LEVIATHAN – Beholden To Nothing, Braver Since Then
~ 2014 (Stonefellowship Recordings) – Stil: Prog Metal ~
Der Adler steigt empor, er hat erneut die Kraft gefunden, in die Lüfte zu gehen, einen neuen Start zu vollführen und lässt die Flügel kräftig schwingen. Auch LEVIATHAN, die Prog-Metaller aus Colorado (USA), haben erneut alle Energie gebündelt und ein neues Werk vorgelegt. Nachdem es Mitte der 90er mit dem zweiten Full-Length-Album `Riddles, Questions, Poetry, & Outrage` und einer größeren Plattenfirma schon fast nach einem Durchbruch aussah, zerbrach im Anschluss an das nachfolgende Album 1998 der Traum und auch die Band selber. Doch wenigstens Gitarrist John Lutzow bemühte sich hernach mit BRAVER SINCE THEN musikalisch neue Pfade zu beschreiten, doch als nach und nach ehemalige LEVIATHAN-Members wieder zurückkamen, war eine Reunion von LEVIATHAN nicht mehr zu vermeiden. Auch Sänger Jeff Ward, der seit `Riddles, Questions, Poetry, & Outrage` dabei war, ist seit dieser Zeit wieder mit an Bord und so konnte in 2011 das Werk ´At Long Last, Progress Stopped To Follow´ veröffentlicht werden.
Nun ist die Band fast unverändert, nur am Schlagzeug sitzt jetzt Dave Rumbold, wieder da und lässt den progressiven und melodischen Metal-Liebhaber wieder gänzlich in den Songs versinken. Denn so wie man LEVIATHAN schon seit den ersten Alben schätzen und lieben gelernt hat, spielen sie auch heute noch ihren melodischen Prog-Metal, der vollkommen laid-back daherkommt, wie es jüngst im letzten Jahr nur ARTIZAN in etwas ähnlicher Art und Weise getan haben. Doch LEVIATHAN setzen natürlich noch künstlerisch einen obendrauf. Sie gehen noch mehr in die Breite und Tiefe jeglicher Songgestaltung. Der Sound ist passend zu dieser Musik – für ein von Lutzow und der Band selbst produziertes Album – äußerst gut geraten und keineswegs, trotz vieler Sound-Tüfteleien, überbordet. Das Mastering übernahm hingegen der nicht minder berühmte Ty Tabor (KING`S X). Angeblich hat man das Album sogar in einem Zeitraum von fast zwei Jahren aufgenommen und dabei ist Lutzow nicht nur an den Keyboards, sondern auch an kleinen Hintergrund-Spielereien so einiges eingefallen, die sich – wie früher – in kleinen Zwischenparts und einigen Instrumental-Stücken auswirken. Außerdem hat er im letzten Instrumentalstück auch den deutsch gesprochenen Ausspruch von Vitali Klitschko wörtlich integriert, der erzählt, dass er – als er psychisch am Boden lag – einen Brief vom legendären Max Schmeling bekommen hat und der ihm geschrieben hat: „Ich bin zigmal in meinem Leben am Boden gewesen. Aber das wichtigste: Man darf niemals am Boden bleiben, man muss Kraft finden, aufstehen und weitergehen.” Dieses Motto von Max Schmeling hat sich John Lutzow womöglich auch als Lebensmotto zu Herzen genommen, denn ansonsten würde kein neues LEVIATHAN-Werk vor uns liegen. Und `Beholden To Nothing, Braver Since Then` ist ein großes Werk geworden. Man könnte es fast als Konzeptwerk preisen, doch als echter konzeptioneller Song erweist sich nur das siebenteilige Opus `Religion: Superstition, Imposed Tradition & Spiritual Crutch of Human Crux`, das inmitten des Albums, von mehreren Songs vorneweg und hernach, eingebettet wurde. Auch wenn auf dem Konzeptsong die Progressivität etwas gesteigert wird und die musikalischen Fühler sich noch mehr, vor allem in den instrumentalen Parts, in andere Richtungen ausstrecken, kehrt der Songgedanke doch immer wieder zu seinem Thema zurück und präsentiert dem Hörer die episch angelegten Refrains.
#LEVIATHAN offerieren uns Musik, die weder barsch noch böse klingen mag. Boshaft ist die gesamte Welt auf diesem blauen Planeten schon zu genüge, aus der es mit der Musik etwas auszubrechen gilt, während die Welt immer mehr im Chaos versinkt, was das Album-Cover aufs deutlichste vermittelt. Doch auch die Texte des Albums sind keineswegs nur von lieblichem Klange, sie zeigen gar unvermittelt das Abscheuliche auf. Zwischen dem überragenden Eröffnungssong `A Shepherds Werk` („When you were the envy of crows, if not blendend then counting, tend to the flock and reap what you sow, a shedherds word is never done“) und der uneingeschränkt LEVIATHAN-typischen und vollends meisterhaften Hymne `Beholden To Nothing, Braver Since Then` hat sich weder ein schlechter Song eingeschlichen, noch mag das Niveau an irgendeiner Stelle stark sinken.
LEVIATHAN veröffentlichen mit `Beholden To Nothing, Braver Since Then` schon jetzt eines der wohl besten Alben des Jahres und nicht nur alle Verehrer zwischen FATES WARNING und QUEENSRYCHE, sondern Hörer jeglicher musikalischer Couleur werden hier angesprochen. Für Liebhaber der Band ist das neue Werk schon jetzt ein Klassiker, doch der Rest sollte schleunigst den Kreis der Verehrer erweitern, weil hier jeder Song den Hörer in monumentale Soundkaskaden versinken lässt, bevor eine fast sakrale Epic in den Refrains Tränen der Rührung oder eine endlos konstatierende Begeisterung hervorrufen wird.
(9 Punkte)