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DARKTHRONE – It Beckons Us All

~ 2024 (Peaceville) – Stil: Black Metal ~


21. Album in 37 Jahren, reife Leistung. Nach etwas zähflüssigerem Veröffentlichungstakt haben die beiden norwegischen Lieblingsfreaks Fenriz und Nocturno Culto wieder das Tempo angezogen. Sind ja nun beide über 50 und da wird auch norwegischen Blackmetallern die Lebenszeit knapp.

Spass beiseite, in unserem Alter geht das geile Leben erst los. Und bei DARKTHRONE geht weiter, was schon immer da war. Aber ist das noch Black Metal? Aber ist das noch Punkrock? Ich halte es mal mit den ÄRZTEN und ich bejahe diese Frage. Black Metal ist mehr als LoFi Gescheppere, mehr als kitschiges, aufgeblasenes Keyboardgedüdel mit pseudoromantischen Düstergothicthemen. Es ist auch eine Fuck Off-Attitüde (manch einer weiß nicht einmal, was Attitüde heißt), ein Verfolgen der eigenen Vision ohne Kompromisse einzugehen. Und das konnten die Beiden schon immer gut.

Seit 1994 nur noch als Duo aktiv, haben sie sich ihren Kultstatus zurecht aufgebaut. Und ´It Beckons Us All´ beweist das. Ich hab genügend Nörgler erlebt, die ihnen die Relevanz nach dem vierten Album absprechen wollen. Ich finde das blödsinnig. Ihre Musik ist sauberer geworden mit den Jahren, der Klang ist klarer, aber die Richtung blieb morbide, die Atmosphäre dunkel und zuweilen unweltlich boshaft. Und so beginnt dieses Album auch mit ´Howling Primitive Colonies´. Gitarre und Schlagzeug spielen hier miteinander, meist in eher getragenerem Tempo mit ein paar mittelschnellen Momenten. Der Bass ist kaum da, aber hat auch keine große Bedeutung. Über den erhaben dunklen Riffs und Trommelfiguren, auf denen die Gitarre reitet, liegt ein grantig sinistrer Sprechgesang, ganz eindeutig dem guten Ted Skjellum zuzuordnen. Sein frostiger Ausdruck hat sich natürlich über die letzten 20 Jahre hinweg noch deutlicher herausgebildet. Waren die Beiden je näher an 1984 dran?

Abwechslung ist reichlich gegeben, die eingeschlagene Richtung, mal mittelschnell, mal waidwund schleppend, ist da durchaus beständig, aber der Ausdruck und die Akkordfolgen variieren. Doom, so meint man, hat als altmetallisches Stilmittel einen großen Einfluss auf die Kompositionen dieser Platte gehabt. Es ist möglich, daß Ted „Nocturno Culto“ Skjellum und Leif Gylve „Fenriz“ Nagell (heuer Gylve Fenris Nagell) in der Zeit zwischen Job, Familie, Vorsorgeuntersuchungen und Physiotherapie (ab 50 geht es richtig los mit Wehwehchen) ihre alten Lavarock und Kriechheavymetalplatten angehört und daraufhin im Unterbewusstsein abgespeichert haben, wo der Kreativprozess zur Schöpfung der neuen Platte die Einflüsse wieder ans Tageslicht brachte.

Auf jeden Fall hat Fenriz einige betörende Gesangseinlagen mit klarer Heldenstimme, die Songs gehen meist länger als vier Minuten, die Riffs sind gerne heavy und erhaben. Aber das hier geht natürlich nicht nur den einen Weg. Da ist ein ganz gemeiner, zuweilen fast widersinniger Unterton, ein garstiges Knirschen in der Gitarre, ein Hauch von klirrender Kälte, von morbide makabrem Schauspiel umherwandernder Pestilenz und von kosmischem Schrecken. Man höre nur das langsam vor sich hin schlendernde und fließende ´And In That Moment I Knew The Answer´ mit seinen brodelnden und doch eisigen Gitarren und irgendwo im Hintergrund jaulenden Klängen zum Ende hin, die an Luftschutzsirenen gemahnen, die aus einer anderen Zeit zu uns schallen.

Richtig prügelnder High Speed-Blackmetal war ja noch nie der beiden Recken Ding und so sind alle Stücke eher gemütlich vom Tempo. Auch eine pechschwarze Headbangernummer wie ´Black Dawn Affiliation´ mit sehr variabler Struktur und vielen Drehungen, Wendungen, Melodiebögen und Widerhaken. DARKTHRONE sind kauziger denn je, aber auch näher am echten Heavy Metal dran denn je, ohne jetzt ihre stets bestehende Aura der schwarzmetallenen Boshaftigkeit aufzugeben.

