AGONY COLUMN
~ Hellbilly Death Metal Onslaught ~
AGONY COLUMN war eine der abgedrehtesten Bands die jemals aus Texas kamen. Durch ihren Stilmix bewegten sie sich jenseits von Genres, machten eine genauere Beschreibung Ihres Stils fast unmöglich. Das Stirnrunzeln das sie damals erzeugten, würden die Texaner sicher auch heute noch erzeugen. Ihre Alben wuchsen mit der Zeit, nur wenige Fans konnten von Anfang an gleich auf die abgedrehte Stilodyssee ab. Das war sicher auch ein Grund, dass die damals in Austin ansässige Band niemals über einen kleinen Insiderstatus herauskam, leider. Denn eine Band die Songtitel wie `Cars, Sex & Violence`, `66 Six Guns`, `4X4` oder `Hellbilly Blues` im Gepäck hatte und deren Bandmitglieder sich Namen wie Devil Chicken, R.W.Viper oder Batlord gaben, hinterließen einen irritierenden Eindruck. Stilistisch war der AGONY COLUMN`sche Sound eine Zwitter aus Thrash/Punk und Hillbilly Einflüssen. Man muß es gehört haben um die zerstörerische Kraft der Songs zu realisieren. Die Band selbst bestand aus Sickos, würde ich jetzt mal frei behaupten. Habe selten skurrilere Zeitgenossen Anfang der Neunziger getroffen als diese vier Chaoten. Leider löste sich die Band in der zweiten Hälfte der Neunziger auf und hat der Musikgeschichte somit nur zwei brilliante Alben hinterlassen. Um allen Freunden eigenwilligen Metals eine der ungewöhnlichsten, aber interessantesten Texasbands näher zu bringen, haben wir uns mit Batlord kurz geschlossen und die Geschichte dieser abgedrehten Combo noch einmal aufgearbeitet.
“Die letzte Show spielten wir am 22.Juli 2000 im EMO in Austin. Das war jedoch eine Reunion Show. Unsere allerletzte Show als noch real existierende Band war im November 1997. Der Hauptgrund warum die Band sich auflöste, war Devil Chicken`s (echter Name Richie Turner und Sänger der Band) massives Drogenproblem. Er war seit Jahren ein Amphetamine Freak, aber immer ein enthusiastisches Bandmitglied. Gegen das Ende hin kam er mit Kokain in Verbindung und das war dann das Ende der Band. Er kam nicht mehr zu den Proben und die Band zerfiel. Billy (Bassist) spielte zu dieser Zeit schon in einer Punkband namens DROPKICK und war beschäftigt. So saßen Charlie (Brownell alias R.W.Viper, Drums) und ich gelangweilt herum und soffen Bier. Es gab kein AGONY COLUMN ohne Devil Chicken. Die Band war Geschichte.“
Was haben die einzelnen Mitglieder dann gemacht?
„Charlie und ich spielten dann für ein paar Jahre in ein Rockband namens T.A.N.G.. Nach ein paar Jahren hatte Charlie die Schnauze voll und hörte komplett auf Musik zu machen. Er lebt nun in einer kleinen Stadt südlich von Austin und hat eine Familie. Wir sind weiterhin gute Freunde, sprechen uns aber nicht sehr oft. Devil Chicken verfiel immer mehr den Drogen und war ein paar Jahre wie vom Erdboden verschwunden. Er tauchte kürzlich in Duckwater, Nevada auf. In gesundheitlicher Bestform! Er arbeitet in einem Indianerreservat und hat ebenfalls Familie. Ich glaube nicht, dass er noch in einer Band spielt. Billy lebt noch in Austin und spielt in einer Band namens HELLAPENO. Ich sehe ihn ab und an. Unser erster, ursprünglicher Bassist Crow hat`ne Band mit dem Namen CROW am Start. Und ich spiele bekannter weise inzwischen bei IGNITOR und nebenbei zusammen mit Jason McMaster von WATCHTOWER in einer JUDAS PRIEST Coverband namens SAD WINGS. Jason ist der Mann in Austin und kennt jeden und hat sich für die Band, die aus seiner Sicht, richtigen Leute rausgepickt. Ich bin K.K. Downing und von Englands SHADOW KEEP ist deren Basser Stony Grantham auch mit in der Band. Es ist ein Superspaß und die Leute drehen echt ab wenn wir auftreten.“
Kannst du uns ein Charakterprofil von jedem AGONY COLUMN Bandmitglied geben? Wer war der abgedrehteste in der Band?
