Odyssee Homers in die Gegenwart, sondern nimmt wie in “Sullivan’s Travels”, einem Film aus dem Jahr 1941 über die Große Depression, Bezug auf die wirtschaftliche Lage seines Landes – auf eine Gesellschaft, wie er im Albumkonzept betont, die die klaren Warnungen nicht erkennt und auf den unvermeidlichen Zusammenbruch zusteuert. ´Remember, Fear’s A Relic´ ist anschließend mit seinem funkigen Touch und der Bläser-Sektion der ungewöhnlichste Song, lässt er eher CHICAGO oder BLOOD SWEET & TEARS auferstehen, könnte aber gut, mit seinem GENTLE GIANT-Mittelpart, in das Repertoire von ALIAS EYE passen, bevor das kurze, zärtliche ´The Windows’ Cracking Sound´ von Payne fast im Syd Barrett-Stil gesungen wird.
Ruhig setzt ´Who Can It Be?´, unter Mithilfe der Brass-Section, das Album fort, SUFJAN STEVENS scheint nicht weit, doch ein Akustikgitarrenintermezzo – unter kurzem, symbolträchtigen Anspielen der Hymne der Europäischen Union, der Instrumentalfassung des Hauptthemas ´An die Freude´ aus dem letzten Satz der ´Neunten Sinfonie´ Ludwig van Beethovens – trägt den Song sogleich in sinfonischere Gewässer fort. In ´The Origin Of Blame´ begleitet anfangs nur das Klavier den sarkastischen Vortrag (´You know, you can call me shame, and I will call you pain, yiuhu, yiuha let’s play, my favourite game, the origin of blame”). Ein Song, der in einem Musical exquisit aufgehoben wäre, bis der Klagegesang “O my Brothers” eine Steigerung einleitet, die in das ur-proggige Instrumental ´Prey’s Prayer´ übergeht und Nikitas´ Gitarre mit echter PINK FLOYD-Schlagseite aufjaulen lässt. ´Sunlight´ ist wunderbarster 70s Prog, nur mit Cello, Klavier und Gitarre, während `The Relic` etwas träumerisch erklingt und dabei sogar STEVEN WILSON einen neuen Refrain schenkt (“You told me that life is a game, the light is reflecting the lane, the minute I stepped on the path, all shadows resembled my past”). Und schließlich lässt Nikitas sein Ensemble unter leichtem Elektronik-Einsatz in ´Suiciety´ – immer bedrohlicher werdend – nochmals groß aufspielen, bevor er unbewaffnet, fast in den Himmel schwebend, seine Anklage vorträgt, ob denn keiner das Ächzen hört, niemand den Zerfall riechen kann?
Nikitas Kissonas´ ´Suiciety´ – eine Odyssee über das tragische Leben im Hier und Jetzt. In mehreren Akten. Ein wundervoller Akt künstlerischer Hingabe, Ausführung sowie Gestaltung.
(8,5 Punkte)
https://methexis.bandcamp.com/album/suiciety
08.06.15
Von: Michael Haifl