MAYFAIR – Schlage mein Herz, schlage
~ 2013 (Pure Prog Records) – Stil: Mayfair ~
MAYFAIR veröffentlichen nach einer Funkstille von fast 15 Jahren an der Release-Front ihr neues Album `Schlage mein Herz, schlage…`! Die österreichischen Avantgardisten, die mit ihrem Album `Behind` aus dem Jahre 1993 Metal-Geschichte geschrieben haben, waren in den 90er Jahren einer dieser ganz wenigen faszinierendsten und makellosesten Sterne, die am teils trüben Musikhimmel unfassbar hell und markant, aber leider nur für eine recht kurze Zeit dort droben strahlten.
Mit ihrem Demo `Find My Screams Behind This Gate` ließen sie zuvor im Jahre 1991 den gesamten Underground erbeben und manch ein Kritiker sah in ihnen schon den direkten Nachfolger von FATES WARNING oder auch WARLORD emporsteigen. Das Debüt `Behind` ließ dann die Band gänzlich zwischen Prog Metal, Rock und Psychedelic aufblühen. Vollkommen eigenständig und unvergleichlich warm setzten sie 1995 mit dem Album `Die Flucht` ihren Weg unbeirrt fort. Das bis zum heutigen Tage letzte Album `Fastest Trip To Cyber-Town` – aus dem Jahr 1998 – atmete dann noch mehr die Luft von grenzenloser Freiheit und ließ nicht nur alle musikalischen Barrieren hinter sich, sondern löste die allerheftigsten Beben aus, deren Ausläufer – insbesondere in Griechenland – bis heute noch zu spüren sind.
Doch die musikalische Geschichte von MAYFAIR geht nun glücklicherweise weiter und dürfte erneut für erdbebenstarke Eruptionen sorgen. Nachdem die beiden Ur-Mitglieder Mario (Gesang) und rEnE (Gitarre) um das neue Rhythmus-Gespann Johannes und Jolly (Bass und Drums) wieder seit längerem aktiv ist, war die Zeit mittlerweile mehr als reif für die Veröffentlichung von `Schlage mein Herz, schlage…`. Zwischen vertrauten Melodien á la MAYFAIR – mit unnachahmlich einnehmendem Gesang vom unwahrscheinlich charismatisch singenden Mario, der allerdings vermehrt mit deutschen Texten arbeitet, die sich dafür aber umso heftiger in die Gehirnwindungen des Hörers festsetzen werden – und vielfach psychedelischen Gitarrenläufen von rEnE, kann das neue Album eher als Missing-Link vor bzw. nach dem Album `Die Flucht` verortet werden, als ein direkter Nachfolger des letzten Albums `Fastest Trip To Cyber-Town´.
Die Macht der deutschen Sprache ist groß und so nutzt es Mario geradezu unbarmherzig und gnadenlos aus, den Hörer in solchen Songs wie `Schlage mein Herz schlage`, `Drei Jahre zurück` und `Du allein` im Innersten zu packen und Herz und Seele des Hörers gleichermaßen zu vereinnahmen. Für MAYFAIR ist mittlerweile jede vorgefertigte Schublade zu klein geworden, denn die vorgelegte musikalische Spannweite des Albums ist enorm. Niemand wird sie in eine bisher geprägte Stilrichtung nunmehr pressen können. Da ist es auch folgerichtig nicht verwerflich, wenn Mario passenderweise auf dem Album ganz selten seinen Gesang aus seinem tiefsten Inneren emporkommen lässt und in solch härteren Songs die komplette Gefühlswelt aus sich heraus freigibt. `Abendporno` ist so ein Stück. Einfach nur roh und wild. Kurz und prägnant, so zielgerichtet wird dem Hörer die Message vor die Stirn geknallt. `Firestorm` und `Bitter Or Sweet` sind auch Songs mit regelrechten Gefühlsschocks. Doch bis dato waren MAYFAIRs unvergessliche Lieder für die große Fan-Schar gerade solche mit markanten Textzeilen wie „Jippie jippie ja ja jeah-eaah, I´m gonna dance with my lady Madame Pest today“ (`Madame Pest`, von `Behind`) oder auch unvergleichbare wie „Ich brauche dich, allein, allein, allein, dengel dengel ding ding dong“ (`Sunlight` von `Die Flucht`) gewesen. Keine andere Combo konnte jemals mit solch einprägsamen, aber keineswegs banalen Texten, und gleichzeitig progressiven musikalischen Ausdrucksformen in ihrer nur ihr eigenen Art punkten. Und wer nun mehr als zweimal den neuen Titelsong gehört hat, wird diese Zeilen („Komm schlage, bitte höre hier nicht auf, schlage, schlage mein Herz, schlage, komm schon“) Wort für Wort in Bälde im Kopf eigenmächtig nachsingen können. Somit ist es der Band erneut gelungen, eines dieser Song-Diamanten auf ein Album zu bannen. Und wer noch nicht von `Drei Jahre zurück` nachts aufgewacht ist, der bekommt dann den endgültigen Schlag in die eigene Gefühlswelt beim so schön treffend betitelten Lied `Der Abschied` verpasst. Mit einem early-FLOYD-Feeling kreiert, wird hier jede Sekunde gnadenlos ausgekostet, besonderes die Sekunden in denen keine Töne gespielt werden. Das ist Kunst. Das ist ganz große Kunst. Das ist wahre Gefühlsfolter für die gepeinigte empfindsame Seele.
(10 Punkte)