Das Cover ist eher kosmischer Natur, Sterne, ein schwarzes Loch, Planeten, ein Gittermuster, mit dem der Kosmos unterteilt wird, dazu aus der Schwärze herausfließende Wesenheiten, die einen unnennbaren Schrecken darstellen, der in seiner widerwärtigen Formlosigkeit für uns Menschenwürmer kaum greifbar ist. Keine Spur mehr von der niedlichen und äußerst coolen Albernheit des Frontcovers vom letzten Werk ´Astral Fortress´, auf dem die Rückenansicht eines Schlittschuh laufenden Fenriz zu sehen ist. Sachen gibt’s… Aber DARKTHRONE machen eben was sie wollen. Hauptsache Heavy Metal. Black Heavy Metal.

Wo wir wieder bei den Nörglern sind. Aber kann man hierüber nörgeln? Eine Nummer wie der makabre Kriecher ´The Heavy Hand´ ist schlichtweg morbider Nekroblackmetal mit 80er Spirit und der Attitüde der frühen 90er. Schlicht, überwältigend schwer, brodelnd heiß, knirschend und zermalmend. Nocturno Culto packt hier besonders viel Garstigkeit in seine Stimme. Und was soll bei DARKTHRONE auch noch innovativ sein? Ich will von den Beiden Musik, die mir in Mark und Bein fährt. Das haben sie erreicht.

Bei Luzifer, auch wenn die Texte inzwischen fantasievoller sind, die Musik ist ein einziges Teufelsritual zur Beschwörung des Leibhaftigen. So bei dem faszinierenden Epos ´The Bird People Of Nordland´ mit seinen Tempowechseln und verspielten Riffs. Diese zähe und kochende Klangmasse mit spannenden Akkordfolgen und einer rollenden Leadgitarre, die eine irgendwie traurige Melodie spielt, bevor der Song in einen grimmigen, aber heroischen Heavy Metal-Banger übergeht, regiert die Wohnstube komplett von den Boxen aus. Es tun sich Schichten von Klängen auf, die gekonnt unter die Hauptläufe gelegt werden und die Musik beinahe feierlich erhaben wirken lassen. Bang…die Nummer hat einen. Die eigentlichen leicht chaotischen Soli hier auf treibendem Metal mit morbid dementen Riffs sind noch das letzte Quäntchen an infernalischem Charme.

Und am Ende des Albums steht dann ´The Lone Pines Of The Lost Planet´ mit traurig balladeskem Anfangspart, wo akustische Gitarren eine zutiefst zauberhafte Melodie spielen, bevor ein hypnotisch dahinschwebender oder besser majestätisch erhaben schreitender Doom das Zepter übernimmt und nur das raue Grollen von Nocturno Culto so richtig den Blackmetal feiert. Aber genau dadurch werden die Doomriffs noch schmieriger, fauliger und fieser. In den über zehn Minuten der Spieldauer geht die Gitarre gern ihrer Wege und die Akkordfolgen wechseln, auch wenn Geschwindigkeit und Atmosphäre lauthals DOOM schreien. Kurz vor der Mitte des Songs beginnt ein wogender instrumentaler Teil mit herrlichen Gitarrenharmonien, etwas melancholisch, aber auf gewisse Weise schon pastoral nordisch zu nennen. Und es wird weitergedoomt, instrumental erstmal. Dann kommt eine Psychopassage mit Chants von Fenriz, einzelnen unverzerrten Akkorden der E Gitarre, etwas Getrommel, dann wabernder Echogitarre auf Fenriz‘ Drumming. Wirkt fast schon proggig, auf jeden Fall sehr karg und verstörend, bis dann auf einmal ein Hardrock-Part mit Fenriz‘ Klargesang einsetzt. Etwas chaotisch, aber klar von altem Heavy Sound um 1979/1980 herum beeinflusst, leichtfüssiger in der Atmosphäre und optimistischer. Der Akustikpart vom Anfang der Nummer beschließt dann Song und Album. Zehn Minuten und sie kommen einem so kurz vor.

DARKTHRONE sind eine Traditionsband, sie schaffen dabei immer frische Musik und begeistern mit ihrer nur sich selbst gegenüber konformen Einstellung. Das hier ist ein Album so typisch für die Beiden und doch wieder ein wenig anders als zuvor. Da dieses Duo eh im eigenen Kosmos operiert, kann ich die LP kaum mit irdisch kommerziellen Maßstäben messen, aber mein Geld ist sie mir wert und 9 Punkte sind da nicht zuviel.

 

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