“Devil Chicken war der Drogenabhängige aber auch der Typ mit den meisten Ideen. Er nahm Speed und war für Tage wach, schrieb Texte, machte alles für Geld. Er war meist zu lange wach und hatte daraufhin Amphetamine Psychosis, dann war er der Meinung er sei Jesus. Ich kam mal nach Hause, da spielte er mit sich selbst Murmeln. Sein Mund war das Murmelloch….. Als Crow zur Band kam war er 18 oder 19 Jahre alt. Er war ein notorischer Lügner und ein absoluter Motorrad Freak. Als ich ihn zum ersten mal traf erzählt er allerlei abgedrehte Stories, wie z.B., dass er mal in Japan gespielt habe und so Zeugs. Mittlerweile hat er das Lügen aufgegeben, aber er liebt immer noch das biken. Charlie war und ist ein Waffennarr. Er hasste Hippies, liebte aber GRATEFUL DEAD. Mit Charlie hing ich am meisten rum. Fast immer auf seinem riesigen Gelände außerhalb von Austin. Wir soffen und schossen dann immer. Ein Wunder, dass wir noch leben! Unser Lieblingsbeschäftigung war es SLAYER zu hören, betrunken werden und dann Haarspraydosen ins Feuer werfen und das Ganze mit einer Shotgun zu beschießen. Das Ganze explodierte dann immer zu einem riesigen Feuerball. Mit so was haben wir uns unterhalten. Ich glaube, ich bin inzwischen der Einzige der immer noch auf diesen Scheiß steht, Gitarre spielt und Bier säuft wie ein Pferd. Ach ja, Billy Chainsaw, der Crow später ersetzte, war Bodybuilder und Rausschmeißer in einer Titty Bar namens „The Crazy Lady“.
Ihr habt euch alle Spitznamen gegeben. Hatte das einen bestimmten Grund oder gibt es dazu eine Hintergrundstory ?
„Well, damals hatte es den Anschein, alle coolen Bands hatten Mitglieder mit groovy Namen wie Cronos, Grave Violator etc… Wir wollten ebenfalls cool sein und als Big Chief, unser erstes Plattenlabel, uns nach einer Bandbio fragte, schrieben wir eine Lügenbio und packten die coolen Spitznamen dazu. Die Spitznamen haben jedoch einen Hintergrund. Ritchie kam zu seinem, weil ein Typ der mit ihm in der Reha war, immer sagte, Ritchie würde wie ein Devil Chicken aussehen, wenn er seinen Kopf gegen die Wand knallt! Ich kam zu meinem durch ein BATHORY Album. Ich sah das Album in einem Plattenladen stehen und dachte die Band heißt „Batlord“. Ein Freund machte mich auf den Fehler aufmerksam und ich entschied mich dann diesen Namen für mich zu wählen. Charlie hat seinen Namen von seinen Red Wing Viper Boots die er immer anhatte. Billy hatte schon immer den Zusatz „Chainsaw“. Seit den frühen Achtzigern in der Punkszene hatte er diesen Namen. Ich habe nie gefragt warum eigentlich.“
`Gods, Guns & Guts` war das erste Album das AGONY COLUMN 1989 veröffentlichten. Auf dem kleinen US Indie Big Chief kam das Album raus. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
“ `GG &G` wurde im Sommer `88 ursprünglich für Passport Records aufgenommen, ist dann allerdings von Big Chief veröffentlicht worden. Wir bekamen damals 2000 Dollar vom Label für die Studioarbeit. Am Schluß schuldeten wir dem Studio immer noch 1000 Dollar, die wir nicht zahlen konnten, weil Passport Records ihr Business aufgaben. Zu dieser Zeit lebte ein Kumpel von Crow in New York und gab Brad Shiller von Big Chief Records unser Tape mit dem Album. Er bot uns einen Deal und etwas Geld an, was wir sofort annahmen weil wir es brauchten. So kam es, dass wir nicht mit dem Tape hausieren gingen. Ich erinnere mich daran die ersten Reviews zum Album gelesen zu haben, in denen stand, dass man den Stil der Band nicht beschreiben könne. Ein Mix aus Punk, Metal, Progressive Thrash und was auch immer.“
Hattet ihr schon von Beginn an so geklungen? Immerhin wurde die Band so um 1985 gegründet, oder?
„Ich traf auf Ritchie bei dem Job den ich damals hatte. Wir rollten beide den Pizzateig bei Mr. Gatti’s Pizza Parlor und stellten schnell fest, dass wir die gleichen Vorlieben hatten. Wir haben all unsere Zeit in einem Raum, kaum großer als ein Klo, verbracht, Teig gerollt und Musik gehört. Dazu träumten wir vom Rockstarleben. Ritchie sang zu dieser Zeit in einer New Wave Band die wie THE CARS klangen. Egal, jedenfalls gründeten wir eine Band, nahmen Crow und Charlie dazu und AGONY COLUMN war geboren. Wir klangen zu Beginn sehr nach Doom und sehr dunkel. Wir nannten es New Wave Doom. Die Leute schliefen bei der Musik ein, ohne Scheiß. Wir schrieben einen schnellen Song, `Walk From The Grave`, was sehr Rockabilly- mäßig klang. Als wir den zum ersten Mal spielten flippten die Leute aus und hüpften wir die Irren rum. Das hat uns mehr gefallen als die Leute in den Schlaf zu spielen, wir schmissen unsere alten Songs weg und schrieben nur noch schnelles, hartes Zeugs. Und je schneller wir wurden, umso mehr Leute kamen zu den Shows. So hat alles angefangen.“
Ihr habt euren Stil „Hellbilly Death Metal Onslaught“ genannt. Wie ist man auf diese Idee gekommen? Und bist du heutzutage in der Lage zu beschreiben was musikalisch auf eurem Debutalbum passierte?
