NOBLE BEAST – Noble Beast
2014 (Eigenproduktion) – Stil: Heavy Metal
Kurz nachdem die Druckwelle alle brüchigen Holzsplitter wie eine reife Pusteblume weggeblasen hatte, entstand eine Stille. Der Nebel wurde im Dunkeln nur durch ein paar glühende Fixpunkte des Feuers durchbrochen. Noch immer hielt ich zitternd den Plattenspieler in den Armen. Mühsam konnte ich der Starre entsagen. Langsam erhob ich mich, stellte den Player in eine sichere Ecke und schaute nach Draußen. Die Menschen, die zuvor noch fröhlich im Kreis getanzt hatten, lagen nun verstreut auf der Wiese und krümmten ihre Körper. Mein kluger Nachbar hatte bereits vor der Explosion den Suppen-Kessel in Sicherheit gebracht und war auch selber in ausreichender Entfernung gewesen. Nun kümmerte er sich um die Leute und schaute von Gesicht zu Gesicht, immer mit der Frage auf den Lippen, ob es ihnen gut ginge und ob sie zur Stärkung einen Löffel voller Pilz-Suppe schlürfen mögen. Nach und nach rappelte sich einer nach dem anderen wieder auf und nahm zur weiteren Stärkung noch einen Löffel von der Suppe. Ein wahres Zaubergesöff, das mein Nachbar da zubereitet hatte.
Da die Stille unerträglich wurde, ging ich hinein und legte in dieser Nacht zur Sicherheit erst einmal eine CompactDisc ein. Meine Finger ergriffen zufällig das Album der amerikanischen Newcomer NOBLE BEAST aus Minnesota. Die Band existiert zwar schon seit 2007, doch bis auf ein Demo im Jahr 2010, konnte man noch keine Veröffentlichung vorweisen. Traditionellen Heavy Metal, gar Power Metal wollen NOBLE BEAST spielen und nennen selber als Einfluss IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST, DIO, HELLOWEEN, SYMPHONY X, KREATOR und EMPEROR. Letztere Gruppen kann man zweifelsfrei nach ausgiebigem Genuss vernachlässigen. Der Opener ´Iron Clad Angels´ zeigt nämlich sofort alle Trademarks der Band auf. Speediger und melodischer Metal, der von Rob ´Sir Robert´ Jalonens Bariton-Stimme geschmückt wird. Germanen Stahl in altbewährter Ausführung.
Die Lautsprecher trugen derweil die Klänge bis vor die Hütte, die von der mittlerweile wieder vollends genesenen Menschentraube aufgesogen wurde, wobei alle immer flotter den Kopf hin und her kreisen ließen. Als Hauptinspirationsquelle ist bei NOBLE BEAST eindeutig BLIND GUARDIAN zu nennen. Gerade das Arrangement und die Tonlage der Chöre, die fast in jedem Song dementsprechend vorgetragen werden, könnten geradewegs aus Krefeld stammen. Bei der Intonierung des Gesangs muss man aber nicht nur an Hansi Kürsch, sondern ebenso sofort an die Schweden FALCONER denken. Hinzu kommen noch einige neo-klassische Einschübe im Gitarrenbereich.
Mein Nachbar stand nun schon eine gefühlte kleine Ewigkeit neben den Lautsprechern und fühlte sich vor Freude (´Behold The Face Of Your Enemy´) fast ein 1/4 Jahrhundert jünger. Er schien sich kaum mehr halten zu können. Mit `Master Of Depravity` (“All bow down to me, mankind in slavery, contented in your servitude, but never truly free, all bow down to me, for all eternity, and though you curse my name, you need me all the same, so says the master of depravity”) erklang ein weiterer fetter Brecher. Die Köpfe vor dem Haus kreisten und kreisten, die Haarspitzen näherten sich dabei gefährlich den Flammen. Der Pilzduft wurde nun förmlich ins Haus und um meine Nase geblasen. Die Verführung stieg sekündlich an. Während mit `The Dragon Reborn´ das erwartete Krefeld-Futter erklang, wurden die Melody-Lines in `We Burn` (“It’s a time of hate and fear, full of misery and pain, but I look into your eyes my friend, and I know it’s not in vain, for amidst insanity, we must cling to our humanity, for all of our brothers, and all of the others, we will never falter, with righteous flame we burn”) und dem Titeltrack wohl schon unzählige Male verwandt.
Doch dem Mob vor dem Baumhaus konnte währenddessen gar kein Einhalt geboten werden. Voller Inbrunst versuchte man die lyrischen Ergüssen aus eigenem Munde erschallen zu lassen. Voller Anmut und voller Erhabenheit wedelten sie dazu heroisch mit ihren Armen zur Musik gen Himmel. Und mein Nachbar schenkte weiter reichlich seinen Pilztrank aus. Tröpfchen für Tröpfchen, Schluck für Schluck wurde aus dem Topf geschöpft, bis er restlos leer war. Zuletzt erklang `Nothing To Repent´, mein Nachbar betrat hastig das Baumhaus, berichtete verzweifelt vom leeren Trank und sank in einer gemütlichen Kissen-Ecke hernieder. „Ich bereue nichts“, stammelte er vor sich hin. „Ich bereue nichts“, ging es permanent weiter, während ich verwundert versuchte, den Sinn seiner Worte zu begreifen.
Plötzlich kam eine mir unbekannte Person herein, die nun eifrig auf mich einredete, in der Hoffnung von mir die eben angehörte CD zu erhalten und zudem mir glaubhaft versichern wollte, dass es sich bei NOBLE BEAST um das Album des Jahres handeln würde. Derweil nahm ich einen weißen Zettel, malte seelenruhig eine ´zehn´ und das Wort ´Punkte´ darauf und hielt es ihm vor die Augen. Voller Freude leuchteten diese auf und er dachte nun, ich würde seiner Einschätzung klar zustimmen. Erneut schrieb ich auf den Zettel eine Zahl und zwar in Klammern `1992´. Danach durchstrich ich alles und malte groß und unübersehbar eine `7,5` über die zuvor stehenden `zehn` Punkte. Mein Nachbar sang ohne Musik-Beschallung unterdessen ununterbrochen weiter, während der unbekannte Besucher beim Anblick des Zettels auf der Türschwelle zusammen brach.