CORMORANT – Earth Diver
~ 2014 (Eigenproduktion) – Stil: Progressive/Black/Folk-Metal ~
San Francisco gilt nicht nur als Brutstätte der edelsten Thrashbands, bis heute ist die Bay-Area ein Quell der musikalischen Inspiration geblieben. Ob traditionsbewusste Enthusiasten wie SLOUGH FEG, experimentierwütige Extremisten wie die Cello-Progger GRAYCEON oder komplett wahnsinnige Ambient-Sludge-Nerds wie die Tiefseeforscher von GIANT SQUID – wohl keine Szene ist lebendiger und vielfältiger als die der Metropolregion im Norden Kaliforniens. Auch CORMORANT stammen aus diesem kreativen Hotspot. Und würde die Metalwelt nach Innovationskraft sortiert, dann wären diese vier Idealisten in der Tabelle ganz oben dabei.
2007 gegründet kam die erste EP ‘The Last Tree’ bereits wenige Monate später auf den Underground-Markt. ‘Metazoa’, das zwei Jahre später veröffentliche Neun-Punkte-Debütalbum, hat in eingeweihten Kreisen längst Klassiker-Status inne. Dunkle Einflüsse von AGALLOCH, ENSLAVED und mittleren OPETH gingen auf dieser Scheibe eine organische, niemals angestrengt wirkende Verbindung mit melodischem Metal und Folk ein. Ein eigenständiger Sound, den CORMORANT auf ihrem Zweitling ‘Dwellings’ von 2011 weiter verfeinerten: Schwarzwurzel-Raserei traf hier auf die Verträumtheit des Progrocks und die kanalisierte Kraft des Doom und Thrash. Anspruchsvoll, mitreißend, ein einziger Rausch (ebenfalls klare neun Punkte).
Und dann der Schock.
Im November 2012 verabschiedete sich Sänger, Bassist und Sprachrohr Arthur von Nagel mit den besten Wünschen aus der Band, um seine Karriere als Videospiel-Programmierer voranzutreiben. Nicht wenige Fans gingen damals vom baldigen Ende CORMORANTs aus. Eine Fehleinschätzung, wie sich schnell herausstellte. Das neue Album ‘Earth Diver’, im Crowdfunding-Verfahren ohne Labelunterstützung finanziert, ist erneut eine Pflichtveranstaltung für scheuklappenfreie Extremrock-Fans geworden. Sieben teils überlange Songs plus ein Intro wollen entdeckt werden, Neu-Sänger und Bassist Marcus Luscombe, der für die Black-Metal-Vocals sorgt, unterscheidet sich zum Glück nur in Nuancen von seinem Vorgänger. Lediglich die drucklose, bisweilen unangenehm scharfkantige Produktion gilt es zu beanstanden. Abwechslungsreiche Kompositionen wie das eröffnende ‘Daughter Of Void’, das von Schneesturmgitarren gepeitschte ‘Sold As A Crow’ und die a la WOLVES IN THE THRONE ROOM bedrohlich düster zwischen Doom und Tollwut pendelnden ‘Waking Sleep’ und ‘The Pythia’ machen dieses Manko jedoch größtenteils wett. Mit dem floydig eingeleiteten ‘Broken Circle’, das auch MASTODON-Fans ansprechen sollte, und der episch angelegten Schlussnummer ‘A Sovereign Act’ haben CORMORANT ihrer Songsammlung zwei weitere Juwelen hinzugefügt. Im Gegensatz dazu kommt ‘Mark The Trail’ zu angestrengt aus den Boxen. Hier (und leider auch an ein paar anderen Nahtstellen) scheinen die Probleme der Band durch, den überborderden Ideenreichtum mit kompaktem Songwriting zu vereinbaren. Ob’s an von Nagels Abgang liegt, sei dahingestellt. Insgesamt gesehen dürfen CORMORANT-Freunde jedoch aufatmen. Enttäuschungen klingen anders.
(dicke 8 Punkte)