„Ich denke, ein großer Teil unseres Sounds kam von meiner Vorliebe zur Speed Metal Gitarre und diese kombiniert mit Charlies Drumstil. Charlie hat ja zuvor nur in Punk- und Rockabilly Bands gespielt. Er hat nie Doublebassdrums benutzt, so war der schnellste Beat den er spielen konnte, ein simples „ompa“ und den Rest der Zeit hat er einen Shufflebeat gespielt. Schmeiß Ritchies teuflisches Gesinge mit rein und Crow`S Brummelbass und du hast den schrillen AGONY COLUMN Sound. Mit `66 Six Guns For Satan`, `Cars, Sex & Violence` und Not-Metal Songs wie `Black Jack` oder `Bag Of Bones` ist es daher kein Wunder wenn wir die Leute verwirrt haben. Interessant ist auch, dass `Black Jack` in Austin die Leute zum rasen brachte während wir für den gleichen Song in Florida in den Arsch getreten wurden! Die „Hellbilly Death Metal Onslaught“ Kiste war Devil Chicken`s Idee. Er war der Meinung die Phrase klang cool. Das lustige daran ist ja, dass auf `God, Guns & Guts` kein einziger Death Metal zu finden ist. 1990 war Death Metal eine universelle Bezeichnung für ein spezielles Genre des Metals, aber 1988 war der Begriff überhaupt nicht konform. Mit der Explosion all der Subgenres wie Speed-, Thrash-, Black-, Death-, Doom-, oder Glam Metal haben wir gar nicht realisiert, dass wir einen sehr unpassenden Stil unserer Musik zugeordnet hatten, was kurz nach der Veröffentlichung von `GG & G` zu schmerzhaften Erfahrungen führte.“
Für was für eine Art Publikum habt ihr damals in Austin gespielt?
„Wir haben sehr oft in Austin gespielt, aber auch in San Antonio, Dallas und Houston. Das Publikum war sehr gemischt, Punks, Metalheads, Skins. Wir haben zu einer interessanten Zeit angefangen in Austin zu spielen. Die Punk Szene war gerade zusammengebrochen, die kleine, Achtziger Jahre Metalszene mit coolen Bands wie WATCHTOWER oder MILITIA war fast verschwunden. Die Leute suchten nach neuer intensiver Musik, und in dieser Situation hatte AGONY COLUMN eine sehr unterschiedliche und enthusiastische Fanbase in Austin.
Habt ihr jemals eine volle US-Tour gemacht?
„Ja, einmal. Dann eine Westküstentour mit GWAR, ne Ostenküsten auch. Hier haben wir BIOHAZARD, L7 und die ROLLINS BAND supportet.”
Zwei Jahre nach dem Debut habt ihr dann `Brave Words And Bloody Knuckles` veröffentlicht. Geiler Titel übrigens. Das Coverartwork ist sehr Redneck-mäßig ausgefallen…bewusst?
„Wir haben die Band damals versucht zu etablieren und uns vom Rest der Bands optisch zu unterscheiden. Auf unseren Touren haben wir sehr viel Big Rig 18 Wheel Trucks mit den Rebelflags gesehen, was uns auf die Idee mit der Teaxs- und Rebelflag brachte. Ziemlich schnell hatten wir auf der Bühne alles voll Rebelflags hängen und es sah aus wie bei einem Rodeo! Wir wollten eben klarstellen wo wir herkommen.“
Da gibt es ein kanadisches Metal Mag mit dem gleichen Titel. Weist du ob die den Titel von euerer Platte übernommen haben?
„Ja, ich kenne Metal Tim den Herausgeber und weiß daher auch, dass er die Idee für den Namen von unserer Platte hatte.“
Das deutsche Label Koch International/No Bull Records brachte eure beiden Alben ein paar Jahre später in Europa erneut raus. Gleiches Coverartwork, aber der Rest des Artworks war verändert. U.a. gibt es ein Killerbandfoto bei `BW & BK`, wo Ritchie aussieht wie Adolf Hitler mit Fellmütze….!
