PlattenkritikenPressfrisch

IQ – The Road Of Bones – Special Edition

~ 2014 (Giant Electric Pea) – Stil: (Prog-) Rock ~


Weltberühmte Kapellen benötigen im Zenit ihrer Popularität meist sehr viel Zeit, um zwischen zwei Album-Veröffentlichungen ausgiebig das allerneueste Werk auf Tour zu promoten, wobei die Zuschauer oft nur wohlwollend wegen der alten Zeiten willen und den alten Hits vorbeischauen oder die Zuschauer nur die pure Angst zum Konzert treibt, der Künstler könnte bis zum nächsten Auftritt schon längst ein paar Fuß unter der Erdoberfläche liegen.

Junge Künstler, die am Anfang ihrer Karriere stehen, bersten hingegen meist vor mannigfaltigen Ideen und künstlerischem Schöpfungsreichtum über, so dass sie womöglich fortwährend neue Songs der noch nicht so zahlreichen Fan-Meute darbringen könnten.

Die im Jahre 1981 gegründete britische Rockband IQ setzt hingegen nur auf Qualität und lässt sich seit dem katastrophalen Abstecher unter die Fittiche eines Major-Labels Ende der 80er nicht mehr in die eigene Bandphilosophie hineinreden. Seit dieser Erfahrung veröffentlicht man alles nur noch über das bandeigene Label. Infolgedessen sind auch schon wieder fünf Jahre seit dem letzten Album `Frequency` vergangen. Die Zeit dazwischen konnte sich der Supporter u. a. mit dem Auftritt von IQ auf dem „Night of the Prog“-Festival 2011 an der Loreley und zahlreichen Wiederveröffentlichungen versüßen. Erst die Digipack-Version des klassischen Debüts `Tales From The Lush Attic´, das aber zuletzt auch noch in der Vinyl-Version erstanden werden musste, und dann das `The Wake´-Album in all seinen Varianten. Pflicht war natürlich die Anschaffung der 25th-Anniversary-Box-Edition mit drei CDs & DVD sowie noch die `The Wake – Live At De Boerderij`-Ausgabe. Und nun legen IQ ihr allerneuestes Werk `The Road Of Bones` vor, das es auch in einer Special-Edition mit Bonus zu erwerben gilt. Beim Bonus-Silberling handelt es sich nicht um eine sinnlose DVD-Film-Sequenzen-Aneinanderreihung, die kein Mensch sich jemals anschaut, sondern um eine mit weiteren neuen Songs prall gefüllte CD. Somit erhält der IQ-Fan gewissermaßen ein klassisches Doppel-Album. Zwei CDs mit jeweils ungefähr 50 Minuten Musik, die sich auch auf der zweiten CD keineswegs als minderwertiges Ausschuss-Material entpuppt. Ein über 100 Minuten langes neues Album also. Man hört schon die Propagandisten “Meisterwerk” schreien, und dies zurecht. Aber um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, bedarf es einer ganzen Reihe von Hördurchgängen.

Durch einige Besetzungswechsel spielen IQ heutzutage plötzlich wieder, bis auf die Keyboard-Legende Martin Orford, in ihrer Urformation mit Peter Nicholls (Gesang), Mike Holmes (Gitarre), Tim Esau (Bass), Paul Cook (Drums) sowie Neuzugang Neil Durant (Keyboards) auf. Der Sound von IQ hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten auch nicht allzu sehr verändert. Auf dem neuen Album kann zunächst ein teilweise kräftigeres Gitarrenspiel (`Knucklehead`) von Mike Holmes beobachtet werden. Der Einfluss des neuen Keyboarders Neil Durant verändert zwar nicht den wichtigen Soundflächen-Gesamteindruck von IQ, er kann jedoch an einige Stellen sehr wohl neue Ideen einbringen. Bei einem einzigen Song zaubert sein Keyboard-Spiel solche Sounds hervor, wie man sie so brillant zuletzt nur bei AIR bestaunen konnte (`Ten Million Demons`), während er bei einem anderen gar an frühe MARILLION gemahnt (`Without Walls`). Ansonsten kann der IQ-Sound, wie bei all den Alben zuvor, wie ein langsam fließender Fluss umschrieben werden, der immer wieder durch mal mehr oder weniger brausende Wasserfälle voluminös anschwillt und sich ergießt. Und auf diesem Fluss fährt einer der größten Sänger der englischen Szene, die markante und mit einem hohen Wiedererkennungswert gesegnete Stimme von Peter Nicholls, in einem Boot dahin. Sein Gesangsvortrag ist einfach und unprätentiös, aber mit solch einem überbordenden Gefühlsrausch gesegnet, dass es immer wieder eine wahre Freude ist, diesem Gesang zu lauschen. Bei etwas eingängigerem Songmaterial wie `From The Outside In`, `The Road Of Bones` oder `Ten Million Demons` ist es für einen Sänger nicht gar so schwer, wie bei längeren und ausufernden Songs, womöglich allein mit seiner Stimme, die Spannung durchgehend zu bewahren. Besonders in `Without Walls`, `Until The End` sowie `Constellations` bewältigt er diese Aufgabe mit Bravour, denn Nicholls ist ein Meister der ruhigen und auch der emotionsgeladenen Passagen par excellence. Wer auch nur einmal den Dynamiken zwischen Leise und Explodierend in Verbindung mit Nicholls´ Gesang im Titelstück gelauscht hat, sollte erleuchtet sein …

(9 Punkte)

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"