DEFYANCE – Reincarnation
~ 2015 (Markuee / Minotauro) – Stil: Melodic Heavy Metal ~
Was machen alte Freunde, die sich eines Tages wieder treffen, in den darauf folgenden Wochen oder gar Monaten? Wenn es sich um Musiker handeln sollte, werden sie sich alsbald wieder gemeinsam im Proberaum versammeln, um zuerst die alten Lieder einzustudieren und sich sobald an neues Liedgut heranwagen. Neue Songs zu kreieren ist zumeist, soll es zumindest die alte Form erreichen, das allergrößte Problem. Die amerikanischen Metaller DEFYANCE aus Iowa haben in diesem Jahr dagegen eine neue Variante des Comeback-Albums ausprobiert.
Gegründet im Jahr 1989, konnte bereits das – im letzten Jahr wiederveröffentlichte – erste Demo (`Voices Within´, 1992) überzeugen, doch erst das Album-Debüt (`Amaranthine´, 1996) verschaffte ihnen etwas mehr an internationaler Aufmerksamkeit. Mit Brian Harrington am Mikrofon und den beiden Gitarristen Brent A. Scott und Marcus Peterson wurde feinster US Metal, wunderbar melodisch und mit einem leichten Touch Komplexität versehen, geboten. Doch die Position des Sängers war in der Folge eher einem andauernden Wechsel unterzogen, da beim eigentlich mindestens, wenn nicht gar qualitätsmäßig noch größeren Nachfolger (´Time Lost´, 1999) Scott Andreas gesungen hat. Im Jahr 2002 sang das letzte Album (`Transition Forms´) sogar Lance King (BALANCE OF POWER, ILIUM) ein.
Bereits 2011 kamen Sänger Brian Harrington und Gitarrist Marcus Peterson wieder in Kontakt. Alsbald stießen Drummer Doug Beary und Brent A. Scott ebenfalls hinzu, so dass die alte, frühe Zusammensetzung wieder vereint war. Zuerst widmeten sie sich den ursprünglichen Versionen einiger alter Songs, die später mit Scott Andreas auf `Time Lost´ eingespielt wurden, und führten sie in ihr Ur-Arrangement zurück. So wird der Liebhaber von DEFYANCE in ein paar Songs auf ´Reincarnation´ auch vertraut klingende Teile entdecken. Zudem konnten weitere Songs aus diesen Zeiten genutzt werden und obendrein sind bei all den Sessions sogar neue Songs entstanden. Hier treffen sich sozusagen im Hier und Jetzt die Vergangenheit sowie die Gegenwart. Als Bonus schenkt die Gruppe ihren Hörern zu den acht Songs noch zwei sehr gut vorgetragene Cover-Versionen (RIOTs `Sign Of The Crimson Storm´ sowie FIFTH ANGELs ´Wings Of Destiny´) und die originale Demo-Version von ´Passing Of The Night´, einem Song von `Transition Forms´.
Der Opener `High Ground´ zeigt sogleich in eingängiger Form den melodisch, knackigen Metal der Amerikaner auf. Doch das flott nach vorne preschende ´Rangers Lead The Way´ kann diesen Beginn mit einem klassisch, progressiv sowie anbetungswürdigen Aufbau noch steigern. Außerdem wird mit der Ballade `Loved Honor More´ für eine prächtige, gediegene Unterhaltung gesorgt. Und wenn der Song `Fix Bayonets´ ein brandneuer Song sein sollte, obwohl dies anzuzweifeln ist, dann darf er bei den US Metal Songs des Jahres bereits ganz vorne mitmischen. `Devil Dogs´ beginnt geradezu episch, um zum Ende hin davonzueilen, während es ´From The Ashes´ selbstredend ebenfalls erreicht, diese magische, alte Stimmung aufblühen zu lassen, wie sie am Wahrhaftigsten natürlich der Bonus Song ´Passing Of The Night´, der in seiner Güte fast eine Conklin/Flores-Komposition sein könnte, vorweisen kann. Jeder Song ein Treffer.
´Reincarnation´ ruft nicht nur Menschen auf, die zuletzt OCEANS OF NIGHT oder ARTIZAN gelauscht haben, sondern einfach alle Menschen mit funktionierenden Geschmacksknospen. From the ashes the eagle flies.
(8,5 Punkte)