„Ha,ha, ja Ritchie hatte ein kurze Phase wo er so rumlief. Er hatte immer so bescheuerte Ideen. Meine Ex-Frau hatte die Fotos damals gemacht. Ich habe noch nie eine Kopie dieses Re-Releases gesehen. Ich fand die Big Chief Artworks recht langweilig. Deshalb wurden bei den Re-Releases veränderte Artworks genommen, die besser zur Band passten. Mit Koch kamen wir übrigens in Kontakt weil sie unser drittes Album `Way Back In The Woods` finanzierten. Ich wusste bis vor kurzem nicht, dass das Album überhaupt veröffentlicht worden ist. Hier in den USA sowieso nicht, da Big Chief nach dem zweiten Album glaube ich, wegen finanzieller Schwierigkeiten sowieso aufgaben. Wir waren somit ohne Deal. Einer von Koch kam mal in Austin vorbei, hat sich die Band im Proberaum angeguckt und uns sofort ein Angebot unterbreitet. Auch für eine Wiederveröffentlichung der beiden ersten Alben. Klar, dass wir da gleich zugesagt hatten, wir waren ja ohne Label. Die haben damals die Kohle geschickt, wir haben das Album aufgenommen und von denen niemals wieder was gehört. Das war super seltsam. Wir dachten, denen gefällt das Album nicht und sie haben es weggeschlossen.“
Im Vergleich zu euren beiden ersten Alben ist `Way Back In The Woods` eigentlich eine musikalische Enttäuschung. Die Songs wirken dunkler, weniger hektisch, teils sogar melodisch und keinesfalls mehr chaotisch. Ich habe Jahre gebraucht um mich für das Album begeistern zu können. Man hat fast das Gefühl, hier spielt eine andere Band!
„Zwischen `BW &BK` und ´Way Back In The Woods` liegen fünf Jahre. Da ist viel passiert. Ich mag das Album sehr. Es ist dunkler und gefühlvoller. Ritchies Texte sind persönlicher. Sie handeln vom Tod seiner Freundin, Erfolg und Misserfolg, Drogensucht etc… Ich bin auch der Meinung, dass ich auf diesem Album die interessanteste Gitarrenarbeit abgeliefert habe, die ich je für ein AGONY COLUMN aufgenommen habe. In diesen erwähnten fünf Jahren ist viel passiert, was das Gefüge der Band verändert hatte. Wir hatten kein Label mehr, Crow wurde gefeuert und wir mussten einen neuen Basser finden. Ritchie war längere Zeit im Knast wegen seines Drogenproblems. Das schlug sich dann irgendwie auf die Songs nieder.“
Rückblickend auf die AGONY COLUMN Zeit, wie denkst du heute darüber?
„Es gibt nichts zu bedauern. Wir hatten eine klasse Zeit und ich hatte das Vergnügen und die Ehre, dass Leute mir erzählten wie sehr sie AGONY CLOMUN lieben. Das ist ein wichtiger Aspekt. Was das Geld angeht, für eine unbekannte Band standen wir finanziell nicht schlecht da. Wenn wir hier in Austin spielten waren zwischen 300-400 Leute da, manchmal sogar 800. Damals war das für Untergrund Bands keine Ausnahme. Wenn heute eine junge Band 100 Leute für einen Gig zusammen bekommt sind sie schon froh. Es war eine gute Zeit und ich bin froh dabei gewesen zu sein.“
Was hat es eigentlich mit dieser ominösen Vinyl only Veröffentlichung von `Comes Alive´ auf sich? War das nur eine Promo-EP?
„Ja, genau. Das Ding war nur für Radiostationen gedacht um den Ball am laufen zu halten. Die Songs wurden live aufgenommen im Liberty Lunch in Austin Ende 1989. Vier Songs finden sich auf dieser extrem raren EP. Zwei davon sind Coverversionen. `Round And Round` von AEROSMITH und `Mississippi Queen` von MOUNTAIN. Dann jeweils noch ein Track von jedem Album das wir veröffentlicht hatten. Ich besitze noch nicht mal eine Kopie davon! Und wie gesagt, das Teil erschien nur als Vinyl. Ganz lustig ist der Umstand, dass Crow unser Bassist auf der EP als Crow-Mag One bezeichnet wird. Kein Mensch weiß warum!“
Das Interview wurde 2008 geführt und da das Thema zeitlos ist und man über die Band so gut wie Nichts findet, waren wir der Meinung dies trotz des Alters dennoch online zu stellen.
Nachtrag: AGONY COLUMN hat sich letztes Jahr reformiert und auch schon wieder erste Shows gespielt. Wie ernsthaft diese Reunion ist bleibt abzuwarten. Ob ein neues Album kommt ist wohl eher zweifelhaft. Wir halten euch diesbezüglich auf dem laufenden.