THE GENTLE STORM – The Diary
~ 2015 (Inside Out Music) – Stil: Folk-(Klassik)-Metal ~
Mit Arjen Lucassen und Anneke van Giersbergen stehen zwei weltbekannte Musiker hinter THE GENTLE STORM, doch aus der Erwartungshaltung des Hörers betrachtet, sollte die Band obendrein ein großer Paukenschlag, eine Art Befreiungsschlag für beide Musiker werden. Für Arjen Lucassen wäre nach vielen AYREON Werken erneut eine gewisse Zuwendung zum metallischen Universum, wie zuletzt bei STAR ONE, möglich und für Anneke van Giersbergen würde das Projekt vielleicht die Möglichkeit bieten, in alte THE GATHERING Landschaften zurückzukehren. Beide arbeiteten ohnehin bereits in der Vergangenheit zusammen – auf den beiden Meisterwerken ´Into The Electric Castle´ (1998) und ´01011001´ (2008). Doch große Künstler erschaffen nie ihre Musik aus der Erwartungshaltung ihrer Hörer heraus, sondern lassen Herz und Seele sprechen – so auch Arjen und Anneke.
Daher ist THE GENTLE STORM ein ‘Klassik meets Metal’ sowie ‘Akkustik Folk’ Album geworden, wie es Arjen Lucassen treffend umschrieben hat. Die Instrumentierung passt zudem hervorragend zu den vorgetragenen Liedern, da sich die belegte Geschichte tatsächlich im 17. Jahrhundert zugetragen hatte. Sie erzählt in der Form von Tagebucheinträgen die Geschichte von Joseph Warwijck (geboren im Jahr 1644 in Amsterdam) und Susanne Vermeer (geboren in Delft im Jahr 1647). Beide heirateten 1666, doch bereits im selben Jahr verließ Joseph mit dem Schiff der ´Dutch East India Company´ das Land in Richtung Indien. Zweieinhalb Jahre war er insgesamt von zu Hause weg, in der Susanne ihm viele Briefe schrieb. Diese in der Wirklichkeit existierenden Briefe zwischen beiden – über die Geburt ihres Kindes Michiel, Krankheiten, ihre Liebe und die Hoffnung auf eine baldige Zusammenkunft – waren zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten, bevor sie zu Beginn des Jahrhunderts wieder entdeckt wurden.
Für die musikalische Umsetzung konnte Arjen Lucassen natürlich alte Bekannte gewinnen – Ed Warby an den Drums, Johan van Stratum (Bass, STREAM OF PASSION), Joost van den Broek (Piano, STAR ONE, AFTER FOREVER). Zur Krönung wurde das komplette Album in zwei völlig verschiedenen Arrangements aufgenommen. Ein Album präsentiert die Songs in ihrer akustischen und folkigen Variante (“Gentle”), während alle Songs ebenfalls in ihrer eher bombastischeren Variante (“Storm) auf dem zweiten Werk aufgeführt werden, obwohl die Songs nie in echte metallische Gefilde vordringen. Anneke van Giersbergen singt durchaus wie ein Engel über den musikalischen Ideen von Meister Lucassen. Die Musik ist von Anfang bis zum Ende perfekt komponiert, wobei gleich zu Beginn ´Heart Of Amsterdam´ eine Melodie offenbart (“And the princes, lords and emperor, embrace the merchants’ houses (if only you were here) in the heart of Amsterdam, around the town hall, proud people crowd the alley (if only you were here) in the heart of Amsterdam”), die sich mit ihren Folk-Roots im Gedächtnis einbrennt. ´Shores Of India´ ist das große Epos, das über das gesamte Werk hinweg fortan scheinen dürfte, bevor `New Horizons´ formvollendet zum Schluss den Höhepunkt beschwört.
Eine bis zum bitteren Ende ergreifend nahegehende Geschichte. Darauf aufbauend haben Anneke van Giersbergen und Arjen Lucassen mit THE GENTLE STORM den ersten Blockbuster im laufenden Jahr im Segment Konzeptalbum/Folk/Metal erschaffen.
(8 Punkte)